Das LG München urteilte im Markenstreit um das berühmte Schweizer Taschenmesser, dass keine Schweizer Flagge oder Zeichen auf Produkte aus China aufgebracht werden darf. Der gute Ruf der geographischen Herkunftsangabe „Schweiz“ werde auf unlautere Weise ausgenutzt. Wie sieht die jüngere EU Rechtsprechung aus zu dieser Frage?
LG München: Urteil ‚Schweizer Taschenmesser‘
Mit seinem Urteil ‚Schweizer Taschenmesser‘ vom 15.06.2021 hat das Landgericht München der Klage der Herstellerin des bekannten Schweizer Taschenmessers stattgegeben, mit der sich diese gegen die Verwendung bestimmter Kennzeichen mit eindeutigem Bezug zur Schweiz durch die Beklagte wendete (Az. 33 O 7646/20).
Konkret ging es vor allem um Produkte, nämlich Taschenmesser und Multifunktionswerkzeuge, die sehr ähnlich zu dem berühmten Schweizer Taschenmesser sind. Dazu eine kleine Ergänzung: die Schweizer Herstellerin Victorinox meldete 2017 die Produktion des 500-millionsten Original Schweizer Taschenmessers – das Schweizer Taschenmesser ist ein Weltstar.
Die Produkte der Beklagten waren in der Gestaltung eng angelehnt an das berühmte Schweizer Taschenmesser, waren jedoch Produkte aus China. Außerdem wurde nicht nur die rote Farbe vom Original Schweizer Taschenmesser übernommen, sondern die Produkte enthielten zudem Angaben wie „SWITZERLAND“ oder Zeichen, die isoliert oder als Bestandteil grafische Gestaltungen der Schweizer Flagge waren. Verkauft wurden diese Produkte der Beklagten über eine Online-Plattform.
Klage erfolgreich: LG München sieht Verletzung des guten Rufs „Schweiz“
Dagegen klagte die Schweizer Originalherstellerin vor dem Landgericht München – und bekam Recht. Nach Auffassung des LG München stellen die von der Beklagten verwendeten Zeichen geographische Herkunftsangaben dar, deren guten Ruf die Beklagte in unlauterer Weise ohne rechtfertigenden Grund ausnutzt.
Als entscheidend sah das Gericht an, dass die Gestaltung der Produkte aus China eng an die von der Klägerin hergestellten ‚Schweizer Taschenmesser‘ anlehnte. Gerade aber dieses berühmte Schweizer Taschenmesser und die Produkte der Klägerin tragen aber entscheidend zum guten Ruf der geographischen Herkunftsangaben mit Bezug zur Schweiz bei, betonte das Gericht.
Vergeblich hatte die Beklagte argumentiert, bei den von ihr vertriebenen Produkten handele es sich klar erkennbar um „Souvenirartikel“. Verbraucher schlössen deshalb nicht von der Kennzeichnung auf eine Herstellung in der Schweiz. Eine etwaige Irreführung der Verbraucher werde auch bereits dadurch ausgeräumt, dass auf den Produktverpackungen deutlich sichtbar der Hinweis „Made in China“ angebracht sei.
Doch das LG München wies diese Argumentation zurück. Es sei hier nicht relevant, ob Verbraucher denken könnten, die Produkte aus China würden in der Schweiz produziert. Denn sofern der gute Ruf einer geographischen Herkunftsangabe auf unlautere Weise ausgenutzt werde, sei für die Annahme entsprechender Unterlassungsansprüche nicht zusätzlich noch erforderlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise auch über die Herkunft der Produkte in die Irre geführt werden, urteilte das LG München. Es bleibt abzuwarten, wie die Beklagte mit dieser Entscheidung umgeht, rechtskräftig ist das Urteil des LG München nicht.
Auf jeden Fall aber ist es ein interessantes Urteil, das wir hier noch etwas genauer besprechen möchten. Denn gerade in jüngster Zeit gab es in der Rechtsprechung relevante Entscheidungen und Urteile in Bezug auf geografische Herkunftsangaben, die wir nachfolgend kurz und mit Bezug auf das Münchner Urteil ‚Schweizer Taschenmesser‘ zusammenfassen.
„Swissness“ Gesetzgebung in der Schweiz
Zuallererst ist hier die Schweiz selbst zu nennen, denn 2017 trat in der Schweiz eine Anpassung des Markenrechts in Kraft, die kurz „Swissness“ Gesetzgebung genannt wird und die „Marke Schweiz“ verstärkt vor missbräuchlicher Verwendung durch Trittbrettfahrer schützen soll. Es gibt seitdem neue strenge Regelungen und Anforderungen an das Recht, für Waren eine Schweizer Herkunft zu signalisieren. Kurz gesagt: Um sich als Schweizer Produkt vermarkten zu dürfen, müssen mindestens 50% der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen, für industriell hergestellte Produkte sogar 60%.
Allerdings wurde dieser Fall ja nicht nach Schweizer Recht beurteilt, sondern nach deutschem Recht, angelehnt an EU Recht.
Gelten andere Regeln für „Souvenirartikel“?
Und im EU Recht ist schon deutlich geurteilt wurden zu dem Argument, ein „Souvenirartikel“ könne ja wohl nicht mit einem bekannten Markenartikel verwechselt werden, zudem werde ja wohl niemand annehmen, das Souvenirartikel an berühmten Orten gefertigt würden – eben an geografischen Herkunftsangaben.
Dieses Argument wurde schon auf höchster Gerichtsebene der EU zurückgewiesen. Die Nizza-Klassifikation kenne keine Waren- oder Dienstleistungsklasse „Souvenirartikel“, hatte der EuGH kurz und knapp festgestellt im Fall „Neuschwanstein“. Auch Souvenirartikel unterliegen damit den Prüfungen für Unterscheidungskraft, Verwechslungsgefahr und eben auch Irreführung für Waren und Dienstleistungen.
Produktverpackung „Made in China“ – Herkunft der Produkte
Im EU Recht ist auch festgelegt, dass die Hersteller von Ersatzteilen verpflichtet sind, die nicht-originalen Bauelemente sichtbar als Ersatzteil zu kennzeichnen und sie dann auch frei verkaufen können; dies ist Teil der Rechtsprechung zu sogenannten Reparaturklausel.
Jenseits von Reparatur- und Ersatzteilen gibt es so eine Regelung jedoch nicht – und kann auch nicht auf den Fall ‚Schweizer Taschenmesser‘ angewandt werden. Hier ist relevant, ob z. B. Verbraucher über die Herkunft der Produkte in die Irre geführt werden.
Dies war z. B. Thema für den EuGH beim „Schwäbischen Whisky“. Eine verbotene indirekte Verwendung einer eingetragenen geografischen Angabe liege dann vor, wenn die streitige Bezeichnung mit der betreffenden Angabe identisch oder ihr klanglich und/oder visuell ähnlich ist, hieß es dort in der Urteilsbegründung. Die zusätzlichen genauen Bezeichnungen auf dem Etikett, mit denen deutlich wurde, woher der Whisky stammt, waren jedoch ausdrücklich nicht zu berücksichtigen.
Auch der ausgesprochen gute Ruf und das Ansehen in der EU war bereits Thema vor dem EuGH in Bezug auf eine geografische Herkunftsbezeichnung, erst kürzlich im Fall von „Aceto Balsamico di Modena“. Trotz des ausgesprochen guten Rufs für den Original Aceto Balsamico bestätigte der EuGH nur für den gesamten Begriff den hohen Schutzanspruch, da ansonsten aber „aceto“ und „balsamico“ gebräuchliche und vor allem nicht geschützte Wörter sind, könne es auch „Deutschen Balsamico“ geben.
Fazit
Das Landgericht München hat die auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte 33. Zivilkammer mit dem Fall ‚Schweizer Taschenmesser‘ betraut. In vielerlei Hinsicht wird dessen Urteil durch die EU Rechtsprechung gespiegelt.
Spannend ist vor allem die Entscheidung des LG München, es sei für die Annahme der Unterlassungsansprüche nicht erforderlich, dass die Verbraucher tatsächlich über die Herkunft der Produkte in die Irre geführt werden – es reiche schon aus, wenn der gute Ruf einer geographischen Herkunftsangabe auf unlautere Weise ausgenutzt wird.
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Quellen:
Pressemitteilung des LG München, 33 O 7646/20
Bild:
Eva Helmeth meint
Vielen Dank für die spannende Erläuterung des Urteils. Wie sieht es aus, wenn der Begriff „Schweizer Taschenmesser“ als Metapher verwendet wird, um die Multifunktionalität eines Produkts zu erklären? Ist das zulässig? In unserem Fall geht es um ein Hautpflege Produkt; das „Schweizer Taschenmesser für die Hautpflege“.