NEUSCHWANSTEIN kann eine Wortmarke sein, urteilte heute der EuGH. Obwohl Neuschwanstein durch das berühmte Schloss Neuschwanstein geografisch lokalisiert werden kann, ist es keine geografische Herkunftsangabe. Dadurch wird eine Sehenswürdigkeit eine Marke – mit dem Freistaat Bayern als Eigentümer und Markeninhaber.
Markenstreit um die Marke Neuschwanstein
Ein jahrelanger Markenstreit um das berühmteste Schloss in Deutschland wurde heute vor dem EuGH entschieden (C:2018:673). Klägerin ist der Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise e. V. (BSGE). Die Klage richtete sich gegen den Freistaat Bayern, der 2011 die Wortmarke NEUSCHWANSTEIN als Unionsmarke beim Europäischen Markenamt (EUIPO) in 17 verschiedenen Nizza-Klassen schützen ließ.
Freistaat Bayern ist Markeninhaber
Freistaat Bayern hält die Markenrechte an der nationalen Wortmarke (bereits seit 2005) und auch an der Bildmarke Neuschwanstein, die beide in diesem Fall nicht Streitpunkt waren – und seit heute auch an der umstrittenen Unionsmarke.
Mit seinem heutigen Urteil widerspricht das Gericht dem Vorwurf der Kläger, die Wortmarke Neuschwanstein enthalte Angaben, die dazu dienen, die geografische Herkunft zu bezeichnen, denn es sei ja geografisch lokalisierbar.
Geografische Herkunftsbezeichnung und Unterscheidungskraft?
In den Vorinstanzen war die Geografische Herkunfsbezeichnung ein viel diskutierter Streitpunkt. Die Beschwerdekammer des EUIPO hatte 2015 festgestellt (T‑167/15), dass Neuschwanstein zwar „geografisch lokalisierbar“ aber kein „geografischer Ort“ sei, weil die Hauptfunktion des Ortes die Bewahrung des Kulturerbes, und nicht die Herstellung oder Vermarktung von Souvenirartikeln oder Dienstleistungen sei. Auch kam die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, die angesprochenen Verkehrskreise würden erkennen, dass alle mit „Neuschwanstein“ bezeichneten Waren unter der Kontrolle des Freistaats Bayern hergestellt, vertrieben oder geliefert würden.
Dem widersprach die Klägerin: Das Schloss Neuschwanstein sei eindeutig und unveränderbar lokalisierbar und unterscheide sich entgegen der Auffassung des Gerichts von einem üblichen Museum, welches durch die darin gezeigten Exponate bestimmt sei, die – anders als das Schloss Neuschwanstein – auch verlegt werden können. Außerdem widerspreche das Ausgangsurteil auch den Vorgaben des EuGH in dessen „Chiemsee“-Urteil (C:1999:230), da die angesprochenen Verkehrskreise mit dem Zeichen „Neuschwanstein“ gekennzeichnete Waren in Beziehung zu dem Schloss Neuschwanstein als weltberühmtem touristischem Zentrum setzen. Nach Ansicht des BSGE diene die Kennzeichnung „Neuschwanstein“ den Touristen ausschließlich der Erinnerung an ihren Besuch der Sehenswürdigkeit und an den Vertriebsort. Wer Hersteller ist, sei den angesprochenen Personengruppen gleichgültig.
Daher sei auch keine Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke gegeben. Ein Artikel mit dem Aufdruck „München“ würde sich nämlich zwangsläufig von einem Artikel mit dem Aufdruck „Hamburg“ unterscheiden, da die Verbraucher davon ausgehen könnten, dass Ersterer in München hergestellt worden sei und Letzterer in Hamburg. Daher handele es sich um einen Zirkelschluss, denn das Zeichen „NEUSCHWANSTEIN“ bezeichne nicht nur das Schloss in seiner Eigenschaft als musealen Ort, sondern auch die angegriffene Marke selbst, argumentierte die Klägerin BSGE.
Niemand hält das Schloss Neuschwanstein für einen Ort der Herstellung
In seinem heutigen Urteil (C:2018:673) lehnte der EuGH die Klage des BSGE ab und folgte ausdrücklich der Argumention des Generalanwalts – wir berichteten (NEUSCHWANSTEIN und seine geografische Herkunft vor dem EuGH)
Der EuGH stellte heute klar:
Für geografische Bezeichnungen gibt es ein Allgemeininteresse an Freihaltung, da die Vorlieben der Verbraucher beeinflusst werden können. Das Schloss als solches sei aber kein Ort der Herstellung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen, so dass die angegriffene Marke keinen Hinweis auf die geografische Herkunft der von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen bieten könne. Der EuGH bezog sich auch auf die Argumentation des Generalanwalts (wir berichteten), dass die Nizza-Klassifikation keine Waren- oder Dienstleistungsklasse „Souvenirartikel“ kennt.
Gerade weil die strittige Marke keinen beschreibenden Charakter hat, ist es dem Freistaat Bayern nicht verwehrt, den Namen des musealen Ortes, dessen Eigentümer er ist, als Unionsmarke anzumelden, da die Verordnung Nr. 207/2009 dem grundsätzlich nicht entgegensteht.
Die Feststellung des Gerichts, dass die angegriffene Marke für die geografische Herkunft der von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend sei, sage nichts über ihre Unterscheidungskraft; sie stelle vielmehr eine nötige Voraussetzung dafür dar, dass eine Marke, die – sobald sie auch nur geringe – Unterscheidungskraft habe, eingetragen werden kann. Gerade weil die angegriffene Marke keinen beschreibenden Charakter habe, könne sie als Unionsmarke angelmeldet werden. Daher liege auch kein Zirkelschluss vor.
Dass vorliegend der Freistaat Bayern der Anmelder ist, hatte im übrigen keine Relevanz in der Beurteilung, da für einen Staat als Anmelder einer Marke die gleichen Grundsätze gelten wie für andere Marktteilnehmer.
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Quelle:
Curia Europe Urteil: C:2018:673
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