Das Europäische Patentamt (EPA) hat Beschwerde gegen ein Patent auf Braugerste der Bierkonzerne Heineken und Carlsberg abgewiesen. Im Kern geht es darum, dass ein Biopatent auf Mutationen erlaubt ist, nicht aber auf klassische Züchtung.
Biopatente stehen immer wieder Mittelpunkt von gesellschaftspolitischen Debatten – prominente Beispiele sind das Biopatent auf Menschenaffen oder das Biopatent auf Broccoli und Pfeffer. Kritiker befürchten eine Verdrängung von klassischer Züchtung und der betroffenen Landwirte, Züchter oder Bierhersteller. Noch mehr aber fürchten Verbraucher eine unerwüschte Veränderung der Lebensmittel.
Auch Braugerste gehört in diesen Bereich, und um ein Patent auf Braugerste ging es in dieser Woche in einer Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA).
Beschwerde gegen Patent auf Braugerste
Das Patent „Getränke aus Gerste und Malz mit niedrigem Gehalt an Dimethylsulfid“ (EP2373154) der Konzerne Heineken und Carlsberg stand auf dem Prüfstand, denn gegen dieses Patent war Beschwerde eingereicht worden von Umweltschutzverbänden unter der Federführung des Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut“. Nach ihrer Ansicht gilt in diesem Patent eine genetische zufällige Anpassung als Erfindung, obwohl die Mutation zufällig entstanden ist und Gerste aus herkömmlicher, konventioneller Züchtung stammt. Insofern wird befürchtet, dass die gesamte biologische Vielfalt bei Nutzpflanzen beeinträchtigt wird, wenn Patentschutz die klassische und herkömmliche Züchtung zurückdrängt.
Tatsächlich bezieht sich die Erfindung laut Patentbeschreibung auf Gerstenpflanzen oder Teile davon, die eine Mutation im Gen, das für MMT kodiert, tragen, die einen vollständigen Verlust der MMT-Aktivität verursacht (sogenannte „nullMMT“-Gerste). Die Erfindung ermögliche Herstellungsverfahren von Getränken mit verbesserten Geschmacksprofilen, und verspricht auch eine nennenswerte Verringerung des thermischen Energieeinsatzes bei der Herstellung von Bier, wird in der Patentbeschreibung erläutert.
Doch wie ist die Rechtslage, können Mutationen unter Patentschutz gestellt werden?
Braugerste Mutationen unter Patentschutz?
Relevant ist hier – da es sich um ein Europäisches Patent handelt – der Artikel 53(b) EPÜ. Demnach ist kein Patentschutz für Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren möglich. Aber mikrobiologische Verfahren und die mithilfe dieser Verfahren gewonnenen Erzeugnisse sind nach Art. 53(b) EPÜ patentierbar. Dies soll genau die biologische Vielfalt schützen, technischem Fortschritt dagegen Patentschutz ermöglichen.
In der Praxis jedoch sind jedoch biotechnische und gentechnische Eingriffe im Pflanzen- und Mikroorganismenbereich alltäglich geworden, man denke an optimiertes Saatgut, Anpassungen an Klimaänderungen sowie gegen Schädlinge und schlicht die Leistungssteigerungen von Pflanzen und auch Tieren für die Welternährung.
Hier wird der Artikel 53(b) EPÜ dann kompliziert und führt zu der von Kritikern monierten Tatsache, dass Patentschutz traditionelle Züchtung und Vielfalt zurückdrängt. Denn jeder Kreuzungsschritt ist ein Hindernisgrund für Patentierbarkeit. Technische Schritte vor oder nach dem Kreuzungs- und Selektionsverfahren sind jedoch patentierbar. Daher sind es vor allem technische Auswahlverfahren oder Product-by-Process-Ansprüche, die Patentschutz erwirken. Und eben auch transgene Pflanzen oder Tiere und technisch induzierte Mutationen sind patentierbar. Ausdrücklich gehört die Mutagenese zur Gentechnik, urteilte auch das höchste Europäische Gericht (EuGH) im Juli 2018.
Die Beschwerdekammer wies jedenfalls die Beschwerde gegen das Patent auf Braugerste von Heineken und Carlsberg zurück. Einmal mehr bestätigt das EPA damit die Patentierbarkeit von Pflanzen mit bestimmten Mutationen, die die Bildung von Geschmacksstoffen beeinflussen kann.
Widerspruch zur EU Regelung zu Biopatenten von 2017?
Besteht mit dieser Entscheidung ein Widerspruch zu der seit 2017 geltenden EU Regelung in Bezug auf Biopatente? Dazu muss man wissen, dass die seit 2017 geltende EU Regelung erst auf wenige Entscheidungen zu Biopatenten angewendet wurde und davor die Patentierbarkeit von Pflanzen und anderen Lebewesen noch einfacher war.
So legte die Beschwerdekammer des EPA noch 2010 und 2015 in Grundsatzentscheidungen (Broccoli I und Tomate I bzw. Broccoli II und Tomate II) fest, dass Verfahren der konventionellen Züchtung und auch markergestützte Selektion nicht patentiert werden dürfen. Pflanzen und Tiere jedoch, die aus einer derartigen Züchtung stammen, sollten dennoch als Biopatent patentiert werden können. Und auch genutzte technische Verfahrensbestandteile, wie beispielsweise ein molekularer Marker, sollten als solche als patentiert werden.
2017 dann kam es zu der neu überarbeiteten und seitdem geltenden Regelung des EPA zu Biopatenten – wir berichteten. Praktisch bedeutet das, das Brokkoli-Patent der Plant Bioscience Limited (aus dem Fall Broccoli II von 2015) würde heute nicht mehr erteilt. Und tatsächlich widerrief das EPA im November 2018 sogar das Biopatent auf Brokkoli der Firma Bayer.
Im vorliegenden Fall um das Patent auf Braugerste handelt es sich jedoch um eine Mutation – und deren Nutzung ist grundsätzlich patentierbar, auch nach EU Regelung von 2017.
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Quellen:
Beschwerde gegen das Patent auf Braugerste
Bild:
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