Das UK Urteil um die Streitmarke BHPC geht um Parallele Marken im online Verkauf über Amazon – und einem etwaigen Anspruch auf Geotargeting. Darf Amazon auf amazon.com die U.S. Waren einer parallelen Marke in der EU anzeigen, obwohl sie in der EU nicht verkauft wird?
BHPC: Parallele Marken in EU/UK und in USA
Das UK Urteil um die Streitmarke BHPC, eine Bekleidungsmarke für Polo Sport, geht um Parallele Marken im Verkauf über Amazon, fragmentiert in eine UK/EU Marke und eine US Marke. Hintergrund des Falls ([2021] EWHC 118 (Ch)) ist eine Markenaufteilung zwischen Brüdern, durch die die Streitmarke BHPC (Beverly Hills Polo Club) sowohl in Europa / UK als auch als US Marke geschützt ist als parallele Marke. Markeninhaber der EU und UK Marke BHPC ist Lifestyle Equities C.V. und dessen Geschäftsführer Herrn Eli Haddad (Niederlande), Markeninhaber der US Marke BHPC sind die Brüder von Herrn Haddad über die Firma BHPC Associates LLC.
Koexistenz von Marken, Erbengemeinschaft oder freiwillige Fragmentierung paralleler Marken? Das war nicht Thema in diesem Fall, es ging nicht um eine Verwechslungsgefahr, sondern um parallele Marken im online Verkauf – und für Amazon zumutbares Geotargeting.
Denn aus den USA werden BHPC Waren auf amazon.com gelistet, während Herr Haddad aus Europa die Amazon Listung der BHPC Waren ablehnt und vor allem auch verhindern möchte, dass im Europäischen Markt der Preis gesehen werden kann, zu dem Waren der Marke BHPC in den USA verkauft werden.
Die Europäischen Kläger machten geltend, dass dies eine Form der Fälschung sei und ihr Geschäft zerstört werde.
Amazon reagierte
Amazon hatte – nachdem die etwaige Markenverletzung von der Klägerin über das Reporting-Tool von Amazon angesprochen wurde – technische Beschränkungen in Bezug auf den Verkauf und die Werbung für BHPC-Waren an Verbraucher im Vereinigten Königreich/EU eingeführt, im Wesentlichen seit 2018 für den Amazon Global Store und seit 2019 auch auf die amazon.com-Geschäftsmodelle. Dies geschah durch die Einschränkung des Cross-Listing von amazon.com auf amazon.co.uk.
In der Praxis verhindert dies, dass die BHPC Waren auf den Europäischen Seiten wie amazon.co.uk (damals noch mit UK) gezeigt wurden, aber auf amazon.com sind die BHPC Waren als U.S. Angebot zunächst zu sehen – inklusive der Preise, auch als britischen Pfund anzeigbar -, nur der letzte Verkaufsschritt ist von Amazon für Europäer blockiert.
Daher genügten diese Maßnahmen den Europäischen Klägern nicht, sie forderten, Amazon solle die Sichtbarkeit von allen BHPC Markenartikeln auf amazon.com für Verbraucher aus dem Vereinigten Königreich und der EU sperren. Amazon lehnte dies ab; dies sei technisch sehr komplex. Aber auch ganz grundsätzlich war Amazon nicht bereit, das „Internet zu zensieren“.
Zurecht? Oder handelte es sich um einen berechtigten Anspruch auf Geotargeting?
Anspruch auf Geotargeting?
Zum Thema Geotargeting gibt es durchaus mehrere wichtige Urteile, von denen hier insbesondere das Floyd Urteil aus dem UK von 2018 genannt sei (Floyd LJ in Argos Ltd. v Argos Systems Inc. [2018] EWCA): Targeting ist keine eigenständige Doktrin des Markenrechts, urteilte das UK Gericht (England and Wales Court of Appeal). Da Marken eine territoriale Wirkung haben, sollen mit Geotargeting diejenigen, die ihre Geschäfte ausschließlich außerhalb des Vereinigten Königreichs tätigen, nicht dem Markenrecht des UK unterworfen werden; dies jedoch könne nicht zu irgendeiner Form der Haftung führen.
Europäische Kläger beriefen sich auf Verbotsrecht gegen Dritte
Tatsächlich beriefen sich die Europäischen Kläger – neben dem Markeninhaber aus den Niederlanden auch ein exklusiver Lizenznehmer – sowohl auf das UK Gesetz gemäß § 10 des Trade Marks Act 1994 als auch auf den Artikel 9 der Verordnung (EU) 2017/1001 über die Europäische Unionsmarke (EUTMR) sowie auf die EU Richtlinie 2006/114/EG. Die genannten Gesetze geben einem Markeninhaber Möglichkeiten zu Verboten – zum Beispiel gegen Anbieten, Verkauf und Bewerben der eigenen Marke durch Dritte. Allerdings gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass eine Verwechslungsgefahr besteht oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt wird.
Rechtsprechung: Markenverletzung im Online Verkauf
Andererseits können Markenrechte auch verletzt werden, wenn aus Drittstaaten stammende Waren sogar vor ihrer Ankunft in der EU Gegenstand einer an die Verbraucher in der Europäischen Union gerichteten geschäftlichen Handlung sind wie einem Verkauf, einem Verkaufsangebot oder einer Werbung, hatte der EuGH 2011 geurteilt (L’Oréal u. a. gegen Ebay, C-324/09). Der Betreiber eines Online-Marktplatzes – wie Ebay oder Amazon – sei aber nur dann (mit-) verantwortlich für eine solche Markenverletzung, wenn er sich der etwaiger Markenverletzung bewusst ist und die Präsentation der fraglichen Verkaufsangebote optimiert oder diese bewirbt.
Tatsächlich hatten die Europäischen Kläger jedoch nur einen einzigen Nachweis für eine Markenverletzung bei Amazon vorgelegt (Lifestyle Equities C.V. and anor v Santa Monica Polo Club Ltd and ors [2017] EWHC 3313), woraufhin Amazon innerhalb weniger Stunden rund 80 potenziell rechtsverletzende ASINs entfernte. Zudem ist es eine rein private Tätigkeit, wenn beim Kauf und Import eines Produkts über den Amazon Global Store als private Nutzung oder privates Geschenk angegeben wird. Und bei einer privaten Nutzung liegt keine Markenverletzung vor.
Auch hatte EuGH erst im April 2020 (Coty Davidoff) geurteilt, dass keine Markenrechtsverletzung in der bloßen Lagerung vorliegt (auch im Programm „Versand durch Amazon“) – solange diese Ware nicht verkauft wird. Ob Amazon dennoch in Mitverantwortung für eine etwaige Markenverletzung in diesem Programm zu sehen ist, wurde vom EuGH bisher nicht geprüft.
Klage abgewiesen- Webseite zielt nicht auf EU/UK
Daher wies das UK Gericht die Klage ab und gab Amazon Recht. Das Anzeigen eines identischen Markenprodukts – z. B. durch Parallele Marken – auf einer Website außerhalb der Markenrechte des Klägers stellt demnach keine Verletzung dar – es sei denn, dass diese Website gezielt das Gebiet der Rechte des Klägers anspricht. Das aber war vorliegend nicht der Fall, entschied das UK Gericht.
Klage zurecht abgewiesen?
Obwohl der Grundsatz zur Erschöpfung der Rechte aus einer Marke (gemäß Art. 7 der Richtlinie 2008/95) im Hinblick auf eine freiwillige Fragmentierung in parallele Marken in diesem Verfahren nicht Thema war, gehen dennoch kurz auf diesen Aspekt ein. Denn gemäß Schweppes Urteil des EuGH kann der Inhaber einer nationalen Marke nicht gegen die Einfuhr identischer Waren, die dieselbe Marke tragen, aus einem anderen Mitgliedstaat Einspruch erheben – wenn er weiterhin aktiv und bewusst das Erscheinungsbild oder das Image einer einzigen und globalen Marke gefördert hat.
Auch aus diesem Gesichtspunkt deutet sich daher an, dass die Klage gegen Amazon vom UK Gericht durchaus zurecht abgewiesen wurde – zumindest aus EU Sicht.
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Quellen:
UK Urteil [2021] EWHC 118 (Ch)
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