Mit dem morgigen 1. Mai tritt das Handels- und Kooperationsabkommen (TCA) zwischen der EU und dem UK in Kraft; IP Schutz ist darin sogar als eigenes Unterkapitel ausgeführt. Alles geklärt also? Es gibt Licht und Schatten.
Das Handels- und Kooperationsabkommen (TCA) zwischen der EU und dem UK soll den Schlusspunkt unter den Brexit setzen und zugleich den Beziehungen in Sachen Handel und Kooperation einen verlässlichen Rechtsrahmen bieten.
Bereits seit dem 1. Januar wurde es vorläufig bereits angewendet, weil nach den langen Brexit Verhandlungen die Zeit zur Ratifizierung fehlte. Dies wurde jetzt nachgeholt, am Dienstag wurde das TCA offiziell ratifiziert durch das Europaparlament. Es tritt mit dem morgigen 1. Mai 2021 in Kraft.
Der Gewerbliche Rechtsschutz (IP Schutz) wird im zweiten Teil des TCA als eigenes Unterkapitel ausgeführt. Positiv ist zu sagen, dass sich EU wie auch UK sich zu hohen Standards für den Schutz und die Durchsetzung von IP-Rechten verpflichten und auch die Einhaltung grundsätzlicher internationaler Verträge des modernen IP-Rechts von beiden Seiten bestätigt wird. Dazu gehören TRIPS, die Pariser Verbandsübereinkunft, die Berner Übereinkunft, der WIPO Vertrag zum Urheberrecht und auch das Protokoll zum Madrider Markenabkommen.
Marken und Designs im TCA
Wenig überraschend gibt es daher sowohl für Marken als auch Designs viel Einigung und Gleichbehandlung in der EU und im UK. Denn diese beiden Rechtsbereiche sind ja bereits seit langem durch die internationalen Verträge geprägt, in denen das UK ja nach wie vor Mitglied ist. Zudem hatte das UK in der Übergangszeit vor dem Brexit unkompliziertes „Klonen“ von EU Marken und EU Designs angeboten. Jeder Inhaber einer Unionsmarke oder einen Community Designs konnte eine gleiche UK Marke bzw. ein UK Design beantragen (und bezahlen), die automatisch die Priorität und Laufzeit des EU Pendants übernahm.
Dennoch ist ein Bereich nicht geklärt durch das TCA, der auch im Hinblick auf Marken und Designs wichtig ist: das ist die Erschöpfung von gewerblichen Schutzrechten. Die Frage nach der Erschöpfung von gewerblichen Schutzrechten wurde jedoch explizit ausgenommen von einer Regelung im TCA.
Grenzüberschreitende Aspekte sind ungeklärt
Denn die Erschöpfung betrifft ja grenzüberschreitende Aspekte, und die sind ohnehin noch immer Reizthema zwischen EU und UK – trotz TCA. In Bezug auf IP Schutz gibt es mögliches Konfliktpotential in Bezug auf die Erschöpfung, aber auch auf Rechtshängigkeitssperren oder gegenseitige Ausnahme zur Leistung von Prozesskostensicherheit. Und selbst Aspekte, die geklärt scheinen, sind es bei näherem Hinsehen nicht.
Beweissicherung und Offenlegung
Deutlich wird dies beim Thema Beweissicherung. Denn zivilprozessual bekennen sich beide Seiten dazu, Methoden zur Sachverhaltsaufklärung und Beweissicherung zur Verfügung zu stellen. De facto aber ist die Bandbreite der nationalen Maßnahmen groß und noch nicht einmal innerhalb der EU einheitlich. So gilt die „discovery“ im UK als umfassend, das Saisie-contrefaçon in Frankreich als spezielles scharfes Schwert, während Deutschland auf ein nationales eingeschränktes und selbstständiges Beweisverfahren setzt.
Übrigens findet sich im TCA auch keinerlei Regelung zu den territorialen Offenlegungspflichten für die Entstehung von nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern und ergänzenden nicht eingetragenen Geschmacksmusterrechten, die im UK möglich sind.
Streitbeilegungsmechanismus
Letztlich wird viel davon abhängen, wie in der Praxis der geplante Streitbeilegungsmechanismus greifen wird, der im TCA genannt ist. Der mögliche Konflikt zeichnet sich bereits darin ab; in wenigen Dingen scheinen sich die Briten so einig zu sein wie in der Freude über die Loslösung vom EuGH als Kontrollinstanz zur Auslegung und Durchsetzung grenzüberschreitender Regelungen. Entsprechend wird anstelle des EuGH ein ausschließlicher Streitbeilegungsmechanismus vereinbart, der im sechsten Teil des Abkommens (“Part six: Dispute settlement and horizontal provisions”) dargelegt ist.
Es werden in den nächsten Monaten daher zwangsläufig die Gesetze der EU und des UK auseinanderlaufen, da das Vereinigte Königreich mehrere wichtige EU-Richtlinien nicht umsetzen wird. Es sei nur ein Beispiel aus dem IP Schutz genannt: gerade Gesetze in wichtigen Bereichen wie ergänzenden Schutzzertifikate in der Medizin und Regulierungsrechte könnten immer mehr divergieren.
Zudem wird im TCA nichts über Gerichtsbarkeit und Vollstreckung von Urteilen geregelt. Das UK hat bereits erklärt, dass bei grenzüberschreitenden Patentklagen und die Anerkennung von Urteilen bis zum Beitritt des UK zum Lugano-Übereinkommen das britische Recht zur Regelung angewendet werden wird.
Patente
Doch schauen wir kurz genauer auf den Bereich Patente. In dem Bereich Patente gilt ohnehin die Meinung, dass sich nichts ändere durch den Brexit, da das europäische Patent – anders als sein Name suggeriert – kein Unionspatent ist, sondern nach den Regelungen der unabhängigen internationalen Organisation EPO. Letztlich meldet man über das EPO zwar ein europäisches Patent in den EPO Mitgliedstaaten an, muss es aber national validieren. Und das ändert sich tatsächlich nicht durch den Brexit.
Die langjährigen Bestrebungen, ein wirkliches Europäisches Einheitspatent einzuführen, scheiterten lange an den nationalen Ratifizierungen sowohl im UK als auch vor allem in Deutschland. Im letzten Jahr dann zog sich das UK aus dem Einheitspatent zurück; um dessen Zukunft ist es seitdem still geworden.
Doch zum Bereich Patente gehören auch Patente im Bereich Pharma und Medizin, und hier kann es zukünftig divergieren zwischen UK und EU. Denn in Bezug auf SPC sieht das TCA sieht vor, dass die EU und UK einen weiteren Schutz für patentgeschützte Produkte vorsehen müssen, um den Inhaber für eine Verringerung des Schutzes zu entschädigen, die durch ein Verwaltungsverfahren (wie z.B. die Erlangung einer Marktzulassung) verursacht wird. Grundsätzlich aber kann das UK die Regeln für ergänzende Schutzzertifikate (SPCs) ändern.
Geografisch geschützte Angaben
Ein anderer Bereich des IP Schutz betrifft die geografisch geschützten Angaben, durch die vor allem regionale hochwertige Lebensmittel geschützt werden können. Entsprechend emotional ist dieses Thema oft besetzt – und das TCA glänzt hier mit einer Regelungslücke. Es wurde keine Einigung über den gegenseitigen Schutz und die Durchsetzung zukünftiger geographischer Angaben erzielt. Die für die Übergangszeit noch geltende Regel, dass das UK den EU Schutz für geografische Produkte anerkannte, kann nicht auf neue Schutzanmeldungen angewendet werden.
Einstweiliger Rechtsschutz und Schadensersatz
Der Bereich Einstweiliger Rechtsschutz und Schadensersatz zeigt jedoch, was mit gemeinsamem Willen möglich ist. Von beiden Seiten ist gewünscht, dass Einstweiliger Rechtsschutz. Unterlassungen und Schadensersatz angeordnet werden können. Bisher wurde dies durch die Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2004/48/EG) geregelt. Und obwohl diese Richtlinie jetzt nicht mehr gilt für das UK, wurden deren Regelungen und Systematik im UK jedoch nahezu identisch übernommen. So sieht das TCA vor, dass das UK Schadensersatz im Stil der Durchsetzungsrichtlinie (einschließlich für „wissentliche Verletzung“) beibehalten wird.
Das UK hat zudem zugestimmt, dass das beibehaltene EU-Recht in Übereinstimmung mit der beibehaltenen EU-Rechtsprechung ausgelegt wird, sofern und solange die Rechtsprechung nicht aufgehoben oder das Gesetz geändert wird. Die Hoffnung bleibt, dass sich die Parteien nicht darüber streiten werden, ob die beibehaltene EU Rechtsprechung auf ein bestimmtes Szenario anwendbar ist.
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