In der Regel muss in einem Gerichtsverfahren die unterlegene Partei die Kosten tragen. Und der entsprechende Streitwert wird vom Gericht „nach Ermessen“ bestimmt. Das BPatG hat aktuell über eine solche Frage entschieden, über einen Streitwert im Patentnichtigkeitsverfahren.
Wer in einem Gerichtsverfahren verliert, muss in der Regel die Kosten des Verfahrens tragen. In Deutschland relevant dafür ist das Gerichtskostengesetz (GKG) und die Zivilprozessordnung (ZPO) – und in Patentverletzungsverfahren auch das Patentgesetz (PatG).
Streitwert im Verfahren: Gerichtskostengesetz
Sind Gebühren fällig, die sich nach dem Streitwert richten (mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll), sieht § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG die vorläufige Festsetzung des Streitwerts in den Fällen vor, in denen weder eine Geldsumme verlangt wird noch ein fester Wert gesetzlich vorgesehen ist. Das Gericht setzt den Streitwert ohne Beschluss und vorläufig fest.
Soweit eine Entscheidung nach § 62 GKG nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt.
Ist ein Gerichtsverfahren von den Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt worden, muss über die Kosten des Verfahrens entschieden werden.
Kosten des Verfahrens
Grundsätzlich ist dies im deutschen Recht geregelt gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO, demnach über die Kosten des Verfahrens „unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen“ zu entscheiden ist und durch Beschluss des Gerichts.
Allerdings kommt es auch auf die Art des Verfahrens an. Bereits 2011 hat der BGH entschieden, dass eine Kostenentscheidung in Anwendung von § 91a ZPO im selbständigen Beweisverfahren nicht in Betracht kommt (BGH, VII ZB 108/08).
In einem Patentstreitverfahren wiederum ist über die Kosten des Verfahrens zu bestimmen gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 a Abs. 1 ZPO – ebenfalls nach billigem Ermessen.
Übrigens bedeutet die Beendigung eines Verfahrens in der Hauptsache nicht, dass dieses Verfahren richterlich entschieden wurde; es bedeutet lediglich, dass beide Parteien übereinstimmend die Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache erklärt haben.
Und nach der Rechtsprechung gilt für ein für erledigt erklärtes Verfahren, dass grundsätzlich diejenige Partei die Kosten zu tragen hat, die voraussichtlich unterlegen wäre, wenn das zur Erledigung führende Ereignis nicht eingetreten wäre (siehe BGH, Juli 1983, X ZR 62/81 – Brückenlegepanzer II; BPatG 2018, 2 Ni 18/16 (EP)). Dabei kommt es ausdrücklich nicht darauf an, ob die Klage durch das den Rechtsstreit erledigende Ereignis unbegründet oder infolge eines Wegfalls des Rechtsschutzinteresses der Klägerin an der Nichtigerklärung des Streitpatents unzulässig geworden ist.
Aus der Praxis: Zeitablauf des Patents
In der Praxis gar nicht selten ist beispielsweise der Fall, dass der Ablauf des Streitpatents zur Erledigung in der Hauptsache in einem Patentnichtigkeitsverfahren führt. Denn von diesem Zeitpunkt an ist der Nichtigkeitsklage die Grundlage entzogen. Daher steht nach Ablauf eines Streitpatents dem Kläger nur noch ein Rechtschutzinteresse zu, wenn ihm die nachträgliche Nichtigerklärung des erloschenen Patents einen rechtlichen Vorteil hätte bringen können.
Dass eine vorher zulässige Klage durch den Zeitablauf des Patents unzulässig wird und deshalb im Rahmen des § 91a ZPO auch in gleicher Weise als ein die Hauptsache erledigendes Ereignis zu behandeln ist, hat der BGH in seinem Beschluss von 1983 festgelegt.
Und dann hat eben diejenige Partei die Kosten zu tragen, die voraussichtlich unterlegen wäre, wenn das zur Erledigung führende Ereignis nicht eingetreten wäre – und wenn keine Anhaltspunkte für weitere Billigkeitserwägungen bestehen.
Klage als mutwillig zu sehen?
Denn wenn eine Klage als mutwillig angesehen würde, könnte dies eine Kostenauferlegung an die Klägerin rechtfertigen. Das BPatG hat aktuell über eine solche Frage entschieden (29. Dezember 2021, 2 Ni 8/20 (EP)). In der dort vorliegenden Fallgestaltung hatte die die Klägerin ihre Nichtigkeitsklage mehr als zwei Jahre vor dem Erlöschen des Patents durch Zeitablauf eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt brauchte sie kein eigenes Rechtsschutzbedürfnis darzulegen, da die Nichtigkeitsklage als Popularklage ausgestaltet war. Diese Fallgestaltung sah das BPatG nicht als mutwillige Klage an; die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt nicht absehen können, wie der Senat entscheiden würde.
Streitwert im Patentnichtigkeitsverfahren
Der Streitwert im Patentnichtigkeitsverfahren ist nach §§ 51 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG zu bestimmen, ebenfalls „nach billigem Ermessen“. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dafür im Allgemeinen der gemeine Wert des Patents bei Erhebung der Nichtigkeitsklage zuzüglich des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich (Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 7. Aufl. 2020, Rn. 567). Zudem ist bei der Festsetzung des Streitwerts im Verletzungsverfahren die Bedeutung des Klagepatents für den Absatz marktgängiger Produkte und die darauf zurückgehenden Umsatzerwartungen der Rechtsinhaberin zu berücksichtigen (sieh BGH, 2013 – X ZR 171/12).
In der Praxis liegt daher die (vorläufige) Streitwertfestsetzung des anhängigen Verletzungsverfahrens zugrunde. Dieser Betrag ist in der Regel um 25% zu erhöhen, um dem Wert der eigenen Nutzung Rechnung zu tragen, hat der BGH schon im April 2011 entschieden (X ZR 28/09) in der Entscheidung Nichtigkeitsstreitwert I . Über den Streitwert von standard-essentiellen Patenten (SEP) hat der BGH auch bereits grundsätzlich entschieden – wir berichteten: Die Tatsache, dass es sich um ein SEP handelt, führe für sich genommen nicht zu einer weiteren Erhöhung des Streitwerts, entschied das BGH in ‚Nichtigkeitsstreitwert III‘ (X ZR 23/21).
Allerdings hatte die Klägerin in der Fallgestaltung vor dem BPatG eigenen Angaben zufolge den Streitwert lediglich grob geschätzt; sie hatte den Streitwert in ihrer Klageschrift mit 1.500.000,00 € angegeben und darauf hingewiesen, dass die Parteien aber noch zwei weitere Nichtigkeitsverfahren (2 Ni 7/20 (EP) und 2 Ni 9/20 (EP)) führen. In den dortigen Verfahren sei der Streitwert seitens der Klägerin mit 250.000,00 € bzw. mit 500.000,00 € angegeben.
Das Gericht dagegen setze den Streitwert nach „billigem Ermessen“ deutlich niedriger fest, vorliegend auf 500.000,00 €. In den zugrundeliegenden Nichtigkeitsverfahren 2 Ni 7/20 (EP) und 2 Ni 9/20 (EP) war es um interaktive Fernsehanwendungen bzw. elektronische Programmführer gegangen. Beide Patente aber betreffen – nach den zutreffenden Angaben der Parteien – das gleiche technische Gebiet der interaktiven Fernsehsysteme, stellte das BPatG fest. Daher sei ein Streitwert von 500.000,00 € angemessen, entschied das Gericht.
Übernahme der Verfahrenskosten vor Europäischem Gericht
Schlussendlich weisen wir an dieser Stelle noch gerne auf die Gerichtsordnung des Europäischen Gerichts hin. Demnach muss eine Kostenübernahme des Verfahrens aktiv beantragt werden. Weil dies die Streithelferin Samsøe & Samsøe nicht getan hatte, musste sie selbst ihre Verfahrenskosten tragen – obwohl sie erfolgreich im Verfahren war (gemäß Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung). Die unterlegene Klägerin in dem Fall hatte ihrerseits einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Das allerdings war auch vergeblich, da die Klage verloren wurde. Die Klägerin musste für ihre Kosten alleine aufkommen, und zwar aus allen Verfahren. Aber eben nicht für die Verfahrenskosten der Streithelferin.
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Quellen:
BPatG, Streitwert und Kostenfestsetzung, 2 Ni 8/20 (EP)
Bild:
geralt | pixabay | CCO License
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