Zwei Europäische Patente mit Patentansprüchen auf Menschenaffen wurden gestern vom EPA stark eingeschränkt. Patentansprüche auf genetisch veränderte Tiere sind von nun an erschwert, es soll kein Europäisches Patent auf genetisch veränderte Menschenaffen geben. Eine Entscheidung mit Signalwirkung für die Versuchstiere in der Forschung – und auf den Schutz von Leben in der EU.
Gestern wurden nach jahrelangem Verfahren zwei Patente des U. S. Unternehmens Intrexon Corporation (jetzt: Precigen) auf gentechnisch veränderte Menschenaffen durch eine Entscheidung vom Europäischen Patentamt (EPA) stark eingeschränkt. Die beiden angefochtenen Patente an sich bestehen weiter, aber sie dürfen sich nicht mehr auf Menschenaffen beziehen, berichtete der Presserat.
Dies ist eine Entscheidung mit Signalwirkung für Versuchstiere in der pharmazeutischen Forschung und in der Grundlagenforschung. Denn durch die Entscheidung des EPA ist zum ersten Mal die europäische Patentierung von gentechnisch veränderten Tieren stark eingeschränkt worden. Die Patentierung von genetisch veränderten Tieren und auch von Versuchstieren wird durch die Entscheidung zwar nicht grundsätzlich verboten, könnte ab jetzt jedoch an strenge Anforderungen gebunden werden.
Breites Bündnis von Klägern gegen Patent auf Menschenaffen
Hunderttausende Tiere werden jedes Jahr als Versuchstiere eingesetzt und viele von ihnen zu diesem Zweck auch genetisch verändert. Entsprechend wurde die Klage gegen die beiden Patente auf Menschenaffen von einem breiten Bündnis von Natur- und Tierschutzorganisationen und sogar auch mit Forschungsverbänden getragen. Als Kläger gegen Patentinhaber Intrexon traten u. a. auf die Albert Schweitzer Stiftung, Testbiotech, der Deutsche Tierschutzbund, das Gen-ethische Netzwerk (GeN), die Gesellschaft für ökologische Forschung, die German Animal Welfare Association, die Wild Chimpanzee Foundation Deutschland (WCF), das Jane Goodall Institut (Deutschland), Kein Patent auf Leben!, Bundesverband Menschen für Tierrechte, Pro Wildlife, aber auch die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) und der Schweizer Tierschutz (STS).
Die Einsprüche wurden 2012 und 2013 eingelegt und betreffen Patente der US-Firma Intrexon (EP1456346 und EP1572862).
‚Patent auf Menschenaffen‘ ist Patent auf Genexpression
Die beiden angefochtenen Patente sind nun publik als ‚Patent auf Menschenaffen‘, beschreiben tatsächlich jedoch ein System zur Modulation der Genexpression. In der Technik besteht ein Bedarf an verbesserten Systemen zur präzisen Modulation der Expression exogener Gene sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren, heißt es in der Patentbeschreibung, vor allem in der Gentherapie und zur Produktion von Proteinen und Antikörpern in nötigen großen Mengen sowie für die Regulierung von Merkmalen in transgenen Tieren.
Im Detail stellt das Patent (EP1456346) ein Ecdyson-Rezeptor-basiertes Genexpressionssystem vor, das in Partnerschaft mit einem Wirbeltier-Retinoid-X-Rezeptor (RXR) in Säugetierzellen induzierbar ist. Anders ausgedrückt, soll der aus dem Insekt Seidenspinner Bombyx isolierte Ecdyson-Rezeptor in die DNA von Säugetieren – hier Menschenaffen – eingefügt werden. Auf diese Weise entstehen gentechnisch veränderte Versuchstiere für die Forschung, die durch Behandlung mit chemischen Substanzen im Sinne der Forschungsaufgabe gut beeinflussbar sind. Dies nennt man einen „Gen-Schalter“, in dem epigenetische Mechanismen entscheiden, ob sie aktiv oder inaktiv sind. Ein Vorgehen, das absolut üblich ist in der zellulären und genetischen Forschung.
Problematisch an den beiden Patenten ist entsprechend auch nicht das System zur Genexpression, sondern die Patentansprüche auf die in beschriebener Weise veränderten Menschenaffen und andere Versuchstiere. Dies aber widerspricht Art. 23 EPÜ zusammen mit Art. 53 EPÜ, demnach „Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere“ ausdrücklich vom Europäischen Patentschutz ausgeschlossen sind. Dieser Nutzen war nach Ansicht des EPA nicht vorhanden.
Es werden im Übrigen auch keine Europäischen Patent erteilt für biotechnologische Erfindungen, die sich mit Klonen oder menschlichen Embyonen befassen.
Verfahren um das Patent auf Menschenaffen zog sich über Jahre
Die Einsprüche des Bündnisses gegen die beiden Patente zog sich über Jahre. 2015 wurden die Einsprüche zunächst zurückgewiesen. Dagegen wendete sich das Bündnis mit einer Beschwerde. Und tatsächlich signalisierte Ende 2019 die Beschwerdekammer, der Beschwerde stattzugeben. Der Patentinhaber stimmte daraufhin einer Streichung aller Patentansprüche auf gentechnisch veränderte Tiere zu.
Mit der gestern vom EPA gekannt gemachten Entscheidung hat die Beschwerdekammer diesen Fall nun entschieden. Wie in einem solchen Verfahren üblich, werden die beiden Verfahren um die angefochtenen Patente (T0682/16 und T0789/16) jetzt zurück an die Prüfungsabteilung verwiesen. Der Schutz für die beiden Patente wird nur in veränderter, eingeschränkter Form aufrecht erhalten. Der Patentinhaber muss daher alle Patentansprüche auf Tiere streichen.
Wichtige Entscheidungen zu Patenten auf Leben
Die Entscheidung des EPA folgt nur wenige Tage nach der bemerkenswerten Grundsatzentscheidung der Großen Beschwerdekammer in Bezug auf Biopatente – wir berichteten. Demnach soll der Art. 53(b) EPÜ von jetzt an „dynamisch“ ausgelegt werden, die Große Beschwerdekammer hob ihre Grundsatzentscheidungen G 2/12 und G 2/13 auf. Hintergrund dazu ist, dass zwar nach Artikel 53(b) EPÜ kein Europäischer Patentschutz für Pflanzensorten oder Tierrassen gewährt wird sowie für im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren. Mikrobiologische Verfahren und die mithilfe dieser Verfahren gewonnenen Erzeugnisse sind jedoch nach Art. 53(b) EPÜ patentierbar.
Und auch das höchste Europäische Gericht (EuGH) hat erst 2018 ein wichtiges Urteil zu diesem Thema getroffen: der EuGH zählt in seinem Urteil (EU:C:2018:583) die Mutagenese zur Gentechnik.
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Quellen:
Patent auf Menschenaffen, EP Patent 1456346
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