BGH, Versäumnisurteil vom 22. Februar 2024 – I ZR 217/22
Dass Rechtsanwälte neben der rechtlichen auch die mediale Interessenvertretung für ihre Mandanten wahrnehmen müssen, ist mittlerweile selbstverständlich. Im Markenrecht spielt bei der Interessenvertretung § 19c Markengesetz (MarkenG) eine wichtige Rolle, weil durch diese Vorschrift der Markenverletzer in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden kann.
Die Vorschrift ermöglicht bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen die Veröffentlichung eines gegen den Markenverletzer gerichteten Urteils. Vereinfacht gesagt, wird der Markenverletzer dazu verurteilt, auf seine Kosten ein Urteil zu veröffentlichen, aus dem hervorgeht, dass er die Marke verletzt hat – er muss sich selbst an den Pranger stellen. In der hier besprochenen Entscheidung konkretisiert der Bundesgerichtshof (BGH) die Voraussetzungen dieses Anspruchs. In diesem Beitrag soll es ausschließlich um die Frage gehen, wann ein „berechtigtes Interesse“ an der Veröffentlichung des Urteils besteht.
Die Vorinstanz lehnt ein „berechtigtes Interesse“ ab
Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht (OLG) München, hatte einen Anspruch auf Urteilsveröffentlichung mit der Begründung abgelehnt, dass ein „berechtigtes Interesse“ an der Urteilsveröffentlichung fehle. Die Vorinstanz nahm an, dass unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung kein berechtigtes Interesse an einer Urteilsveröffentlichung bestünde. Eine durch die Markenverletzung der Beklagten verursachte Marktverwirrung liege nicht (mehr) vor, da zwischen der Markenverletzung und der Veröffentlichung des Urteils mehr als sieben Jahre vergangen seien. Zudem treffe die Beklagte nur ein geringes Verschulden. Eine Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin sei daher nicht mehr gegeben.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Berechtigtes Interesse geben
Der Bundesgerichtshof hebt die Entscheidung der Vorinstanz auf, weil er diese Argumentation für nicht überzeugend erachtete. So habe die Vorinstanz übersehen, dass die letzte Markenverletzung nicht sieben, sondern sechs Jahre zurücklag. Sie habe auch übersehen, dass die markenverletzende Ware überregional und über einen längeren Zeitraum vertrieben und beworben worden sei, und dass auch die einschlägige Fachpresse über den Vertrieb der Ware berichtet habe. Schließlich habe die Vorinstanz auch nicht berücksichtigt, dass die Klägerin die Beklagte im Vorfeld auf die Markenverletzung aufmerksam gemacht habe, so dass die Beklagte für die Problematik hätte sensibilisiert sein müssen, weshalb ihr Verschulden nicht als gering anzusehen sei. Auch habe das Berufungsgericht verkannt, dass der Abschreckungs-Effekt, den eine Urteilsveröffentlichung erreichen soll, mit zu berücksichtigen ist. Schließlich hätte die Vorinstanz auch berücksichtigen müssen, dass die Veröffentlichung des Urteils eine abschreckende Wirkung auf andere Markenverletzer haben soll.
Fazit
Der BGH hat einige Aspekte genannt, die im Zusammenhang mit dem „berechtigten Interesse“ zu berücksichtigen sind. Auch dieser Fall zeigt wieder eindrücklich, dass eine genaue Prüfung der jeweiligen Umstände geboten ist. Das Thema sollte auch deshalb nicht auf die leichte Schulter genommen werden, weil einem als Markenverletzer die Prangerwirkung droht und für den Markeninhaber gerade diese Prangerwirkung ein wirksames Druckmittel im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung sein kann. Gerne beraten wir Sie zu diesem Thema.
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tashatuvango
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