In Deutschland ist seit 2019 das GeschGehG in Kraft. Doch vor allem die Geheimhaltung vor Gericht ist in der Praxis komplex. Sind Beschlüsse sofort anfechtbar? Und welche Rechte und Pflichten haben die Prozessbevollmächtigten? Der BGH erweiterte die Rechtsprechung zur Geheimhaltung vor Gericht.
Geschäftsgeheimnis – seit 2019 mit Gesetz GeschGehG
Erfindungen können nicht nur als Patent geschützt werden, sondern auch als Geschäftsgeheimnis. Beide Schutzarten schließen einander aus, es ist daher nur entweder Patentschutz oder Schutz als Geheimnis möglich. Im direkten Vergleich ist der Schutzbereich als Geschäftsgeheimnis dabei als geringer anzusehen als mit Patentschutz, doch mit einem wichtigen Faktor ist der Schutz als Geschäftsgeheimnis dennoch überlegen: es gibt keine grundsätzliche Offenbarungspflicht wie für jedes Patent.
Seit 2019 ist in Deutschland das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft, wir berichteten. Neben der Frage, was unter ‚angemessenen‘ Geheimhaltungsmaßnahmen in der Praxis zu verstehen ist, ist vor allem die Geheimhaltung selbst ein zentrales Thema, und zwar vor allem die Geheimhaltung vor Gericht.
Geheimhaltung vor Gericht
Dazu hat der BGH bereits einige wichtige Entscheidungen getroffen und fügt mit dem Beschluss zum Fall Hohlfasermembranspinnanlagen vom 18.11.2021, Az. I ZB 86/20 einen weiteren Baustein in die Rechtsprechung zur Geheimhaltung vor Gericht.
Im vorliegenden Fall Hohlfasermembranspinnanlagen hatte das vorinstanzliche Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss von 2020 (9 U 1382/13) die im Beschlusstenor genannten Informationen über den Aufbau und zur Konstruktion der von der Klägerin hergestellten Hohlfasermembranspinnanlagen „H. I“ und „H. II“ gemäß § 16 Abs. 1 GeschGehG als geheimhaltungsbedürftig eingestuft.
Dagegen richtete sich das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel der Beschwerdeführer, die in diesem Fall die Prozessbevollmächtigten der Beklagten waren, eine Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten. Denn in ihrem Besitz befinden sich die Prozessunterlagen beziehungsweise Teile davon in physischer oder elektronischer Form, wie die Beschwerdeführer selbst erklärten, und mit dem Beschluss zur Geheimhaltungsbedürftigkeit müssten sie unverzüglich Handlungen unterlassen und Dokumente anders verwalten. Sie seien daher durch die in dem angegriffenen Beschluss erfolgte Androhung von Zwangsmitteln gegenwärtig und unmittelbar beschwert, machten sie geltend.
Anfechtbarkeit von Beschlüssen zur Geheimhaltung
Grundsätzlich ist die Anfechtbarkeit von Beschlüssen nach § 16 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GeschGehG in § 20 Abs. 5 Satz 4 und 5 GeschGehG geregelt. Insbesondere der § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG stand vorliegend im Mittelpunkt des Verfahrens. Denn gemäß § 20 Abs. 5 Satz 5 GeschGehG findet die sofortige Beschwerde statt. Und gemäß § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG können die Einstufung von Informationen als geheimhaltungsbedürftig nach § 16 Abs. 1 GeschGehG und die Anordnung der Beschränkung des Zugangs zu Dokumenten, zur Verhandlung oder zu der Aufzeichnung oder dem Protokoll der Verhandlung nach § 19 Abs. 1 GeschGehG nur gemeinsam mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden. Auch gegen ablehnende Entscheidungen nach § 16 und § 19 GeschGehG sind Rechtsmittel nur gegen die Entscheidungen im ersten Rechtszug statthaft (BT-Drucks. 19/4724, S. 38).
Rechte und Pflichten von Prozessbevollmächtigten
Der BGH wies auf diese Rechtslage zunächst hin und ging dann insbesondere auf die Rechte und Pflichten von Prozessbevollmächtigten ein. Aus der Vorschrift des § 20 Abs. 5 Satz 4 GeschGehG folge nicht, dass nur die Parteien gegen einen Beschluss nach § 16 GeschGehG Rechtsmittel einlegen können, entschied der BGH. Grundsätzlich sind demnach auch Prozessbevollmächtigte rechtsmittelbefugt.
Neben den Parteien seien dies auch die Beschwerdeführer, da auch sie durch den angegriffenen Beschluss zur Geheimhaltung verpflichtet und ihnen für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsmittel angedroht werden, erläuterte der BGH. Den Beschwerdeführern sei es daher nicht nur verboten, das Geschäftsgeheimnis weiterzugeben oder zu nutzen, sondern sie müssen auch aktiv organisatorische Vorkehrungen zur sicheren Verwahrung von Dokumenten treffen, aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ergibt (BeckOK.GeschGehG/Fuhlrott/Hiéramente, 8. Edition [Stand 15. März 2021].
Richterliche Überprüfung der angeordneten Geheimhaltung
Der BGH erklärte zudem die Befugnisse des Gerichts im Fall einer richterlichen Überprüfung der Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen. Denn kommt es im Falle einer Verletzung des rechtlichen Gehörs zu einer richterlichen Überprüfung der Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen hat das Gericht die Möglichkeit (gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG), Beschlüsse nach § 16 und § 19 GeschGehG jederzeit auch ohne entsprechenden Antrag aufzuheben oder abzuändern (siehe auch Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 20 GeschGehG Rn. 12; Büscher/McGuire aaO § 20 GeschGehG Rn. 6; Kalbfus in Harte-Bavendamm/Ohly/Kalbfus aaO § 20 Rn. 16).
Anordnung der Geheimhaltung nach GVG abgelehnt
Anders ist im Übrigen die Lage, wenn die Anordnung der Geheimhaltung gemäß Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) abgelehnt wird. Denn wird die Anordnung der Geheimhaltung nach § 174 Abs. 3 GVG abgelehnt, ist gegen diesen Beschluss überhaupt kein Rechtsmittel gegeben, urteilte der BGH im August 2021 in Bezug auf Geheimhaltung vor Gericht und das GeschGehG.
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