Eine aktuelle Meldung der Presseagentur dpa weckt die Hoffnung auf das Europäische Einheitsgericht. Deutschland habe angekündigt, den Weg freizumachen für das EU-weite Einheitliche Patentgericht noch in diesem Jahr. Kommt das Einheitspatent jetzt wirklich?
Die Europäische Kommission hat nach Meldung der Presseagentur dpa mitgeteilt, das Einheitliche Patentgericht solle in wenigen Monaten starten, und es liege an Deutschland, den Weg frei zu machen. Und auch das Bundesjustizministerium hat laut dpa erklärt, das solle noch in diesem Jahr geschehen.
Europäisches Einheitsgericht muss ratifiziert werden
Die meisten europäischen Länder haben die dafür erforderliche Ratifizierung des Einheitliche Patentgerichts (EPGÜ, engl. UPC) längst durchgeführt. Nach längerem Hin- und Her wurde dies auch im April 2018 in UK ratifiziert, wir berichteten. Doch nicht in Deutschland, hier bremste eine Verfassungsklage die Ratifizierung bisher aus. Nach dpa Meldung kündigt nun das Bundesjustizministerium an, die Ratifizierung noch 2020 zu ermöglichen.
Mit der Ratifizierung des UPC stimmen die nationalen Parlamente zu, die bisher nationale Deutungshoheit zur Rechtsprechung über das Patentrecht an die EU abzugeben.
Die gesamte Zuständigkeit für patentfähiges Geistiges Eigentum geht an das UPC über. Dies gilt für Klagen (also Verletzungsklagen, Klagen und Widerklagen auf Nichtigerklärung, einstweilige Verfügungen) gegen ein Einheitspatent und auch gegen Entscheidungen des EPA.
Ratifizierung in Deutschland gestoppt durch Verfassungsklage
Im März 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht einer Klage gegen das Einheitliche Patentgericht stattgegeben und damit das Inkrafttreten des Einheitspatents vorerst auf unbestimmte Zeit gestoppt. Kern dieser Klage gegen das Einheitliche Patentgericht war, dass der Bundestag den Gesetzentwurf zu dem entsprechenden Vertragsgesetz zwar einstimmig annahm, aber dies keine zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament ergab. Denn anwesend waren nur etwa 35 Abgeordnete.
Es geht aber bei dem Einheitspatent und dem Einheitliche Patentgericht letztlich um die Übertragung von Hoheitsrechten – und dies habe Verfassungsrelevanz, führte das Bundesverfassungsgericht aus. Wenn jetzt also das Bundesjustizministerium den Weg für das Europäische Einheitspatent freimachen will „noch in diesem Jahr“, wie es in der Pressemeldung der Deutschen Presseagentur (dpa) heißt, muss für die Ratifizierung eine Lesung des Gesetzentwurfs zum Einheitlichen Patentgericht vor einem zu zwei Drittel besetztem Parlament erfolgen (und danach auch noch im Bundesrat) – das ist auch tatsächlich am 26. November 2020 erfolgt, informierte das Bundesjustizministerium inzwischen. Nun muss der Gesetzentwurf noch den Bundesrat passieren.
Zeit drängte durch den Brexit
Doch nicht nur die Zeit drängt, sondern nun auch die politische Ebene. Das wiederum hängt auch mit dem Brexit zusammen, der zwar nach wie vor Unsicherheit birgt, aber dennoch zum Termin 31. Dezember 2020 erfolgen wird – nach derzeitigem Stand.
Denn das UK ist für ein Europäisches Einheitliches Patentgericht eigentlich unverzichtbar. Auch wurde als Voraussetzung für das In-Kraft-Treten des Einheitliches Patentgerichts vereinbart, dass eine Ratifikation des EPGÜ zwingend durch Deutschland, Frankreich und das UK erforderlich ist („True Top 4“: vier EU Mitgliedstaaten, in denen derzeit am häufigsten Patente validiert werden: Deutschland, Frankreich, UK und Niederlande).
Doch noch bevor es in Kraft getreten ist, wird das gesamte Projekt UPC in Frage gestellt: UPC ohne UK, entschied die Britische Regierung bereits im Februar 2020!
Einheitliches Europäisches Patentgericht
Denn das einheitliche Patentgericht ist konzipiert worden und vertraglich aufgesetzt ausschließlich für die Mitgliedstaaten der EU. Zielgedanke ist, das Patentrecht und die Gesetzgebung zu Patenten in der EU zu vereinheitlichen analog zu der erfolgreichen Entwicklung und Europäischen Angleichung im Marken- und Designrecht. Das bisherige EU Patent ist – anders als sein Name suggeriert – weder auf EU Mitgliedstaaten beschränkt noch ist ein einheitlich. Es muss in jedem einzelnen Land validiert werden und sich auch vor den nationalen Patentgerichten behaupten.
Mit dem neuen EU Einheitspatent wird das alles anders: das EU Einheitspatent wird nur in den EU Mitgliedstaaten gelten, mit einer Anmeldung für die EU.
Europäisches Einheitsgericht- welche Vorteile?
Unternehmen sollen dank Europäischem Einheitspatent „Erfindungen bald einfacher und billiger schützen können“, teilte die EU Kommission laut der dpa Meldung mit. Tatsächlich würde ein Europäisches Einheitspatent die Anmeldung und Validierung eines Patents EU-weit deutlich vereinfachen. Letztlich sollen dadurch auch die Kosten des Einheitspatents geringer sein als beim bisherigen System.
Ebenso wichtig ist für Unternehmen jedoch die Gerichtsbarkeit für Patentverfahren. Denn augenblicklich ist es notwendig, eine mögliche Patentverletzung im jeweiligen Land vor Gericht zu bringen, in dem die Patentverletzung geschehen ist. Mit Inkrafttreten des Einheitlichen Patentgericht soll dies anders sein, Vorrang hätte Unionsrechts und die Auslegungszuständigkeit des EuGH.
Kein UK im Europäischen einheitlichen Patentgericht
Das Vereinigte Königreich wird allerdings nicht Teil des UPC sein, das UPC bleibe ohne UK, erklärte das Büro von Premierminister Boris Johnson im Februar 2020.
Britische Richter werden also nicht eingesetzt im UPC, und es werden auch keine Kammern des Europäischen Einheitsgerichts, wie ursprünglich geplant, in London ansässig sein. Für beide Seiten also, sowohl für die EU als auch für das UK, ist diese Entscheidung damit ein bitterer Verlust – und für Patentanmelder natürlich auch.
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Quellen:
Meldung der dpa
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