Im allgemeinen gilt für europäische Patentanmeldungen das Prinzip der gemeinsamen Anmelder. Doch gilt das auch für eine internationale PCT-Anmeldung? Das EPA hat aktuell entschieden, diese Frage der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.
Gültigkeit des Prioritätsanspruchs angefochten
Zu der aktuellen Entscheidung des EPA (vom 28. Januar 2022, EPA Entscheidung T 2719/19 (Prolongation of survival of an allograft/ALEXION)) kam es im Nichtigkeitsverfahren gegen das Europäische Patent Nr. 1 755 674, das durch die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung widerrufen wurde: Die Gültigkeit des Prioritätsanspruchs wurde erfolgreich angefochten und infolgedessen wurde die Neuheit des Patents verneint.
Die Fakten zu diesem Fall sind schnell erzählt und kommen in ähnlicher Form häufiger vor; es gab schon zuvor Streitverfahren um die korrekte Anmeldernennung (besonders namhaft ist in diesem Kontext die CRISPR-Entscheidung von 2018, wir berichteten), und es sind auch weitere solche Streitverfahren beim EPA anhängig. Es gab in Bezug auf die Anmelder Diskrepanzen zwischen der beanspruchten Prioritätsanmeldung und der PCT Anmeldung, in der Alexion Pharmaceuticals, Inc. und die University of Western Ontario neben die Patentanmelder sind.
Diskrepanzen zwischen der Prioritäts- und PCT-Anmeldung
Die Prioritätsanmeldung wurde auf den Namen der Erfinder R.P. Rother, H. Wang und Z. Zhong eingereicht; in der PCT-Anmeldung jedoch sind diese drei als Erfinder und als Anmelder mit Benennung nur für die Vereinigten Staaten von Amerika (US) genannt. Außerdem werden in der PCT-Anmeldung Alexion Pharmaceuticals, Inc. und die University of Western Ontario als Anmelder für alle benannten Staaten außer den USA genannt. Das angefochtene Patent nennt Alexion Pharmaceuticals, Inc. als Patentinhaber und R.P. Rother, H. Wang und Z. Zhong als Erfinder.
Der Prioritätsanspruch sei ungültig, hatte die Antragstellerin im Nichtigkeitsverfahren gegen das EP Patent erfolgreich geltend gemacht, weil nur das Prioritätsrecht des Erfinders Rother vor der Einreichung der PCT-Anmeldung an die Beschwerdeführerin abgetreten worden sei. Eine Abtretung der Prioritätsrechte der Erfinder Wang und Zhong an die Beschwerdeführerin oder die University of Western Ontario habe vor der Einreichung der PCT-Anmeldung nicht stattgefunden.
Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung hatte Alexion Beschwerde eingereicht, über die das EPA jetzt entschied – allerdings mit offenen Rechtsfragen in Bezug auf PCT-Anmelder, die nun der Großen Beschwerdekammer vorgelegt werden.
Anspruch auf Priorität – gleiche Regeln für EP und PCT-Anmelder?
Bisher gelten die Anmelder einer europäischen Patentanmeldung oder die Inhaber eines europäischen Patents, die nicht für alle benannten Vertragsstaaten identisch als Anmelder benannt sind, für die Zwecke des Verfahrens vor dem Europäischen Patentamt (EPA) gemäß Artikel 118 EPÜ als gemeinsame Anmelder. Diese Rechtsprechung wurde aus der Beschwerdekammer Entscheidung T 1933/12 (T 1933/12, Gründe 2.4.) entwickelt, im Englischen „joint applicants approach“ genannt. Wie das EPA jetzt ausführte, betrifft er im einfachsten Fall die Situation, dass ein Beteiligter A Anmelder der Prioritätsanmeldung ist und die Beteiligten A und B Anmelder der späteren Anmeldung sind, in der das Prioritätsrecht in Anspruch genommen wird.
Doch gilt diese Vorschrift für Anmelder auch für eine internationale (PCT-)Anmeldung für das europäische (EP-)Gebiet? Immerhin hat die internationale Anmeldung am Anmeldetag die Wirkung einer regulären nationalen Anmeldung (Artikel 11 (3) PCT und Artikel 153 (2) EPÜ).
Alexion argumentierte, es sei ausreichend, dass alle Erfinder, die als Anmelder der Prioritätsanmeldung genannt sind, auch zu den Anmeldern der späteren PCT-Anmeldung gehören, und sei es auch nur für die Bezeichnung US. Der Ansatz des „joint applicants approach“ sollte auch für eine PCT-Anmeldung gelten, machte Alexion geltend.
Vorlagefragen an die Große Beschwerdekammer
Es handele sich in diesem Fall um eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung, entschied das EPA jetzt am 28. Januar 2022. Diese Rechtsfrage nach dem Anmelder Konzept für PCT-Anmeldungen sei für eine Reihe von Fällen relevant, die derzeit bei Einspruchsabteilungen und Beschwerdekammern anhängig sind, ergänzte das EPA und nannte beispielhaft die Rechtssachen T 2749/18, T 2842/18, T 1837/19 und T 845/19.
Aus diesem Grund wird das EPA folgende Fragen der Großen Beschwerdekammer vorlegen:
- Überträgt das EPÜ dem EPA die Zuständigkeit für die Entscheidung, ob ein Beteiligter rechtsgültig behauptet, Rechtsnachfolger im Sinne von Artikel 87(1)(b) EPÜ zu sein?Falls Frage I bejaht wird
- Kann sich ein Beteiligter B wirksam auf das in einer PCT-Anmeldung beanspruchte Prioritätsrecht berufen, um Prioritätsrechte nach Artikel 87 (1) EPÜ zu beanspruchen,
für den Fall, dass
- in einer PCT-Anmeldung der Beteiligte A als Anmelder nur für die USA und der Beteiligte B als Anmelder für andere benannte Staaten, einschließlich des regionalen europäischen Patentschutzes, benannt ist und
- die PCT-Anmeldung eine Priorität aus einer früheren Patentanmeldung beansprucht, in der der Beteiligte A als Anmelder benannt ist, und
- die in der PCT-Anmeldung beanspruchte Priorität im Einklang mit Artikel 4 der Pariser Verbandsübereinkunft steht?
Es ist nun mit Interesse abzuwarten, wie die Große Beschwerdekammer zu diesen Fragen Stellung beziehen wird. Das EPA selbst hält es für wahrscheinlich, dass die Frage 1 bejaht werden wird, da es sich um ein materielles Erfordernis in Art.87(1) EPÜ handelt.
In jedem Fall wird die Große Beschwerdekammer mit ihrer Antwort eine Rechtslücke schließen, die derzeit noch nicht geklärt ist- und das in einer Zeit, in der Patentanmeldungen global ständig zunehmen, auch PCT-Anmeldungen.
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Quellen:
EPA Entscheidung T 2719/19 (Prolongation of survival of an allograft/ALEXION) of 28.1.2022
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