Auch in dem neuesten Update seiner Guidelines nennt das EPO explizit Computerimplementierte Erfindungen. Ein Blick in verschiedene Fallentscheidungen des EPO, das sogenannte Case Law, zeigt die Umsetzung in der Praxis.
Grundsätzlich sind Computerimplementierte Erfindungen patentierbar- Programme für Computer, Quellcode oder ein Algorithmus als solcher jedoch nicht. Dies beruht auf dem Artikel 52 im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ), demnach abstrakte und geistige Erfindungen nicht patentierbar sein können, da ihnen der unverzichtbare technische Charakter fehlt. Verweist eine Patentanmeldung jedoch auf einen technischen Zweck, können sich auch nicht-technische Merkmale oder Verfahren als patentierbar erweisen.
Als Computerimplementierte Erfindungen werden die Patentansprüche bezeichnet, die Computer, Computernetze oder andere programmierbare Vorrichtungen umfassen. Fallentscheidungen (im Englischen Case Law) zeigen, wie Merkmale im Zusammenhang mit der Liste von Artikel 52 Absatz 2 bewertet werden können.
Die Beispiele zeigen, welche Kriterien wichtig sind für europäische Computerimplementierte Erfindungen. In den Guidelines für europäische Patentanmeldungen nennt das EPO explizit Computerimplementierte Erfindungen, der Blick in das Case Law zeigt die Umsetzung in der Praxis.
Grundsätzlich ist stets darauf zu achten, technische Merkmale und möglichst auch einen technisch funktionalen Zweck in einer Patentanmeldung zu benennen. Aber auch dann muss die Erfindung noch erfinderische Tätigkeit aufweisen, sich also von bekanntem Wissen abheben.
Case 1:
Ob ein Softwareprogramm auf einem computerlesbaren Medium patentierbar ist, wurde vom EPO unterschiedlich entschieden, daraufhin wurde die Große Beschwerdekammer um eine Stellungnahme zur Patentierbarkeit von Computerimplementierten Erfindungen (CIIs) gebeten, die im Mai 2010 erfolgte ( G 3/08 ).
Demnach ist ein Verfahren, das ebenso auch gedanklich durchgeführt werden kann, vom Patentschutz ausgeschlossen, auch wenn es mit technischen Überlegungen einhergeht.
Case 2:
Nicht patentfähig sind der Regel Ansprüche mit finanzieller, administrativer oder kommerzieller Natur.
Betrachten wir folgenden Fall: es wird ein Verfahren angemeldet beispielsweise zum Bestimmen eines optimalen Preises für eine Reise, wobei die vorbestimmte Datenbank zusätzliche Anforderungen und einen entsprechenden Fahrpreis für jede zusätzliche Anforderung umfasst. Das Ziel ist ein optimierter Fahrpreis. Hier ist ein technischer Charakter der Erfindung nur durch die Einbindung der Datenbank als computerlesbares Medium gegeben, denn als das zu lösende objektive technische Problem wird die Automatisierung der Geschäftsmethode gesehen. Eine Geschäftsmethode gilt jedoch als nicht-technisch und nicht patentfähig. Die Nutzung einer Datenbank wiederum ist nicht neu, das Patent wird abgelehnt wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit.
Nur Datenstrukturen, die für funktionale Zwecke verwendet werden, werden als Beitrag zur Erzeugung einer technischen Wirkung gewertet (T 424/03). Zwar kann auch eine kostenbasierte Optimierung einer Abfrage technischen Charakter haben (T 1965/11), allerdings erfolgte in dem Fall die Abfrage in einem relationalen Datenbanksystem. Entscheidend war, dass die Abfrage weitere technische Überlegungen im Zusammenhang mit dem internen Betrieb des Computersystems beinhaltete.
Case 3:
In einer ganz aktuellen Entscheidung des EPO geht es um ein Patent für SQL Extensions von Microsoft. Im Mittelpunkt steht auch hier die kostenbasierte Optimierung einer Abfrage in einem relationalen Datenbanksystem. Die Prüfungsabteilung vertrat dazu die Auffassung, dass der „Ausführungsalgorithmus“ ein nicht-technisches Merkmal sei, das keinem technischen Zweck diene, sondern aus einer Reihe von Schritten bestehe, die die logische Struktur der in der Datenbank gespeicherten Daten betreffe, wobei diese Schritte auf logischen Definitionen von Aktualisierungsvorgängen basierten. Daher lehnte die Prüfungsabteilung die Patentanmeldung ab.
Die Beschwerdekammer entschied dies jetzt anders (T 0697/17 (SQL extensions/Microsoft Technology Licensing) vom 17.10.2019). Der „Ausführungsalgorithmus“ diene dem allgemeinen technischen Zweck der Durchführung der Aktualisierung der vom relationalen Datenbankmanagementsystem gespeicherten und verwalteten Daten und trage zur Berechnung der Datenstruktur bei. Daher müsse der Algorithmus bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden. Dieser Fall wurde zur Neubewertung an die Prüfungsabteilung zurückgewiesen.
Case 4:
Block Mining, bekannt geworden durch Bitcoins, ist längst eine unverzichtbare Technologie geworden. Blockchain Konzepte werden vielfach angewandt in Supply Chain Management, von Zugang zu Patentgemeinschaften über Fahrzeugdiebstahlsicherung bis zu Carsharing.
Grundsätzlich haben solche Erfindungen gute Aussichten auf Patentierbarkeit. Denn Verfahren, die dazu bestimmt sind, die Datenintegrität und/oder -sicherheit im Zusammenhang mit der Datenspeicherung, -verarbeitung und -abfrage zu erhöhen, gelten von Natur aus als technisch.
Daher tragen alle Verfahrensschritte eines Anspruchs „Block Mining“ zum technischen Charakter der Erfindung bei, so dass die Prüfung des Anspruchs dem in den EPA-Richtlinien G-VII, 5.4, festgelegten Problemlösungsansatz folgen kann: demnach muss die Suche nach dem nächstgelegenen Stand der Technik auch die mathematische Methode umfassen, da sie vollständig zum technischen Charakter des beanspruchten Gegenstandes beiträgt.
Case 5:
Die Implementierung eines nichttechnischen Verfahrens (wie beispielsweise Optimierung einer Geschäftsmethode) auf einem Computer ist nicht patentierbar. Enthält das Verfahren aber auch technische Überlegungen zur internen Funktionsweise des Computers, kann dies zur Patentfähigkeit auch eines solchen Verfahrens führen. Entscheidend ist eine spezifische technische Wirkung durch die Ausführung des Verfahrens auf dem Computer (T 2330/13).
Case 6:
Computergestützte Simulationsverfahren gelten in den meisten Fällen als patentfähig. Dies gelte auch, wenn Computergestützte Simulationsverfahren mathematische Formeln umfassen, entschied das EPO im Fall Infineon Technologies (T 1227/05). Schaltkreissimulationen wiesen den erforderlichen technischen Charakter auf, weil sie einen wesentlichen Bestandteil des Fabrikationsprozesses für Schaltkreise darstellten, hieß es zur Begründung.
Case 7:
Auch Suchindizes für einen spezifischen Zugang zu gespeicherten Daten wurden bereits mehrfach als Teil der Lösung des technischen Problems betrachtet.
In der Entscheidung „Yahoo und Web page indexing“ (T 1902/10 von 2016) wurde mit Hilfe einer RAM-basierten Hash-Tabelle von Fingerabdrücken gespeicherter URLs ermittelt, ob eine URL bereits in einer Datenbank mit verarbeiteten Webseiten vorhanden war.
Und auch die spezifische Wahl der beanspruchten Bit-Strings und -Matrizen mit dem Ziel, dass eine Bewertung der Auswahlbedingungen effizient parallel durchgeführt werden können sollte, wurde 2018 als patentfähig angesehen (T 2330/13).
Case 8:
Machinelles Lernen und Künstliche Intelligenz gehört natürlich ebenfalls zum großen Trend – gehört aber nicht zu den Computerimplementierten Erfindungen.
Die neue EU Richtlinie „Artificial intelligence and machine learning“ ordnet den Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) den Berechnungsmodellen und Algorithmen zu. Alle genannten Verfahren in KI und ML werden als „per se abstrakter mathematischer Natur“ gesehen. Dies gilt sogar unabhängig davon, ob diese Verfahren anhand von – computergestützten – Trainingsdaten Wissen anfüllen ankönnen.
Sind Sie sicher in Ihrer Patentanmeldung, vor allem zum technischen Merkmal oder dem technischen Zweck?
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Quellen:
Verweise auf die Fallentscheidungen sind direkt im Text genannt
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