Geschäftsgeheimnis oder Patent – ist der Schutz einer Erfindung als Geschäftsgeheimnis eine Alternative zum Patentschutz? Eine Abwägung zwischen Geschäftsgeheimnis oder Patent, beide Schutzrechte schließen einander aus.
Der Schutz als Patent ist eng verwoben mit dem Schutz als Geschäftsgeheimnis. Beide Schutzrechte schließen einander vollständig aus. Gleichzeitig sind die Vorteile des einen Schutzrechts die Nachteile des anderen Schutzrechts.
In der Praxis kommt es auch gar nicht selten vor, dass eine Diensterfindung nicht – wie die Pflicht aus dem Arbeitnehmererfindungsrecht fordert – zum Patent anmeldet wird, sondern zu einem Geschäftsgeheimnis erklärt wird, mit rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen vor allem für die Erfinder und die entsprechende Arbeitnehmererfindervergütung.
Ebenso spielt das Geschäftsgeheimnis auch eine immer wichtigere Rolle in Verfahren um Patentverletzung. Gerade im Bereich mobile Telekommunikation, aber auch im Pharmabereich wird von Gerichten verlangt, auch sehr genaue Details einer Erfindung einsehen zu können, um sich ein vollständiges Bild einer behaupteten Patentverletzung machen zu können. Viel Aufmerksamkeit fand in diesem Kontext das Urteil des LG München im Fall Apple vs. Qualcomm.
Dies ist von umso größerem Nachteil für einen klagenden Patentinhaber, als ein Wettbewerber auch missbräuchliche Klagen einbringen könnte, um den Patentinhaber oder Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses zur weitreichenden Offenbarung zu nötigen.
Ebenso kann es für den Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses von Nachteil sein, selbst eine Klage zu beantragen, denn eine Klage muss sich gegen eine konkrete Verletzungsform richten, mit erforderlicher Klarheit. Auch dies beinhaltet womöglich die ungewollte Offenbarung des Geschäftsgeheimnisses.
Rechtsprechung und Gesetze zum Geschäftsgeheimnis
Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist im deutschen Recht ist seit 2019 durch das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) geregelt, bis dahin vor allem durch §§ 17-19 des UWG. Neu sind vor allem das Vorliegen von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen (bisher wurde schon der Wille zur Geheimhaltung anerkannt).
Demnach ist jetzt das sogenannte Reverse Engineering in Deutschland erlaubt (§ 3 GeschGehG) – der Nachbau eines technischen Produkts, dessen Schutz abgelaufen ist -, das in der bisherigen Rechtsprechung nicht zulässig war in Deutschland (siehe GRUR 1991, „Geldspielautomat“).
Die jüngere deutsche Rechtsprechung zum Geschäftsgeheimnis hat zwei weitere wichtige Aspekte geklärt. Für die Bestimmtheit des Klageantrags reicht es aus, wenn sich das begehrte Verbot gegen eine konkrete Verletzungsform richtet, urteilte der BGH im März 2018 (Hohlfasermembranspinnanlage II (I ZR 118/16)). Dieser Leitsatz des BGH ist wichtige Grundlage, um einen Klageantrag zu erheben, ohne Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zu offenbaren.
Und das Bundesverwaltungsgericht urteilte im März 2020 zum Schutzumfang eines Geschäftsgeheimnisses (BVerwG:2020:050320B20F3.19). Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen umfasse nicht nur das Verbot des unbefugten Zugriffs auf den Inhalt von Dateien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten, sondern auch bereits die Verhinderung des Zugangs zu äußeren Merkmalen von Dateien (wie Dateiname, Dateiendung, Dateityp, Dateigröße), aus denen sich das Geschäftsgeheimnis ableiten lässt.
Angleichung an die EU-Regelungen
Das GeschGehG gleicht die Regelungen zum Geschäftsgeheimnis der Europäischen Regelung an. Seit 2016 gibt es die EU Richtlinie 2016/943 zu diesem Rechtsbereich. Leitgedanke der Richtlinie ist, dass der Zugang zu Geschäftsgeheimnissen und deren Verwertung einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen können.
Derzeit liegt bereits der nächste Vorschlag der EU Kommission vor: unter P8_TA_PROV (2016(0131)) wird eine Richtline zur Trade Secret Directive erörtert. Diese lehnt sich in großen Teilen an Art. 39 Abs. 2 TRIPS an. Dennoch werden relevante Punkte erst durch die nachfolgenden Rechtsprechung klarer werden.
Denn unklar bleibt trotz RL-Vorschlag und trotz vorliegender Rechtsprechung vor allem, was als „angemessene“ Geheimhaltungsmaßnahmen anerkannt werden wird (lesen Sie dazu auch gerne unseren Beitrag Was sind ‚angemessene‘ Geheimhaltungsmaßnahmen? ). Praktisch bedeutet dies technischen und organisatorischen Aufwand für die Unternehmen, vor allem jedoch vertragliche Absicherung. So wird nachzuweisen sein, wieweit das Know-How vertraglich geschützt ist.
Seit 2019 muss nachgewiesen werden, dass man seine Erfindungen oder Verfahren bestmöglich schützt. Wir weisen in diesem Kontext auf Freedom-to-operate-Analysen hin, die unsere Kanzlei gerne für Sie erstellt. Sprechen Sie uns gerne an.
Und auch das Reverse Engineering rückt den Vertragsschutz in den Mittelpunkt. Wir empfehlen die Formulierung von Geheimhaltungsverpflichtungen im Zusammenhang mit Vertragsstrafen. Zu berücksichtigen ist auch das Whistleblowing, dem nach § 5 (2) GeschGehG den Schutz von Whistleblownern stärkt.
Gemäß dem RL-Vorschlag der EU gilt Reverse Engineering als rechtlich zulässiges Mittel zum Erwerb von Informationen (Art. 3 Abs. 1 (b)). Etwas anderes soll nur gelten, wenn dies vertraglich abweichend vereinbart wurde.
Auch sieht der Art. 7 Abs. 2 des RL-Vorschlags Sanktionen gegen den Antragsteller einer Klage vor, wenn es sich um eine offensichtlich unbegründete und missbräuchliche Klage handelt. In einem solchen Fall soll auch ein Anspruch auf Schadenersatz bestehen.
Umso wichtiger werden die vertraglichen Regelungen für alle Inhaber von Geschäftsgeheimnissen.
Abwägung Geschäftsgeheimnis oder Patent
Auch ein Patent schützt vor Unlauterkeit eines möglichen Angreifers, hier ist beispielsweise die Regelung für Beweiserleichterung zu nennen (§ 139 Abs. 3 PatG). Und natürlich ist Patentschutz ein geprüftes und starkes Schutzrecht.
Andererseits muss eine Erfindung jedoch offenbart werden, wenn sie unter Patentschutz gestellt wird. Es gilt zwar eine 18-monatige Schonfrist vom Zeitpunkt der Patentanmeldung, dann aber muss die Patentanmeldung offengelegt werden gemäß § 31 Abs. 2.
Zudem muss das Territorialitätsprinzip des Patentschutzes bedacht werden. Demnach erhält ein Patent nur für ein bestimmtes Territorium seine Schutzrechte, andererseits gilt jede Offenbarung und Veröffentlichung – weltweit – als zu berücksichtigender Stand der Technik, von dem sich die Erfindung als Neu und Erfinderisch abheben muss.
Geschäftsgeheimnis kann Patentschutz nicht ersetzen
Eine Offenbarung wird als Geschäftsgeheimnis zwar nicht verlangt. Auch besteht kein Risiko für die Erteilung des Schutzrechts wie bei einem Patent, denn für ein Geschäftsgeheimnis wird kein Erteilungsverfahren durchlaufen. Entsprechend werden an das Bestehen eines Geschäftsgeheimnisses keine gegenständliche (Schutzobjekt), inhaltliche (Schöpfungshöhe) und auch keine geografischen Anforderungen gestellt.
Insofern ist es aber auch kein Exklusivrecht und bietet lediglich mittelbaren Schutz. Dies hat große Nachteile für den Schutzumfang. Denn weder schützt das Geschäftsgeheimnis vor Parallelerfindungen noch – im Falle einer Patentanmeldung der Parallelerfindung – vor einer Veröffentlichung. Und auch das zugelassene Reverse Engineering macht das Geschäftsgeheimnis zu einem nutzlosem Schutzrecht für technische Neuerungen, die sich spätestens mit dem Vertrieb eines Produkts analysieren lassen. Das Geschäftsgeheimnis kann Patentschutz nicht ersetzen.
Ein gutes Schutzrecht kann das Geschäftsgeheimnis jedoch möglicherweise für Erfindungen sein mit finanzieller, administrativer oder kommerzieller Natur, denn diese erhalten keinen Patentschutz. Und letztlich bietet sich mit den neuen Gesetzesgrundlagen für das Geschäftsgeheimnis auch eine bessere Basis, eine gerichtliche Durchsetzung des Schutz als Geschäftsgeheimnis zu wagen.
Benötigen Sie Unterstützung, vor allem im rechtlichen und vertraglichen Bereich für den IP Schutz?
Unsere Anwälte verfügen über langjährige Expertise im Patentrecht sowie im gesamten Gewerblichen Rechtsschutz und sind berechtigt, Sie vor jedem Gericht zu vertreten – in Deutschland und auch international.
Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt auf.
Quellen:
Relevante Gesetze wurden direkt im Text auf die Quellen verlinkt.
Bild:
succo | pixabay.com | CCO License
Schreiben Sie einen Kommentar