Eine weitere Hürde gegen das lange ersehnte UPC ( Europäisches Einheitliches Patentgericht) ist gefallen: Das Bundesverfassungsgericht weist die Beschwerde zurück. Eine Verletzung der Grundrechte – Demokratieverletzung und absoluter Vorrang des EU-Rechts – sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden.
Bundesverfassungsgericht weist UPC Beschwerde zurück
Das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (kurz UPC-Übereinkommen genannt) sieht bereits seit 2013 die Einführung eines europäischen Patents vor – mit einheitlicher Wirkung als auf EU-Ebene anerkanntes Recht des geistigen Eigentums.
Da die Einführung aber die Übertragung von nationalen Rechten erforderte, sollten alle EU Mitgliedsstaaten das UPC-Übereinkommen ratifizieren. In vielen Ländern ging dies reibungslos; besonderes schwierig aber gestaltete sich die Ratifizierung im UK und vor allem auch in Deutschland. Nach längerem Hin- und Her wurde das UPC schließlich im April 2018 auch in UK ratifiziert, wir berichteten. Doch nicht in Deutschland, hier bremste eine Verfassungsklage die Ratifizierung zunächst aus.
2020 kam dann Bewegung in dieser Frage auf. Das UK entschied im Februar 2020, trotz Ratifizierung nicht am UPC teilzunehmen – und in Deutschland wurde endlich im November 2020 die Ratifizierung verfassungskonform durchgeführt. Doch damit waren die Beschwerden in Deutschland gegen das UPC noch nicht in Gänze ausgeräumt: es wurden Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Abkommen über ein einheitliches Patentgericht beim Bundesverfassungsgericht gestellt – die aber zurückgewiesen wurden, wie das Bundesverfassungsgericht heute (9. Juli 2021) mit einer Pressemitteilung bekanntgibt.
Beschwerde: Demokratieverletzung und absoluter Vorrang des EU-Rechts
Worum ging es in dieser jüngsten Beschwerde gegen das UPC? Die Beschwerdeführer machten im Wesentlichen geltend, dass ihr Recht auf demokratische Selbstbestimmung verletzt sei. Zudem werde das Rechtsstaatsprinzip und das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Der Vorrang des EU-Rechts in Art. 20 des UPC-Abkommens stelle einen unzulässigen Eingriff dar in die deutsche Verfassungsidentität aus Art. 79 ABS. 3 GG.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wägte diesen Einwand genauestens ab. In Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG normiert das Grundgesetz die Verpflichtung, die Rechtswirkungen des EU-Rechts anzuerkennen und ihm Geltung zu verschaffen. Dies impliziere, so das Gericht, dass mit dem Zustimmungsgesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG ein Anwendungsvorrang des EU-Rechts gegenüber dem innerstaatlichen Recht gewährt wird. Dieser Anwendungsvorrang gelte grundsätzlich auch dann, betonte das Bundesverfassungsgericht, wenn EU-Recht mit der Verfassung kollidiert – aber gleichzeitig doch nur insoweit, als das Grundgesetz und der innerstaatliche Zustimmungsakt eine Übertragung von Hoheitsrechten zulassen oder vorsehen.
Ein absoluter Vorrang des EU-Rechts wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, betonte das Bundesverfassungsgericht. Das aber sei nicht der Fall beim UPC, urteilte das Gericht.
Weder der Vertrag über die Europäische Union noch der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union enthalten eine ausdrückliche Garantie für den Anwendungsvorrang des EU-Rechts. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass Art. 20 des UPC-Abkommens lediglich darauf abzielt, etwaige Zweifel an der Vereinbarkeit des Abkommens mit dem EU-Recht auszuräumen, jedoch keinen Einfluss auf den Status quo im Verhältnis zwischen EU-Recht und nationalen Verfassungen hat.
Das Bundesverfassungsgericht fügte recht trocken hinzu, es sei jedoch festzustellen, dass dieses Verständnis den Vertragsstaaten bisher nicht mitgeteilt wurde.
Bundesverfassungsgericht: Erwägungen im Detail
Die Beschwerdeführer haben nach Ansicht des Gerichts insbesondere nicht dargelegt, warum und wie das UPC-Abkommen in seiner organisatorischen Ausgestaltung des Einheitlichen Patentgerichts und in der den Richtern eingeräumten Rechtsstellung das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG in einer Weise verletzen könnte, die auch einen Eingriff in das Demokratieprinzip darstellen würde. Zwar hatten die Beschwerdeführer geltend gemacht, dass die Richter am Einheitlichen Patentgericht für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt werden, eine Wiederwahl möglich ist und kein ausreichender Rechtsbehelf gegen eine Abberufung zur Verfügung steht. Es werde aber nicht dargelegt, warum und wie dies das Demokratieprinzip beeinträchtigt, entschied das Bundesverfassungsgericht. Dafür hätten die Beschwerdeführer darlegen müssen, erläuterte das Gericht, dass das Abkommen eine Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf die Europäische Union (oder eine die Europäische Union ergänzende oder eng mit ihr verbundene Organisation) beinhaltet oder die Befugnisse des Bundestages, wie etwa seine Haushaltsbefugnisse und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung, erheblich beschneidet.
Das aber war vorliegend nicht der Fall, erklärte das Gericht und wies die Beschwerde gegen das UPC vollständig zurück (2 BvR 2216/20, 2 BvR 2217/20).
Wie geht es weiter mit dem UPC?
Das Urteil dürfte das tatsächliche In-Krafttreten des UPC beflügeln. Eigentlich war als Voraussetzung für das In-Kraft-Treten des Einheitliches Patentgerichts vereinbart worden, dass eine Ratifikation des EPGÜ zwingend durch Deutschland, Frankreich und das UK erforderlich ist („True Top 4“: vier EU Mitgliedstaaten, in denen derzeit am häufigsten Patente validiert werden: Deutschland, Frankreich, UK und Niederlande). Das UK ist dennoch nicht mehr dabei, das ist schwierig genug für das UPC, aber immerhin ist nun in Deutschland die Sachlage zum UPC klar.
Grundsätzlich hatte der Vorbereitungsausschuss für das UPC im Dezember 2019 offiziell Anfang 2021 als möglichen Starttermin für das UPC angegeben – damals aber noch in der Annahme, das UK sei dabei.
Europäisches Einheitsgericht- welche Vorteile?
Unternehmen sollen dank UPC und Europäischem Einheitspatent „Erfindungen bald einfacher und billiger schützen können“, erhofft die EU Kommission. Tatsächlich würde ein Europäisches Einheitspatent die Anmeldung und Validierung eines Patents EU-weit deutlich vereinfachen. Letztlich sollen dadurch auch die Kosten des Einheitspatents geringer sein als beim bisherigen System.
Ebenso wichtig ist für Unternehmen jedoch die Gerichtsbarkeit für Patentverfahren. Denn augenblicklich ist es notwendig, eine mögliche Patentverletzung im jeweiligen Land vor Gericht zu bringen, in dem die Patentverletzung geschehen ist. Mit Inkrafttreten des Einheitlichen Patentgericht soll dies anders sein, Vorrang hätte Unionsrechts und die Auslegungszuständigkeit des EuGH.
Möchten auch Sie Ihr (internationales) Patent schützen oder verteidigen?
Unsere Anwälte verfügen über langjährige Expertise im Patentrecht sowie im gesamten Gewerblichen Rechtsschutz und sind berechtigt, Sie vor jedem Gericht zu vertreten – in Deutschland und auch international.
Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt auf.
Quellen:
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts
Bild:
Schreiben Sie einen Kommentar