Die neue Stellungsnahme des Europäischen Patentamts für Patente auf Pflanzen und Tiere ist erst wenige Wochen alt, schon zeigt sich ein ambivalentes Verhalten bei der Vergabe rund um Biopatente: in der letzten Woche lehnte das EPA den Einspruch gegen das Monsanto-Patent auf Sojabohnen ab.
Das umstrittene europäische Patent (EP 2134870) wurde im Februar 2014 vom Europäischen Patentamt (EPA) an den Monsanto Konzern erteilt. Die betroffenen Sojabohnen sind wilde und gezüchtete Arten und Sorten, die in Asien und Australien vorkommen. Unter dem Aspekt der guten Anpassung an unterschiedliche Klimazonen umfasst das Biopatent die Methode der Selektion der Pflanzen vor einer Kreuzung. Nach der Auslegung des EPA (G 1/07) wird dies als nicht als „im Wesentlichen biologische Verfahren“ zur Züchtung angesehen.
Auslegung von Artikel 53 Buchstabe b des EPÜ
Genau diese Situation sollte eigentlich durch die gesetzlichen Regelungen zur EU-weiten Erteilung der Biopatente für Pflanzen und Tieren eindeutig geklärt sein. Gemäß Artikel 53 Buchstabe b des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) werden europäische Biopatente nicht für „Pflanzen- oder Tierarten oder im wesentlichen biologische Verfahren zur Herstellung von Pflanzen oder Tieren“ erteilt. Aber der Ausschluss von „Pflanzen- oder Tierarten“ gilt nur für bestimmte, individuell beanspruchte Sorten. Umfasst ein Anspruch mehrere Pflanzensorten, aber keine bestimmte Sorte, so gilt der Ausschluss nicht (G 1/98). In der aktuellen Stellungnahme vom Juni 2017 befand das EPA außerdem: wenn Kreuzung und Selektion stattfindet, wird Patentierbarkeit der gezüchteten Pflanzen und Tieren ausgeschlossen.
In seiner Argumentation für das strittige Patent auf Sojabohnen wies nun das EPA darauf hin, dass Biopatente bei der Auswahl von Pflanzen und Tieren für die Zucht erteilt werden können – obwohl sie auf die konventionelle Züchtung von Pflanzen und Tieren nicht erteilt werden dürfen. Kritiker wie die Vereinigung „Keine Patente auf Saatgut!“ sehen dies anders: die Auswahl der zu züchtenden Pflanzen und Tiere sei untrennbar mit der Züchtung verbunden. De facto erhält Monsanto mit diesem einen Patent ein Monopol auf die Nutzung Hunderter von natürlichen Gen-Variationen für die Züchtung konventioneller Sojabohnen.
Rechtslage über Biopatente – Deutschland und die EU
Grundsätzlich ist die Rechtslage durch das Europäische Patentübereinkommens (EPÜ, Artikel 53, Buchstabe b) geprägt, das 1973 unterzeichnet wurde – lange vor den genetischen und biotechnologischen Möglichkeiten, die es heute gibt. Mit der Frage, wie das EPÜ im Hinblick auf seine Regelungen der Patentierbarkeit von Pflanzen auszulegen ist, hat sich die Große Beschwerdekammer des EPA 2010 und 2015 in Grundsatzentscheidungen festgelegt, in den sogenannten Fällen Broccoli I und Tomate I bzw. Broccoli II und Tomate II.
- In den Entscheidungen G 2/07 und G 1/098 wurde festgelegt, dass Verfahren, die auf der Kreuzung ganzer Genome und auf nachfolgender Selektion beruhen, nicht patentiert werden dürfen.
- Und Verfahren der konventionellen Züchtung und übrigens auch markergestützte Selektion dürfen nicht patentiert werden, aber Pflanzen und Tiere, die aus einer derartigen Züchtung stammen, sollen dennoch als Biopatente patentiert werden können (Entscheidungen G02/12 and G02/13). Auch genutzte technische Verfahrensbestandteile, wie beispielsweise ein molekularer Marker, können als solche als patentiert werden.
Der deutsche Gesetzgeber sah diesen sensiblen Rechtsbereich Biopatente nicht ausreichend eindeutig geklärt und ergänzte 2013 das deutsche Patentgesetz um 2a Abs. 1 Nr. 1 PatG. Darin wird im Unterschied zum europäischen Patent klar festgelegt, dass Patente auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung explizit ausgeschlossen sind. Diese Regelung betrifft jedoch lediglich deutsche Biopatente bzw. Anmeldungen und hat keine Auswirkung auf europäische Patente. Auf der EU-Ebene wurde gleichzeitig darum verhandelt, auch EU-weit zu einer Annäherung in der Bewertung der Biopatente zu kommen. Letztlich führte dies zu der Stellungnahme des EPA, die erst vor wenigen Wochen erfolgte. Darin heißt es, dass die Patentierbarkeit von Lebewesen und deren Züchtungen auch EU-weit strenger eingeschränkt wird. Wenn Kreuzung und Selektion stattfindet, wird Patentierbarkeit auch der daraus entstandenen Pflanzen und Tiere ausgeschlossen. Mutationen aber sollen weiter patentierbar bleiben. Praktisch bedeutet das, das umstrittene Brokkoli-Patent von 2015 würde heute nicht mehr erteilt.
Offene Rechtsfragen
Aus diesem Grund werden auch bereits erteilte europäische Biopatente neu überprüft. Es gilt der Stichtag November 2016 : alle vom EPA seit November 2016 erteilten Patente in diesem Bereich will das EPA überprüfen. Aus rechtlicher Sicht gibt es aber noch weitere Unklarheiten:
- Verfahren zur Züchtung sind ja nur der Anfang einer Produktionskette. Wie sind die Regelungen für die Produkte aus Zuchtverfahren wie Saatgut und Lebensmittel?
- Gibt es Patentansprüche aus Auswahlverfahren, die auf einer Selektion von Pflanzen oder Tieren vor einer Kreuzung beruhen?
- Sind zusätzliche Schritte wie Mutationszüchtung patentierbar?
- Sind Verfahren wie vegetative Vermehrung (die keine Kreuzung aufweist) patentierbar?
Kurzer Überblick zu Rechtsentscheidungen um Biopatente
Monsanto-Patent auf Melonen
Das Melonenpatent von Monsanto wurde 2016 vom Europäischen Patentamt aus technischen Gründen widerrufen. Monsanto beanspruchte als seine Erfindung, Melonen mit einer bestimmten Resistenz gegen Pflanzenviren geschaffen zu haben, obwohl diese Resistenz bereits in indigenen natürlichen Melonensorten in Indien nachgewiesen wurde. Monsanto legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, der Ausgang ist noch offen.
Syngenta-Patent auf wilden Paprika
Das schon 2008 beantragte und 2013 vom EPA erteilte Patent (EP2140023) stellt alle Chili- und Paprikapflanzen, die gegen die weiße Fliege resistent sind, unter Patentschutz von Syngenta. Das Patent umfasst die Pflanzen selbst, ihre Früchte, das Saatgut, die daraus hergestellten Lebensmittel und sogar Anbau und Ernte der Pflanzen. Der Schweizer Konzern hatte mittels Smart Breeding (eine konventionelle Präzäsionszucht, die durch technische Hilfsmittel unterstützt wird) aus der wilden Paprika eine kommerzielle Paprikapflanze mit der beschriebenen Resistenz erhalten. Auch hier gibt es den Verweis auf wilde Paprika aus Jamaika, die natürlicherweise über diese Insektenresistenz verfügen. Die Verhandlung zum Einspruch gegen dieses Patent wurde für den Juni 2016 angesetzt, dann aber vom EPA auf unbestimmten Zeitpunkt verschoben.
EU-Patent für Australisches Unternehmen auf Lachse
Das Europäische Patentamt hatte im Juli 2016 signalisiert, es werde bald ein Patent auf Lachse erteilen, die so gefüttert werden, dass sie einen erhöhten Gehalt an Omega-3-Fettsäuren aufweisen (EP 1965658). Patentiert werden sollen die Fische selbst sowie das Fischöl. Antragsteller ist ein australisches Unternehmen. In diesem Fall hat im August 2016 das Hessische Umweltministerium eine offizielle Einwendung gegen das fragliche Patent erhoben. Die Entscheidung steht noch aus.
Insgesamt hat das EPA hat schon mehr als 1.000 Patente und damit Biopatente auf gentechnisch veränderte Labortiere erteilt. Gentechnische Eingriffe sind aber natürlich auch im Pflanzen- und Mikroorganismenbereich alltäglich. So sind es vor allem technische Auswahlverfahren oder Product-by-Processansprüche, die Patente erwirken.
Ein Product-by-Process-Anspruch kennzeichnet ein beanspruchtes Erzeugnis durch Merkmale des Verfahrens zu seiner Herstellung.
Dabei muss es unmöglich sein, das beanspruchte Erzeugnis anders als anhand seines Herstellungsverfahrens (zum Beispiel Ausgangsstoffe oder Behandlungsprozesse) zu definieren. Und natürlich muss das beanspruchte Erzeugnis Anforderungen zur Patentierbarkeit erfüllen.
Im Patentrecht sind Product-by-Process-Ansprüche nicht leicht zu erwirken. Denn § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG sieht einen unmittelbaren Erzeugnisschutz gesetzlich bereits vor, auch für einen Anspruch, der durch ein Verfahrenspatent erwirkt wurde. (Zitat aus IP Wikipedia www.legal-patent.com)
Blickt man angesichts der internationalen Verflechtungen auf das US-Recht, wird die Rechtslage noch unübersichtlicher: denn beispielsweise der Saatgutmarkt in den USA ist im Vergleich zur EU stark von Patenten beeinflusst.
i) Es gibt in den USA keine Verbote der Patentierung im Bereich der Pflanzenzucht.
ii) Patentierung und Lizenzierung von gentechnisch Änderungen (beispielsweise für Eigenschaften wie Herbizidresistenz) sind großzügig erlaubt
iii) Auch kennen die USA keinen Sortenschutz.
Dazu passt auch die letzte Wirtschaftsmeldung bezüglich Saatgut: am letzten Freitag machte die Bayer AG den Gesamtverkauf seines Geschäftsbereichs Saatgut bekannt. Käufer ist der deutsche Chemiekonzern BASF. Durch den Verkauf hofft die Bayer AG die angestrebte Fusion mit dem US Konzern Monsanto leichter verwirklichen zu können.
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Quellen:
EPA stellt Praxis im Bereich der Pflanzen- und Tierpatente klar (Juni 2017)
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