Das Europäische Patentamt (EPA) hat das umstrittene Biopatent der Bayer AG widerrufen, das eine Züchtung von Brokkoli schützen sollte, die die Ernte erleichtert. Es ist der erste Widerruf eines Biopatents seit Einführung der neu überarbeiteten EU Regelung für Biopatente in 2017.
Das Patent EP 1 597 965, das 2013 dem inzwischen von Bayer erworbenen Agrochemieunternehmen Monsanto erteilt wurde, umfasst Brokkolipflanzen die etwas höher wachsen und daher leichter geerntet werden können. Es ist auch als „Patent auf geköpften Brokkoli“ bekannt geworden. Der Widerruf erfolgte nach einem Widerspruch, der 2014 von einer Koalition von Organisationen erhoben wurde. Denn seit einer aktualisierten Regelung von 2017 dürfen keine Patente auf Pflanzen und Tiere mehr erteilt werden, wenn diese aus üblichen Züchtungsverfahren wie Kreuzung und Selektion hervorgehen.
Biopatent und die Rechtslage bis 2017
Grundsätzlich ist die Rechtslage für Biopatente durch das Europäische Patentübereinkommens (EPÜ, Artikel 53, Buchstabe b) geprägt, das 1973 unterzeichnet wurde – lange vor den genetischen und biotechnologischen Möglichkeiten, die es heute gibt. Maßgeblich für Entscheidungen war die EU-Biopatentrichtlinie (RL 98/44/EG). Angesichts dessen aber, dass das EPA inzwischen schon mehr als 1.000 Biopatente erteilt hat, wurde eine Anpassung der rechtlichen Vorgabe an die modernen technologischen Methoden immer dringender.
Mit der Frage, wie das EPÜ im Hinblick auf seine Regelungen der Patentierbarkeit von Pflanzen auszulegen ist, legte sich die Beschwerdekammer des EPA 2010 und 2015 in Grundsatzentscheidungen fest, in den sogenannten Fällen Broccoli I und Tomate I bzw. Broccoli II und Tomate II. Darin hieß es, dass Verfahren der konventionellen Züchtung und auch markergestützte Selektion nicht patentiert werden dürfen. Pflanzen und Tiere jedoch, die aus einer derartigen Züchtung stammen, sollten dennoch als Biopatent patentiert werden können (Entscheidungen G02/12 and G02/13 (Broccoli II)). Und auch genutzte technische Verfahrensbestandteile, wie beispielsweise ein molekularer Marker, können als solche als patentiert werden.
2017 überarbeitete neue EU Regelung zu Biopatenten
Auf der EU-Ebene wurde politisch verhandelt, auch EU-weit zu einer Annäherung in der Bewertung der Biopatente zu kommen. Dies führte 2017 zu der neu überarbeiteten Regelung des EPA zu Biopatenten – wir berichteten. Wenn Kreuzung und Selektion stattfindet, wird demnach Patentierbarkeit auch der daraus entstandenen Pflanzen und Tiere ausgeschlossen. Mutationen aber sollen weiter patentierbar bleiben. Praktisch bedeutet das, das in der Grundsatzentscheidung von 2015 als Broccoli II bezeichnete Brokkoli-Patent der Plant Bioscience Limited würde heute nicht mehr erteilt. Aus diesem Grund werden auch seit Herbst 2017 bereits erteilte europäische Biopatente neu überprüft. Es gilt der Stichtag November 2016 : alle vom EPA seit November 2016 erteilten Patente in Bereich Biopatente werden durch das EPA überprüft.
Patentschutz durch Product-by-Processansprüche
Gentechnische Eingriffe sind aber natürlich im Pflanzen- und Mikroorganismenbereich alltäglich. Es sind es vor allem technische Auswahlverfahren oder Product-by-Processansprüche, die Patentschutz erwirken.
Ein Product-by-Process-Anspruch kennzeichnet ein beanspruchtes Erzeugnis durch Merkmale des Verfahrens zu seiner Herstellung.
Dabei muss es unmöglich sein, das beanspruchte Erzeugnis anders als anhand seines Herstellungsverfahrens (zum Beispiel Ausgangsstoffe oder Behandlungsprozesse) zu definieren. Und natürlich muss das beanspruchte Erzeugnis Anforderungen zur Patentierbarkeit erfüllen.
Im Patentrecht sind Product-by-Process-Ansprüche nicht leicht zu erwirken. Denn § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG sieht einen unmittelbaren Erzeugnisschutz gesetzlich bereits vor, auch für einen Anspruch, der durch ein Verfahrenspatent erwirkt wurde.
(Zitat aus IP Wikipedia www.legal-patent.com)
Biopatent auf Braugerste nicht widerrufen
Nicht verwunderlich ist daher auch ein zweites prominentes Widerrufungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt, das Anfang Oktober entschieden wurde. Die Bierkonzerne Heineken und Carlsberg bekamen vom Europäischen Patentamt Patentschutz auf konventionell gezüchtete Braugerste erteilt (Patent EP 2384110). Über 30 Umweltorganisationen erhoben Widerspruch gegen die Entscheidung. Nach ihrer Ansicht gelte in diesem Patent eine genetische Veranlagung als Erfindung, obwohl sie zufällig entstanden sei und die Pflanzen aus herkömmlicher, konventioneller Züchtung stammen. Nach einer öffentlichen Anhörung Anfang Oktober wurde daraufhin das umstrittene Patent eingeschränkt, aber nicht widerrufen.
Das Patent umfasste ursprünglich alle Pflanzen, in denen bestimmte unerwünschte Geschmacksstoffe fehlen. „GERSTE MIT REDUZIERTER LIPOXYGENASE AKTIVITÄT“ heißt es in der Patentbeschreibung. Mit seiner Entscheidung beschränkte das EPA das Patent nun auf Pflanzen mit bestimmten Mutationen, die die Bildung dieser Geschmacksstoffe beeinflussen kann. Widerspruch gegen diese Entscheidung ist bereits angekündigt worden, das Verfahren gegen dieses Patent wird also sehr wahrscheinlich fortgesetzt.
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Quellen:
EPO Register Widerruf des EP 1 597 965
PM EPA Juni 2017: Praxis im Bereich der Pflanzen- und Tierpatente
Opposition against European Patent EP 2 384 110 B1
Bild:
jackmac34 /pixabay.com / CCO License
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