Deutsche Reparaturklausel wird Gesetz – beschränkt auf formgebundene Ersatzteile. Der Bundesrat hat als letzte Instanz der Gesetzgebung das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ beschlossen, und dies enthält auch die neue deutsche Reparaturklausel im DesignG.
In Deutschland sind bisher alle sichtbaren Bauteile des Autos der Autohersteller vor Nachahmung geschützt, wenn diese Bauteile als eingetragenes Design geschützt sind.
In der europäischen Richtlinie gemäß Art. 110 EU-Verordnung Nr. 6/2002 war jedoch eine verbraucherfreundliche sogenannte Reparaturklausel eingeführt worden, die bisher nur für europäische Gemeinschaftsgeschmacksmuster galt. Mit dem jetzt anstehenden Update des DesignG soll ein Gleichlauf mit dem Unionsrecht erfolgen – eigentlich.
Neu hinzugefügt zum bisherigen DesignG wird daher der 40a DesignG – mit diesem Artikel wird eine Deutsche Reparaturklausel etabliert. Nach 40a „besteht kein Designschutz für ein Design, das als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses mit dem Ziel verwendet wird, die Reparatur dieses komplexen Erzeugnisses zu ermöglichen, um diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen.“ Ganz wesentlich daran ist die direkt angeschlossene Einschränkung: nur für formgebundendene Ersatzteile.
Die Gesetzgebung des neuen 40a DesignG geht damit direkt in Opposition zur Rechtsprechung für Europäische Designs – obwohl der Artikel 40a ausdrücklich der Angleichung zu Europäischen Recht dienen soll. In der Gesetzgebung hat diese Fassung die letzte Hürde bereits genommen: Der Bundesrat hat am 9. Oktober als letzte Instanz der Gesetzgebung das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ beschlossen, dieses Gesetz tritt voraussichtlich noch in diesem Jahr in Kraft. Es enthält – neben wichtigen Erweiterungen des UWG – das hier genannte Update für das Designgesetz (DesignG). Die Deutsche Reparaturklausel kommt – aber mit Einschränkungen.
Nur für Designs ab 2020 und nur für formgebundene Ersatzteile
Die deutsche Reparaturklausel wird ausschließlich gelten für sogenannte „formgebundene Ersatzteile“, also solche Ersatzteile, deren Erscheinungsbild durch die Formgebung des Originals vorgegeben ist (Beispiel Karosserie: Kotflügel und Kühlerhauben). Felgen und andere frei austauschbare Accessoires sind ausdrücklich nicht von dieser neuen Regel erfasst; sie können in Deutschland weiterhin unter Designschutz gestellt werden.
Diese Beschränkung auf formgebundene Ersatzteil im neuen Update des DesignG birgt Konfliktstoff mit der Rechtsprechung für Europäische Geschmacksmuster: der EuGH hat 2017 und der BGH in 2018 anders entschieden. Der BGH hatte geurteilt, dass das Berufungsgericht irrte in seiner Einschätzung, dass der Art. 110 Abs. 1 GGV die Anwendbarkeit der Reparaturklausel auf Felgen per se ausschließt (BMW-Ersatz“ Autofelgen).
Zudem gilt der der neue § 40a DesignG erst nach einem Stichtag (gemäß : Erweiterung des § 73 DesignG) Alle Designs, für die vor dem dem 01. Januar 2020 Designschutz beansprucht und angemeldet wurde, sind von der neuen Regelung § 40a DesignG ausgeschlossen.
Außerdem werden die Hersteller von Ersatzteilen verpflichtet, die Ersatzteil zu kennzeichnen. Dies wiederum entspricht den Europäischen Regeln, die ja bereits für die europäische Reparaturklausel galten- und entsprechend in großen Gerichtsverfahren bereits im Detail ausgelegt wurden.
Rechtsprechung zur Kennzeichnungspflicht laut Reparaturklausel
Im Dezember 2017 urteilte der EuGH in einem vielbeachteten Urteil Acacia vs. Audi und Porsche, dass ein Hersteller im Rahmen der Reparaturklausel ein Bauelement nur bei tatsächlicher Reparatur herstellen und verkaufen darf- und darüber einen eindeutigen und sichtbaren Hinweis auf seinem Bauelement geben muss, dass er nicht der Originalhersteller ist ( EuGH, Acacia vs. Audi und Porsche, EU:C:2017:992 (verbundene Rechtssachen C‑397/16 und C‑435/16)). Dies müsse als klarer, gut sichtbarer Hinweis angebracht werden, entweder auf dem Erzeugnis, auf dessen Verpackung, in den Katalogen oder in den Verkaufsunterlagen.
Zwei Informationen muss die Kennzeichnung bieten:
- Dass diese Bauelement ausschließlich zur Reparatur des komplexen Erzeugnis in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild dient und
- Dass ein geschütztes Design in das Bauelement aufgenommen wurde, dessen Inhaber man selbst nicht ist.
Der Bundesgerichtshof (BGH) urteilte zu dieser Frage noch etwas genauer (am 26. Juli 2018 (I ZR 226/14)) im Fall der „BMW-Ersatz“ Autofelgen des italienischen Herstellers Acacia. Acacia hatte auf den strittigen Kraftfahrzeugfelgen die Marke „WSP Italy“ und den Hinweis „Not O.E.M.“ angebracht. Das aber war laut BGH in keinem Fall eine ausreichende Kennzeichnung. Die Kennzeichnung der Ersatzteile müsse in den Sprachen gegeben werden, die in den Ländern allgemein verständlich sind, an deren Einwohner sich das Angebot bestimmungsgemäß richtet. In Deutschland reiche es nicht aus, auf der deutschsprachigen Internetseite einen englischsprachigen Hinweis zu bringen, dass es sich bei den angebotenen Felgen um nachgebaute oder ähnlich gebaute Nachrüsträder handele. Dies hätte in jedem Fall auf Deutsch erläutert werden müssen.
Rechtsprechung des EuGH: Reparaturklausel für alle Ersatzbauteile
Verhandelt wurde dies vor dem höchsten Europäischen Gericht (EuGH) im bereits erwähnten EuGH Urteil Acacia vs. Audi und Porsche (EU:C:2017:992 ) im Dezember 2017: Die Reparaturklausel gilt für jedes Bauelement eines komplexen Erzeugnisses – entgegen der bisherigen deutschen Rechtsprechung – WENN die Reparatur der Wiederherstellung des ursprünglichen Aussehens dient, urteilte der EuGH. Explizit genannt wurden vom EuGH folgende Merkmale des „ursprüngliches Erscheinungsbild“: Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur und/oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung.
Eine nachgebaute Autofelge kann demnach nur dann unter die Reparaturklausel fallen, wenn ihr Erscheinungsbild mit dem der Originalfelge in Bezug auf diese Merkmale identisch ist, nicht aber ist sie anwendbar auf „gängige Varianten“ der Originalfelgen.
Quadratur des Kreises: Deutsche Reparaturklausel
Es ist erklärtes politisches Ziel in Deutschland, den Wettbewerb auf dem Markt für sichtbare Autoersatzteile zum Vorteil der Verbraucher zu liberalisieren – so steht es in dem Gesetzentwurf, der vom Bundesrat als letzter Instanz beschlossen wurde. Gleichzeitig sucht die Regierung auch einen Weg, die Interessen der großen Autohersteller aus Deutschland zu schützen.
Deutschland wird die deutsche Reparaturklausel im DesignG auf formgebundene Ersatzteile beschränken – das aber ist nach Europäischer Richtlinie und für Europäische Designs nicht möglich.
Der Konflikt um die Beschränkung der Reparaturklausel auf formgebundene Ersatzteile, die jetzt mit dem Update des DesignG in Deutschland verankert wird, liegt in Art. 14 der EU Richtlinie 98/71. Denn Art. 14 der Richtlinie 98/71 enthält keine Anforderung, dass das geschützte Geschmacksmuster vom Erscheinungsbild des komplexen Erzeugnisses abhängig sein muss. Aus dieser Tatsache argumentierte der EuGH, dass der Art. 110 Abs. 1 der EU Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen sei, dass die darin enthaltene sogenannte „Reparaturklausel“ den Ausschluss des Schutzes als Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht unter die Voraussetzung stellt, dass das geschützte Geschmacksmuster vom Erscheinungsbild des komplexen Erzeugnisses abhängig ist.
Ebendiese Voraussetzung aber gibt das deutsche DesignG in der neuen Fassung vor – obwohl eben auch der BGH bereits in 2018 geurteilt hat, dass der Art. 110 Abs. 1 GGV die Anwendbarkeit der Reparaturklausel auf Felgen nicht per se ausschließt.
Zwar ist Art. 110 der Verordnung Nr. 6/2002 mit „Übergangsbestimmungen“ überschrieben und sieht auch ausdrücklich in Abs. 1 vor, dass die „Reparaturklausel“ nur „bis zu dem Zeitpunkt, zu dem auf Vorschlag der Kommission Änderungen zu dieser Verordnung in Kraft treten“, anwendbar ist. De facto bedeutet das in der Regel, dass sie angewendet wird bis sie auf Vorschlag der Kommission geändert oder aufgehoben wird.
Hier wird sich also – wieder in der Rechtsprechung? – zeigen müssen, wie Art. 110 Abs. 1 GGV (also EU Recht und EU Designs) im Spannungsfeld mit dem DesignG in neuer Fassung bewertet wird.
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Quellen:
Bundesrat: Bundesrat billigt Gesetz gegen missbräuchliches Abmahnwesen
BMJV: Gesetzentwurf „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“
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