Die Gegenüberstellung von deutschem und französischem Recht zur Beweissicherung bei vermuteten IP Verletzungen zeigt, dass die Verfahren zwar ähnlich sind, sich aber in der Umsetzung unterscheiden. In Frankreich ermöglicht das Saisie-contrefaçon eine weitreichende Beschlagnahme.
Bei vermuteten Verletzungen gegen Patent-, Marken- oder Geschmacksmusterrechte stehen dem Inhaber der Schutzrechte sowohl im deutschen IP Schutzrecht als auch im internationalem IP Recht Verfahren zur Verfügung. Die Gegenüberstellung von deutschem und französischem Recht in Bezug auf Beweissicherung zeigt, dass die Verfahren zwar ähnlich sind – wie es sein sollte gemäß europäischer Harmonisierung – , sich aber in der Umsetzung unterscheiden.
Verfahren zur Beweissicherung in DE und FR
Im deutschen Recht können sich Inhaber von Patent- und Markenrechten auf Beweissicherungsverfahren gemäß § 140 c PatG für Patentverletzungen und § 19 MarkenG für Marken, zudem auf das sogenannte Besichtigungsverfahren gemäß § 101a UrhG bei Urheberrechtsverletzungen und auch auf selbstständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 bis 494 Zivilprozessordnung (ZPO) berufen.
Das deutsche Recht kennt zudem Auskunftsansprüche bei vermuteten Patent-, Marken- oder Geschmacksmusterverletzungen, die durch eine einstweilige Verfügung geltend gemacht werden können. Lesen Sie gern dazu mehr in unserem Blog-Beitrag Die einstweilige Verfügung – Die wichtigsten Infos im Überblick.
Saisie-contrefaçon: französisches Verfahren zur Beweissicherung
Das französische Verfahren zur Beweissicherung, die sogenannte „Saisie-contrefaçon“ stellt im Vergleich zu deutschem Recht vergleichsweise geringe Anforderungen. Mit der Saisie-contrefaçon kann mit Einschaltung eines Gerichtsvollziehers unmittelbar auf Waren und Produktionsmittel eines vermuteten Schutzrechtsverletzers zugegriffen werden und Beweismittel beschlagnahmt werden.
Die Saisie-contrefaçon muss zunächst von dem französischen Tribunal de grande instance (Zivilgericht) autorisiert werden, und zwar durch das Zivilgericht, dass für die Patentangelegenheiten in dem betroffenen Gebiet zuständig ist. Ist die Beantragung der Beweissicherung erfolgreich, so wird ein Gerichtsvollzieher berufen, der die Untersuchungen durchführt – und dies ohne Benachrichtigung an den Schutzrechtverletzer (ex parte). Ein Überraschungseffekt ist garantiert.
In Frankreich dient dieses Saisie-contrefaçon verbreitet zur Informationsbeschaffung, vorzugsweise gerne auch in internationalen Patentrechtsverfahren. Der Inhaber eines Schutzrechts kann auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung den Gerichtsvollzieher mit der Sicherung von Beweisen an jedem möglichen Ort beauftragen.
Anders als in deutschem Recht ist nicht nur die Besichtigung von Dokumenten oder Produkten möglich, vielmehr ist der französische Gerichtsvollzieher berechtigt, solche Waren, Muster oder Proben sogar zu beschlagnahmen und dem Rechteinhaber zur Beweisführung überlassen. Es handelt sich also um eine sehr weitreichende Beschlagnahme.
Saisie-contrefaçon für Inhaber von FR oder EU Schutzrechten
Die Saisie-contrefaçon kann nur von den Inhabern von französischen Schutzrechten oder EU-Schutzrechten in Anspruch genommen werden. Zur Durchführung des Verfahrens muss ein Antrag an die entsprechenden französische Gerichte gestellt werden, die Tribunaux de grande instance gemäß Artikel 716-3 Code de la propriété intellectuelle (CPI).
Zu beachten ist: dies ist auch in bereits laufenden Verfahren möglich. Wie auch in deutschem Recht muss der Rechteinhaber auch in Frankreich ernsthafte Anzeichen für eine Rechtsverletzung geltend machen. In Deutschland muss zudem nachgewiesen werden, dass die Beweissicherung nötig ist, um Auskunfts-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend zu machen zu können. In Frankreich ist ein solcher Nachweis nicht erforderlich. Die saisie-contrefaçon dient ja explizit und erklärtermaßen der Sicherung von Beweisen.
Widerspruch gegen Beschlagnahme
Ist man mit einer solchen Beschlagnahme nicht einverstanden, kann man sich sowohl nach deutschem wie auch nach französischem Recht dagegen Widerspruch einlegen. In Deutschland gemäß kann Widerspruch vor der Berufungsinstanz erhoben werden gemäß §§ 936 ZPO. In Frankreich würde das Verfahren als einstweiliges Verfügungsverfahren mit erfolgtem Widerspruch vor dem Tribunal de grande instance weitergeführt.
Enge Fristen für die Saisie-contrefaçon
Darüber hinaus gelten für die Saisie-contrefaçon in Frankreich auch enge Fristen. Nach Durchführung der saisie-contrefaçon muss der Rechteinhaber innerhalb von 20 Werktagen bzw. 31 Kalendertagen Klage in der Hauptsache erheben, denn sonst wird die saisie-contrefaçon auf Antrag des Antragsgegners für nichtig erklärt. In einem solchen Fall kann der Antragsgegner den Antragsteller auch auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Entscheidend für die Fristberechnung das Datum der Übersendung der Klageschrift durch den für die Zustellung zuständigen Gerichtsvollzieher.
In Deutschland wiederum wird eine Klagefrist nur auf Antrag des Anspruchsgegners festgesetzt.
Fazit
Trotz europäischer Harmonisierung in Patent- und Markenrecht, trotz zahlreicher EU Richtlinien, die auch die nationale Gesetzgebung für IP Rechte angleichen, gibt es nach wie vor Unterschiede in der tatsächlichen Umsetzung in den einzelnen EU Mitgliedstaaten. Es ist daher immer zu bedenken, ob ein europäischer Marken- oder Patentschutz den gewünschten Schutzstatus sichert, auch wenn zunächst der nationale IP Schutz ausreichend erscheint. Sobald Ihr Produkt in mehreren Ländern vermarktet wird, sind die dortigen IP Rechte gültig.
Benötigen Sie Unterstützung von Verletzungen der IP Rechte oder bei einer einstwilligen Verfügung?
Unsere Anwälte beraten Sie gerne. Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt auf – wir freuen uns auf Ihren Anruf!
Quellen:
die genannten Rechtsnormen
Bild:
Alexas_Fotos / pixabay.com / CCO License | geralt / pixabay.com / CCO License
Schreiben Sie einen Kommentar