Die Beschwerdekammer wies den Einspruch gegen ein europäisches Patent zurück. Interessant ist dieser Fall im Hinblick auf die ausreichende Offenbarung für ein europäisches Patent und auf das Einbringen neuer Einspruchsgründe in ein laufendes Verfahren, zumal die angefochtene Entscheidung mangelhaft begründet wurde.
Der Einspruch gegen ein europäisches Patent auf ein Verfahren zur Herstellung eines hochfesten Stahlblechs (EP 2 546 368) wurde von der Beschwerdekammer zurückgewiesen. Interessant ist dieser Fall (T 1969/17) im Hinblick auf die ausreichende Offenbarung für ein europäisches Patent und auf das Einbringen neuer Einspruchsgründe in ein laufendes Verfahren, zumal die angefochtene Entscheidung mangelhaft begründet wurde.
Ursprünglich stützte sich der Einspruch auf die Gründe einer unzureichenden Offenbarung und mangelnder Neuheit. In der mündlichen Verhandlung wurde dann der Einspruchsgrund von Art. 100(c) vorgebracht, vorliegend eine unzulässige Erweiterung der ursprünglichen Patentanmeldung um ein neues Merkmal, dieser wurde aber nicht für das Verfahren zugelassen. Der Einspruch gegen das Patent wurde zurückgewiesen.
Beschwerde: Einspruchsgrund nach Art. 100(c) als prima facie relevant
In der nachfolgenden Beschwerde machte der Einsprechende geltend, dass der Einspruchsgrund nach Art. 100(c) als prima facie relevant für die Aufrechterhaltung des Patents hätte zugelassen werden müssen; die angefochtene Entscheidung enthielt demnach keine Begründung in Bezug auf die Relevanz. Außerdem sei eine ausreichende Offenbarung auch deshalb nicht gegeben, weil es keine Offenbarung einer Möglichkeit gab, den kältesten Teil in Richtung der Breite in dem erforderlichen engen Temperaturbereich zu halten. Zudem legte der Einsprechende weitere Beweise für mangelnde Erfindungshöhe vor, obwohl die Erfindungshöhe nie als Einspruchsgrund geltend gemacht worden war.
Neuer Einspruchsgrund – Zulassung im Ermessen der Einspruchskammer
Da der Einspruchsgrund nach Art. 100(c) in der mündlichen Verhandlung erstmalig vorgebracht wurde, lag es im Ermessen der Einspruchsabteilung, ihn zuzulassen. Die Beschwerdekammer bestätigte, dass die Einspruchsabteilung diesen Einspruchsgrund tatsächlich in „bestürzender“ Kürze behandelt hatte.
Dennoch war die Frage in der mündlichen Verhandlung erörtert worden und beide Parteien hatten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, stellte die Beschwerdekammer mit Blick auf das Protokoll dazu fest.
Auch betonte die Beschwerdekammer, dass sie nach T 986/93 (Begründung 2.4) und T 620/08 (Begründung 3.4) einen verspätet eingereichten Einspruchsgrund prüfen kann, der von der Einspruchsabteilung außer Acht gelassen wurde, wenn sie der Auffassung ist, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen in dieser Hinsicht falsch ausgeübt hat.
Das aber war vorliegend nicht der Fall, entschied die Beschwerdekammer, der beanspruchte Gegenstand gehe nicht über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus. Daher habe die Einspruchsabteilung ihr Ermessen richtig ausgeübt, den verspätet eingereichten Einspruchsgrund nach Art. 100(c) nicht zuzulassen, entschied die Beschwerdekammer.
Diese Entscheidung zeigt auch: Mangelnde Begründung einer Entscheidung macht sie nicht stimmig.
Einspruchsgrund nach Art. 100(c) im vorliegenden Fall im Detail:
Die Einsprechende war der Ansicht, dass das Merkmal „durchschnittliche Abkühlungsgeschwindigkeit >=3**(o)C/s bis Kühlungsstopptemperatur“ in den Anmeldungsunterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offengelegt werden sollte, aber in einem Absatz auf dieses Merkmal hingewiesen wurde.
Die Beschwerdekammer wies jedoch darauf hin, dass in diesem Absatz, wie auch in Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung, erklärt wurde, dass die Kühlstopptemperatur die Zieltemperatur ist, die innerhalb des ersten Temperaturbereichs eingestellt wird. Es sei nach den Anmeldeunterlagen klar, dass in dem fraglichen Absatz die „durchschnittliche Abkühlungsgeschwindigkeit“ zur Abkühlung auf die „Kühlungsstopptemperatur“ oder „Zieltemperatur“ mit „mindestens >=3**(o)C/s“ angegeben ist.
Daher gehe der beanspruchte Gegenstand nicht über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus.
Ausreichende Offenbarung nach Artikel 100(b) EPÜ
Gemäß Art. 100 (b) EPÜ muss das Erfordernis ‚ausreichende Offenbarung‘ erfüllt sein als Voraussetzung der Patentierbarkeit. In der Praxis wird natürlich stets versucht, eine möglichst nicht eine vollständige und dennoch ausreichende Offenbarung der Erfindung einzubringen. Gemäß Art. 100(a) EPÜ gilt, dass die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart sein muss, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Entsprechend interessant ist es, den vorliegenden Fall im Hinblick auf die ausreichende Offenbarung zu betrachten, denn die Beschwerdekammer bewertete sie als angemessen.
Im Wesentlichen machte der Einsprechende geltend, dass ein Fachmann durch Anwendung der Lehre dieses Absatzes zur Abkühlung nicht in der Lage wäre, den kältesten Teil des Stahlblechs innerhalb des beanspruchten, angeblich engen Temperaturbereichs zu halten und zu kontrollieren, also als Zieltemperatur bis zur Kühlstopptemperatur + 15**(o)C. Es sei lediglich offenbart, wie diese Temperatur gemessen werden kann.
Die Beschwerdekammer wies dieses Argument als nicht überzeugend zurück. Gerade die recht umfangreichen Erläuterungen zu Temperaturmessung in dem Streitpatent ermögliche einem Fachmann, der solche Messtechniken anwendet und über das allgemeine Allgemeinwissen verfügt, diese Temperatur innerhalb des geforderten Bereichs zu halten, führte die Beschwerdekammer aus. Im Übrigen habe der Einsprechende auch keinen Beweis vorgelegt, der Zweifel daran wecken könne.
Beschwerdekammer wies die Beschwerde zurück
In Bezug auf den Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit, der bereits ursprünglich in das Verfahren eingebracht wurde, entschied die Beschwerdekammer, dass das Streitpatent in Vergleich mit dem geltend gemachten Dokument D1 als neu zu sehen sei. Entsprechend konnte in Bezug auf D1 auch kein Mangel an erfinderischer Tätigkeit beruhen, dies aber war das einzige Dokument, auf das im Verfahren vor der Einspruchsabteilung zurückgegriffen wurde.
Daher werde die mangelnde erfinderische Tätigkeit nicht im gleichen sachlichen und beweiskräftigen Rahmen wie der Neuheitseinwand geltend gemacht, entschied die Beschwerdekammer. In einem solchen Fall aber muss sich der Beschwerdegegner einverstanden erklären mit der Einführung dieses neuen Einspruchsgrunds (gemäß G10/91, siehe auch in unserem Beitrag Neuer Einspruchsgrund im Beschwerdeverfahren).
Dieses Einverständnis gab es aber nicht im vorliegenden Fall, daher wies die Beschwerdekammer die Beschwerde vollständig zurück.
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Quellen:
Entscheidung des EPA – Beschwerdekammer T 1969/17
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