Der BGH hat in dem langjährigen Fall des Davidoff Parfüms von Coty gegen Amazon geurteilt: die Lagerung von Waren für Amazon Versand ist keine Markenrechtsverletzung, und auch kein Unterlassungsanspruch wegen Markenverletzung gegen Amazon – aber Amazon Luxemburg habe Prüfpflichten als Störer und eine Auskunftspflicht.
Dass Markenhersteller zunehmend versuchen, den Verkauf von nicht berechtigten oder gefälschten Markenprodukten über Amazon zu unterbinden ist bekannt. Dies war auch der Fall Davidoff Hot Water IV der Klägerin Coty (USA), der jetzt vom BGH entschieden wurde (I ZR 20/17). Coty hatte durch eigene Testkäufe festgestellt, dass eine Dritte dieses Marken Parfüm verkaufte über den Amazon Marketplace, es sich aber um nicht erschöpfte Ware handelte. Coty mahnte, und die Dritte gab auch eine Unterlassungserklärung ab, zwischen diesen Parteien war also alles so weit geklärt.
Doch wie weit war auch Amazon rechtlich verantwortlich für Markenverletzungen über die Verkaufsplattform?
Wenn ein Dritter im Rahmen des Amazon Versand Ware lagert, die durch Markenrecht geschützt ist, liegt keine Markenrechtsverletzung in der bloßen Lagerung vor – solange der Dritte die Ware nicht verkauft. Dieses Urteil – als Teil des hier vorliegenden Falls – traf der EuGH im letzten Jahr, und tatsächlich war dies auch zu erwarten gewesen. Denn das Urteil bestätigte den bekannten Rechtsgrundsatz im Markenrecht, dass es nicht auf den bloßen Besitz ankommt, sondern darauf, ob ein Verkaufszweck verfolgt wird.
Die Frage jedoch, ob Amazon selbst als Markenverletzer zu sehen ist, wenn über die Amazon Plattform im Bereich „Amazon Marketplace“ mit dem Vermerk „Versand durch Amazon“ mit Kenntnis von Amazon gefälschte Produkte durch Dritte versandt werden, diese Frage wurde nicht vom EuGH geprüft.
Allerdings hatte sich der Generalanwalt in seinem Schlussantrag für das EuGH Urteil mit der Rolle von Amazon befasst. Von Amazon könne im Hinblick auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der gehandelten Waren besondere Sorgfalt verlangt werden, hatte der Generalanwalt entschieden.
BGH Urteil ‚ Davidoff Hot Water IV ‚
Der BGH hatte selbst den EuGH um die Aufklärung dieser Fragen gebeten, und so bezog sich das deutsche Bundesgericht in seinem Urteil „Davidoff Hot Water IV“ auch direkt darauf.
Kein faktischer Eigenvertrieb im deutschen Amazon Warenlager
Die Beklagten in diesem Fall gehören beide zum Amazon Konzern: eine Beklagte ist in Graben (Deutschland) ansässig und betreibt dort ein Amazon Warenlager. Diese Beklagte wurde vom BGH freigesprochen: sie sei weder als Markenverletzer anzusehen noch könne ein Unterlassungsanspruch gegen sie erhoben werden. Über das Angebot „Amazon Marketplace“ würden Kaufverträge zwischen Käufern und Drittanbietern zustande kommen, so dass – entgegen der Auffassung der Klägerin Coty – kein faktischer Eigenvertrieb der Beklagten mit dem Amazon Warenlager vorliege, entschied der BGH.
Amazon Luxemburg – Europäischer Verwaltungssitz von Amazon
Anders sah es der BGH jedoch in Bezug auf die zweite Amazon Beklagte, nämlich Amazon Luxemburg, der Europäische Verwaltungssitz des Konzerns. Zwar sei auch Amazon Luxemburg nicht als Täterin oder Teilnehmerin einer Markenverletzung auf Unterlassung zu verpflichten.
Aber Amazon Luxemburg sei durchaus in der Pflicht zu sehen in einer Störerhaftung, entschied der BGH und widersprach damit dem vorinstanzlichen Berufungsgericht, dass eine Störerhaftung ausgeschlossen hatte. Die Prüfpflichten eines als Störer in Anspruch Genommenen bestimmen sich danach, ob ihm im Einzelfall eine Prüfung zuzumuten ist, erläuterte der BGH. Dabei sei relevant, ob die mögliche Rechtsverletzung eines Dritten erst nach einer tatsächlichen oder sogar einer eingehenden rechtlichen Prüfung festgestellt werden kann – oder ob die Rechtsverletzung offenkundig und unschwer zu erkennen ist.
Da Coty an Amazon einen Hinweis über die Person der Verletzerin, die Bezeichnung der beanstandeten Produkte und der Grund der Beanstandung gesandt hatte, war Amazon in der Lage, aufgrund des Hinweises der Klägerin durch eine Nachfrage bei der Verkäuferin Informationen über die Herkunft der Ware einzuholen. Der erforderliche Aufwand wäre nur gering gewesen und nicht von vornherein überfordernd, befand das Gericht. Es war dabei in keiner Weise erforderlich, erklärte der BGH, dass Amazon den Vorwurf der Klägerin „nicht erschöpfte Ware“ prüfen musste, es ging nur um die Prüfung der Herkunftsnachweise zur beanstandeten Ware.
Der BGH gab Klägerin Coty auch noch in einem zweiten Aspekt Recht. Als Coty nach dem Testkauf von Amazon die die Überstellung sämtlicher Warenbestände des Davidoff Parfüms aus dem Amazon Marketplace forderte, sandte Amazon lediglich 30 Stück – und elf der übersandten 30 Stück waren Produktfälschungen und kamen noch dazu dem Lagerbestand eines anderen, weiteren Verkäufers. Coty forderte von Amazon die Auskunft über die Identität dieses anderen, doch Amazon verweigerte dies.
Auskunftspflicht für Amazon Luxemburg
Der BGH entschied in dieser Frage gegen Amazon Luxemburg. Auf die Auskunftspflicht der in Luxemburg ansässigen Beklagten Amazon ist deutsches materielles Recht anwendbar, erklärte das Gericht, denn Auskunftsansprüche wegen Verletzung einer Unionsmarke unterliegen gemäß Art. 101 Abs. 2 UMV, Art. 8 Abs. 2 Rom-II-VO dem Recht des Staats, in dem die Verletzung begangen wurde.
Daher besteht in diesem Fall Auskunftsplicht gemäß § 19 Abs. 1 MarkenG, und demnach liegen die Voraussetzungen der Erschöpfung nicht vor. Vielmehr könne der Störer auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, entschied der BGH. Das Gericht präzisierte, der Markeninhaber könne den vermeintlichen Verletzer auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache in Anspruch nehmen – wenn dies zur Begründung seiner Ansprüche erforderlich ist.
Amazon Luxemburg habe gegebenenfalls in erheblichem Umfang den Handel mit nicht erschöpfter, mit der Klagemarke gekennzeichneter Ware ermöglicht, ergänzte der BGH. Die Mitteilung von Eigenschaften (von Coty von Amazon geforderte Herausgabe der Herstellungsnummern sämtlicher Parfums „Davidoff Hot Water EdT 60 ml“ in Bezug auf die Shipment Reference der markenverletzenden Waren) der bei Amazon befindlichen Waren ist ein Minus gegenüber der Besichtigung und daher von dem Anspruch nach § 19a Abs. 1 MarkenG umfasst, urteilte der BGH und formulierte dies auch als Leitsatzentscheidung.
Schlussendlich hob der BGH das Urteil des Berufungsgerichts auf (OLG München, Entscheidung vom 29.09.2016 – 29 U 745/16), soweit das Berufungsgericht über die Klageanträge I und II hinsichtlich der Beklagten zu 1 zum Nachteil der Klägerin entschieden hat (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Dennoch verwies der BGH den Fall noch einmal dorthin zurück, denn das Berufungsgericht muss über die Kosten der Revision entscheiden.
Möchten auch Sie Ihre Marke verteidigen?
Unsere Anwälte beraten Sie gerne und vertreten Sie vor jedem Gericht, auch in Verfahren der Unterlassung.
Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt zu uns auf – wir freuen uns auf Ihren Anruf!
Quellen:
BGH Urteil Davidoff Hot Water IV, I ZR 20/17
Bild:
Schreiben Sie einen Kommentar