Eine Flaschenform mit Wulst am Flaschenhals kann als 3D Unionsmarke geschützt werden. So urteilte gestern der EuGH und bestätigte damit das vorhergehende Urteil des EuG aus dem letzten Jahr, das „ästhetischen Wert“ der Flaschenform in seiner Urteilsbegründung genannt hatte. Dies ist ein wichtiges Urteil für Dreidimensionale Marken, die aus der Form der Ware bestehen.
Das amphorenartige Gefäß mit markant gekrümmter Ausbuchtung in der Flaschenform steht im Mittelpunkt des jahrelangen Widerspruchsverfahrens zwischen der Klägerin, die deutsche Wajos GmbH, und dem Europäischen Patent- und Markenamt (EUIPO) um den Markenschutz für ein amphorenartiges Gefäß mit einem sichtbaren Wulst im Flaschenhals. Klägerin Wajos wollte die Flaschenform als 3D Unionsmarke schützen lassen, dies wurde jedoch sowohl vom Prüfungsamt als auch von der Beschwerdekammer abgelehnt.
Die Beschwerdekammer hatte diesen Wulst als technisch und funktionell bedingt bewertet und hatte ihn daher als herkunftskennzeichnendes Merkmal ausgeschlossen. Es fehle der Streitmarke daher an Unterscheidungskraft.
Der EuG allerdings hob im letzten Jahr die Entscheidung des EUIPO und die bisherige Markenablehnung auf (wir berichteten: Flaschenform mit Wulst als 3D Unionsmarke geschützt).
Zwar sei der Wulst ein technisch und funktionell bedingtes Merkmal, gleichwohl verleihe dieses Merkmal der angemeldeten Marke einen ästhetischen Wert, hatte der EuG geurteilt und darauf hingewiesen, dass sich die Marktteilnehmer in der Lebensmittelbranche durch einen starken Wettbewerb auszeichnen und daher die Konzeption der Verpackung wichtig sei um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden.
Gegen dieses Urteil des EuG (EU:T:2018:638) klagte das Europäische Patent- und Markenamt (EUIPO) vor dem höchsten Europäischen Gericht (EugH).
Ästhetik kein Kriterium für Unterscheidungskraft
Im Wesentlichen machte das EUIPO geltend, das Gericht habe bei seiner Prüfung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke auf Kriterien wie Ästhetik und tatsächliche Umstände der Vermarktung abgestellt, doch diese Kriterien seien nicht relevant für die Feststellung von Unterscheidungskraft. Vielmehr hätte nachgewiesen werden müssen, dass diese Marke „erheblich“ von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweiche. Zudem sei der Formenschatz reich für Verpackungen im betreffenden Marktsegment.
Rechtsprechung für 3D Marken
Das Europäische Gericht (EuGH) verwies zunächst auf die Rechtsprechung, demnach auch für 3D Marken die gleichen Kriterien gelten wie für alle anderen Marken. Wenn jedoch grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren, erläuterte der EuGH die allgemeine Rechtsprechung, daher könne es schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als diejenige einer Wort- oder Bildmarke.
Der EuGH betonte aber auch, dass eine dreidimensionale Marke, die im Erscheinungsbild der Ware selbst oder ihrer Verpackung besteht, vom Durchschnittsverbraucher nicht notwendig in der gleichen Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke – wenn die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist.
Aber eine dreidimensionale Marke, die im Erscheinungsbild der Ware selbst oder ihrer Verpackung besteht, und die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion zu erfüllen geeignet ist, besitze auch Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift, machte das Gericht einmal mehr deutlich und stimmte insofern mit dem EUIPO überein. Dabei könne auch der außergewöhnliche Charakter einer Aufmachung der betreffenden Waren einen Herkunftsnachweis geben, ergänzte der EuGH.
Gesamteindruck entscheidend
Dies habe der EuG in seinem angefochtenen Urteil auch berücksichtigt. Das Gericht habe zurecht den Gesamteindruck beurteilt und dabei das in Rede stehende Behältnis als „ein besonderes Erscheinungsbild“ gesehen.
Auch habe das Gericht implizit die Branchenüblichkeit in der Weise ermittelt, dass üblicherweise keine Flasche mit in der Mitte eine markant gekrümmter Form oder als Glasamphore verwendet wird. Daher brauchte der EuG nicht zusätzlich allgemein und abstrakt alles anzugeben, was der Norm und der Üblichkeit in der betreffenden Branche entspricht, führte das Gericht in seinem gestrigen Urteil aus.
Das Gericht erklärte auch, dass der bloße Umstand, dass die Form einer 3D Marke eine „Variante“ der üblichen Formen dieser Warengattung oder der Verpackung dieser Warengattung ist, nicht ausreiche als Beweis für fehlende Unterscheidungskraft. Stets sei die Wahrnehmung des Verbrauchers entscheidend. Und der EuG habe korrekt den Gesamteindruck bewertet und darin den in Anbetracht der Branchenüblichkeit außergewöhnlichen Charakter der Aufmachung der betreffenden Waren in Form der angemeldeten Marke hervorgehoben.
Zudem sei die Berücksichtigung des „ästhetischen Ergebnisses“ und des „ästhetischen Wertes“ nur einer der Gesichtspunkte, aufgrund deren der EuG in seinem Gesamteindruck ein Abweichen der Marke von Branchenüblichkeit bestätigte. Der EuG brauchte nicht zusätzlich allgemein und abstrakt alles angeben, was der Norm und der Üblichkeit in der betreffenden Branche entspricht, und durfte sich auf die Angabe beschränken, von welcher Branchenüblichkeit die angemeldete Marke erheblich abweichen soll, erläuterte der EuGH.
Flaschenhals – ein technisches Merkmal
Der EUIPO rügte zudem, dass der EuG den Flaschenhals als technisches Merkmal nicht ausreichend berücksichtigt habe – obwohl dies sowohl die Einschätzung des Prüfers als auch die der Beschwerdekammer war.
Der EuGH wies dies zurück. Die Begründungspflicht nach Art. 36 und Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union erfordere nicht, dass das Gericht in seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandeln müsste, machte der EuGH deutlich. Der EuG habe nur eine Begründungspflicht für die Gründe, auf denen sein Urteil beruhte, und dem war der EuG im erforderlichen Maß nachgekommen, urteilte gestern der EuGH.
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Noch fehlt es an vollständig stringenter Rechtssprechung im Bereich Flaschenform und Schutz als 3D Marke. Obwohl einer goldbeschichteten Flaschenform im Mai 2019 vom EuG Markenschutz zugestanden wurde, lehnte das Gericht im September 2019 Markenschutz für die markante Flaschenform für Fränkischen Wein ab.
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Quellen:
Urteil des EuGH „Flaschenform mit Wulst“ EU:C:2019:1073
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