Die Europäischen Markenämter haben sich auf eine gemeinsame Entscheidungspraxis im Markenrecht geeinigt zur Beurteilung der Unterscheidungskraft von 3 D Marken / Formmarken mit weiteren Elementen. Dies ist seit dem 1. April 2020 in Kraft und führt zu einer weiteren Angleichung des Markenrechts in der EU.
Trotz verbindlicher EU Richtlinie (RL 2008/95/EG) ist die bisherige Entscheidungspraxis zur Beurteilung der Unterscheidungskraft von 3 D Marken (Formmarken) mit Elementen schwierig. Welche Größe oder Proportion der Wort- oder Bildelemente reicht aus, um dem Zeichen Unterscheidungskraft zu verleihen? Und wie ist die Farbe einer Formmarke zu bewerten?
Jetzt haben sich die Europäischen Markenämter auf eine gemeinsame Entscheidungspraxis zur Beurteilung der Unterscheidungskraft von 3 D Marken / Formmarken mit Elementen geeinigt, in Kraft getreten am 1. April 2020.
Von gemeinsamer Entscheidungspraxis ausgeschlossen
Explizit nicht gilt diese gemeinsame Entscheidungspraxis für Formmarken oder 3 D Marken, die ausschließlich aus der Form der Ware bestehen, ebenso wenig für jene, durch deren Form eine technische Wirkung erreicht wird. Auch gilt die Entscheidungspraxis nicht für erworbene Unterscheidungskraft durch Benutzung einer Marke.
Formmarken mit Form, die als solche nicht unterscheidungskräftig ist
Positiv ausgedrückt, ist die gemeinsame Entscheidungspraxis anzuwenden auf 3 D Marken/Formmarken, die keine unterscheidungskräftige Form der Ware aufweisen, die aber zudem Wort-, Farb- und/oder Bildelemente haben. In der gemeinsamen Erklärung von DPMA und EPA ist dies beschrieben als die Beurteilung der inhärenten Unterscheidungskraft von Formmarken als Ganzes, die aus einer nicht unterscheidungskräftigen Form der Waren selbst, ihrer Verpackung oder ihres Behältnisses und anderen Elementen, auf die sich Formmarke erstreckt, bestehen.
Aus der Praxis: Louboutin Schuhe und Flaschenformen
Prominentestes Beispiel dafür ist das Verfahren um die berühmten Louboutin Schuhe mit roter Schuhsohle. Der EuGH hatte 2018 geurteilt, eine solche Marke bestehe nicht „ausschließlich aus der Form“ im Sinne der Markenrichtlinie, vielmehr solle die Form die Positionierung der Farbe an einer bestimmten Stelle dieser Ware schützen. Das niederländische Gericht folgte in seinem Urteil vom Februar 2019 dieser Vorgabe.
Und auch im Bereich Flaschenform und Schutz als 3D Marke fehlt es bisher an stringenter Rechtsprechung. Obwohl einer goldbeschichteten Flaschenform im Mai 2019 vom EuG Markenschutz zugestanden wurde, lehnte das Gericht im September 2019 Markenschutz für die markante Flaschenform für Fränkischen Wein ab. Der EuGH wiederum gewährte Markenschutz für eine Flaschenform mit Wulst am Flaschenhals.
Auch mit Blick auf Verpackungen sind verschiedene Urteile für 3 D Marken erfolgt. Ferrero gewann 2019 vor dem EuGH im Markenstreit um die 3D Marke auf eine ähnliche Verpackung im Stil von Tic Tac Dosen. Erst kürzlich lehnte der EuG jedoch Markenschutz als 3D Unionsmarke für die Form einer goldfarbigen, als Welle geformten Butterdose ab – obwohl das EUIPO vergleichbare Marken zugelassen hat.
Unterscheidungskraft durch die Elemente
In der nun beschlossenen gemeinsamen Entscheidungspraxis zur Beurteilung der Unterscheidungskraft von 3 D Marken / Formmarken werden entsprechend vor allem Entscheidungshilfen in Bezug auf die Wort-, Farb- und Bildelemente gegeben.
Word- und Bildelelemente
Wenn eine nicht unterscheidungskräftige Form ein Element enthält, das selbst unterscheidungskräftig ist, reicht das aus, um dem Zeichen als Ganzes U. zu verleihen. Die Größe und die Proportion der Wort- und Bildelemente können die Unterscheidungskraft beeinflussen. Faustregel ist: Wenn sich das Wort- Bildelement in der Größe hinreichend auf den Gesamteindruck auswirkt. Doch zu beachten ist, dass ein Wort- Bildelement nicht beschreibend sein darf, sie sind daher nicht unterscheidungskräftig, wenn sie beschreibende Informationen zu der Ware beisteuern.
Unterscheidungskraft von sehr bekannten Marken
Besonders interessant ist der kurze Passus zu Marken, die sehr bekannte Markennamen sind. Denn gemäß EU Richtlinie ist eine Formmarke dann vom Markenschutz ausgeschlossen, wenn die Form den wesentlichen Wert der Ware ausmacht. Man kann sicherlich darüber nachdenken, ob nicht die besondere Form der Louboutin Schuhe, die untrennbar mit der roten Sohle verknüpft ist, den Wert dieser Schuhe ausmacht. Dieser Aspekt aber spielte im Louboutin Urteil keine Rolle.
In der Entscheidungspraxis der Markenämter gilt jedenfalls in Bezug auf bekannte Markennamen, dass auch kleine Wort- und Bildelemente als unterscheidungskräftig anzusehen sind, wenn Marken sehr bekannt sind.
Farben
In Bezug auf die Wirkung von Farbe auf die Unterscheidungskraft ist das Allgemeininteresse zu berücksichtigen, demnach Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer verfügbar bleiben sollen. Farbe kann nur dann einem Zeichen Unterscheidungskraft verleihen, wenn die spezifische Farbzusammenstellung für die Ware ungewöhnlich ist und den Gesamteindruck prägt. Ebenfalls kann durch Kontraste, sowohl der Farbgestaltung als auch zwischen Ware und Element, Unterscheidungskraft erreicht werden. Eine Farbe alleine erzeugt in der Regel jedoch keine Unterscheidungskraft.
Im Übrigen ergibt sich gemäß Louboutin Urteil des EuGH aus dem Begriff „Form“ nicht, dass eine Farbe als solche ohne räumliche Begrenzung eine Form darstellen kann.
Gesamteindruck ist entscheidend
Oftmals enthält eine Formmarke mehr als eines der hier genannten Elemente. Es ist auch möglich, dass mehrere dieser Elemente auf die Unterscheidungskraft des Zeichens wirken. Für die Kombination von nicht unterscheidungskräftigen Elementen gilt dabei im Allgemeinen, dass keine Unterscheidungskraft erreicht wird.
Entscheidend ist jedoch stets der Gesamteindruck des Zeichens, der durch die Kombination der Elemente erzeugt wird.
Angleichung der Entscheidungspraxis in der EU
Diese neue Gemeinsame Praxis ist Teil der Europäischen Zusammenarbeit im Markenrecht und sind am 1. April 2020 in Kraft getreten. Da allerdings durch die Corona Einschränkungen der Ämter und Gerichte – wir berichten darüber in unserem wöchentlichen Corona Update – der Großteil von Verfahren verschoben sind, wird diese Entscheidungspraxis mit der nun aktuell politisch beschlossenen Lockerung und Wiederöffnung der Ämter und Gerichte erst wirklich relevant. Mit einem solchen Konvergenzprogramm versuchen die Markenämter der Europäischen Union übrigens, eine tatsächliche Angleichung der Entscheidungspraxis im Markenrecht zu erreichen.
Die kommenden Urteile werden zeigen, wieweit eine solche Angleichung nun gelingt bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von 3-D-Marken / Formmarken mit Wort- und/oder Bildelementen, wenn die Form als solche nicht unterscheidungskräftig ist.
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Quellen:
Gemeinsame Entscheidungspraxis 3D Marken / Formmarken in der EU
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