Wenn ein Dritter im Rahmen des Amazon Versand Ware lagert, die durch Markenrecht geschützt ist, liegt keine Markenrechtsverletzung in der bloßen Lagerung vor – solange der Dritte die Ware nicht verkauft. Dieses Urteil des EuGH war zu erwarten. Ob Amazon als Markenverletzer zu sehen ist, wurde nicht vom EuGH geprüft.
Amazon Versand beauftragt Dritte zur Warenlagerung
Am 8. Mai 2014 bestellte ein Testkäufer von Coty über die Website www.amazon.de einen Flakon des Parfums „Davidoff Hot Water EdT 60 ml“.
Klägerin Coty hatte über einen Testkäufer über die Handelsplattform Amazon in DE ein von einem Dritten angebotenes Coty-eigenes Parfüm von gekauft (Davidoff Hot Water). Der Verkauf war gekennzeichnet mit dem Vermerk „Versand durch Amazon“; im Rahmen dieses Programms des Amazon Marketplace war die Dritte mit der Lagerung der Coty Ware beauftragt. Coty mahnte die Dritte ab mit der Begründung, es habe sich dabei um nicht erschöpfte Ware gehandelt. Darauf gab die Verkäuferin des Parfüms eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
Coty verlangte nun von Amazon die Überstellung sämtlicher Warenbestände in Bezug auf den Amazon Versand aus dem Amazon Marketplace, auf dieses Parfum und auf diese Dritte. Amazon übersandte 30 Stück dieser Ware – allerdings stammten elf der übersandten 30 Stück aus dem Lagerbestand eines anderen weiteren Verkäufers aus dem Programm Amazon Versand. Coty forderte die Herausgabe von Name und Anschrift dieses anderen. Vergebens, denn Amazon teilte mit, dass nicht mehr nachvollzogen werden könne, aus welchem Warenbestand die genannten elf Stück stammten. Coty klagte daraufhin auf Markenverletzung gemäß Art. 9 GMV und Art. 9 UMV.
Dritte und Lagerung von markenrechtsverletzenden Waren
Unter diesen Umständen hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne Kenntnis von der Markenrechtsverletzung zu haben, so anzusehen, dass sie diese Waren zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens im Sinne dieser Bestimmungen besitzt, wenn sie selbst nicht diese Zwecke verfolgt?
Der EuGH setzte sich daher zunächst mit dem Ausdruck „Benutzung“ gemäß der EU Verordnung Nr. 207/2009 auseinander.
Benutzung gemäß EU Verordnung Nr. 207/2009
Zum einen setzt der Ausdruck „Benutzung“ in dieser Verordnung ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung voraus (siehe EuGH Urteil vom Juli 2018 Mitsubishi – Rebranding; EU:C:2018:594).
Aus Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gehe aber auch hervor, dass dessen Inhalt in Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 übernommen worden ist. Das bedeutet, dass diese Bestimmung speziell das Anbieten von Waren, ihr Inverkehrbringen, ihren Besitz „zu den genannten Zwecken“ oder auch die Erbringung von Dienstleistungen unter dem betreffenden Zeichen betrifft, erläuterte das Gericht.
Folglich könne die Lagerung von Waren, die mit Zeichen versehen sind, die mit Marken identisch oder ihnen ähnlich sind, nur dann als „Benutzung“ dieser Zeichen eingestuft werden, wenn der diese Lagerung vornehmende Wirtschaftsteilnehmer selbst das Anbieten von Waren oder ihres Inverkehrbringens verfolgt. Dies aber war vorliegend ganz eindeutig nicht der Fall. Die bloße Lagerung von Waren im Rahmen eines Online-Marktplatzes stellt daher keine Markenrechtsverletzung dar, urteilte der EuGH.
Besitz einer Marke- zu welchem Zweck?
Das heutige Urteil stellt ein weiteres Mal klar, dass es nicht auf den bloßen Besitz ankommt, sondern darauf, warum und mit welchem Zweck ich eine Ware besitze. Nur wenn ich diese Ware verkaufen will, besitze ich sie zu diesem Zweck. Besitze ich als Lagerhalter jedoch nur für andere, verfolge ich nicht selbst einen Verkaufszweck, sondern eben nur einen Lagerzweck.
Das Gericht entschied, dass eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne Kenntnis von der Markenrechtsverletzung zu haben, gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (und Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) so anzusehen ist, dass sie diese Waren nicht zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens im Sinne dieser Bestimmungen besitzt, wenn sie selbst nicht diese Zwecke verfolgt.
Ist Amazon mit seinem Amazon Versand Markenverletzer?
Der Generalanwalt hatte im November in seinem Schlussantrag diese Frage einer Verantwortlichkeit von Amazon bereits erörtert, er sah Amazon mit seinem Programm „Versand durch Amazon“ als mitverantwortlich für Waren in diesem Programm und im Amazon Versand und auch für etwaige Markenverletzungen über die Amazon Plattform. Von Amazon könne im Hinblick auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der gehandelten Waren besondere Sorgfalt verlangt werden, entschied der Generalanwalt.
Auch Coty brachte vor dem EuGH die Frage auf, ob Amazon als Betreiber der Handelsplattform unter Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31 falle und, falls dies nicht der Fall ist, ob Amazon als „Verletzer“ im Sinne von Art. 11 Satz 1 der Richtlinie 2004/48 anzusehen ist. Der EuGH wies die Beantwortung dieser Frage jedoch zurück, da sie nicht zur eigentlichen Vorlagefrage gehörte.
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Quellen:
Urteil des EuGH Amazon Versand – Amazon Marketplace und Lagerung von Ware; EU:C:2020:267
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