Eine Marke, die offensichtlich nicht für eine Privatnutzung geeignet ist, gilt als Marke im geschäftlichen Warenverkehr, wenn sie von einer Privatperson zwischengelagert wird: der EuGH entschied heute über die Auslegung der EU Richtlinie zum geschäftlichen Warenverkehr.
Das höchste Europäische Gericht (EuGH) entschied heute zu einer Vorlagefrage aus Finnland.
Ist davon auszugehen, dass eine Marke im geschäftlichen Verkehr in der EU benutzt wird, wenn diese Marke von einer Privatperson in Empfang genommen und verwahrt wird, die Marke jedoch offensichtlich nicht zu privaten Benutzung bestimmt ist?
Der Sachverhalt
Im vorliegenden Fall erhielt eine Privatperson mit Wohnsitz in Finnland aus China einen Posten von 150 Kugellagern mit einem Gesamtgewicht von 710 kg, die als Ersatzteile in Kraftübertragungsvorrichtungen, Generatoren und Motoren sowie beim Bau von Brücken und Straßenbahnen verwendet werden. Die Waren wurden einige Wochen später an einen Dritten übergeben, um nach Russland ausgeführt zu werden. „Entlohnt“ wurde die Privatperson mit einer Stange Zigaretten und einer Flasche Cognac.
Auf diesen Kugellagern war zudem ein geschütztes Markenzeichen angebracht, das der internationalen Wortmarke INA entsprach, deren Inhaberin A ist und zwar u. a. für die Waren „Lager“. Markeninhaberin A klagte auf Markenrechtsverletzung und Schadenersatz.
Das finnische Rechtsmittelgericht Helsingin hovioikeus vertrat die Auffassung, dass das Verhalten der Privatperson einer Lager- und Speditionstätigkeit entspreche und keine Absicht bestand, daraus einen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Zudem beruhe das Entgelt, das er hierfür erhalten habe, nicht auf der wirtschaftlichen Nutzung von Waren im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit, sondern stelle nur die Gegenleistung für die Zwischenlagerung der Waren für Rechnung eines Dritten dar.
Aber ist die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils einer Privatperson überhaupt relevant für die Beurteilung des geschäftlichen Warenverkehrs? Der Finnische Oberste Gerichtshof Korkein oikeus fand dies nicht geklärt in der Rechtsprechung und fragte nach Anwendung von Art. 5 der Richtlinie 2008/95, wenn eine Privatperson die Marke zugunsten eines Dritten benutzt.
Auslegung der EU Richtlinie mit Blick auf den geschäftlichen Warenverkehr
Der EuGH hatte daher zu prüfen, wie Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 Buchst. b und c in diesem Fall auszulegen ist gerade mit Hinblick auf den geschäftlichen Warenverkehr bwz. den zollrechtlich freien Verkehr in den Mitgliedstaaten.
Grundsätzlich bezieht sich die entsprechende Richtlinie auf Wirtschaftsteilnehmer; die auf der Richtlinie 2008/95 basierenden Rechte Marke gelten folglich nur im Zusammenhang mit einer gewerblichen Tätigkeit. Weisen die Tätigkeiten jedoch aufgrund ihres Umfangs, ihrer Häufigkeit oder anderer Merkmale über die Sphäre einer privaten Tätigkeit hinaus, bewegt sich der Verkäufer zudem im Rahmen des geschäftlichen Verkehrs, erläuterte der EuGH in seinem heutigen Urteil.
Im vorliegenden Fall waren die Waren im Hinblick auf ihre Natur und ihren Umfang offensichtlich nicht zu einer privaten Benutzung bestimmt. Daher seien die entsprechenden Geschäfte als Teil einer gewerblichen Tätigkeit anzusehen, urteilte der EuGH, dies jedoch sei vom vorlegenden Gericht zu prüfen.
Überführung in freien Verkehr ist geschäftlicher Warenverkehr
Das Gericht ergänzte, dass eine Person, die ihre Anschrift als den Ort mitteilt, an den die betreffenden Waren versandt werden sollen, und die für diese Waren die Zollabwicklung vornimmt oder vornehmen lässt und sie in den freien Verkehr überführt, eine Einfuhr im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2008/95 vornehme.
Die Tatsache, dass eine Person solche Waren eingeführt und in den freien Verkehr überführt hat, ist ausreichend für die Feststellung, dass diese Person im geschäftlichen Verkehr tätig geworden ist, ohne dass es einer Prüfung bedürfe, wie später mit diesen Waren verfahren wurde, erläuterte der EuGH. Insofern ist die Handlung der Zwischenlagerung oder der Ausfuhr in einen Drittstaat ebenso wenig relevant die Höhe des Entgelts, das der Importeur als Gegenleistung für seine Tätigkeit erhalten hat.
Eine Privatperson, die nicht beruflich eine gewerbliche Tätigkeit ausübt und Waren in Empfang nimmt, in einem Mitgliedstaat in den zollrechtlich freien Verkehr überführt und verwahrt, handelt im geschäftlichen Verkehr gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 Buchst. b und c, urteilte der EuGH – wenn diese Waren offensichtlich nicht zur privaten Benutzung bestimmt sind.
Das Eigentum an den Waren, auf denen die Marke angebracht ist, ist wiederum für die Feststellung einer Benutzung im geschäftlichen Verkehr nicht relevant, entschied das Gericht. Dies wiederum entspricht der Rechtsprechung zu Markenverletzung durch Lagerung einer Ware: es kommt für eine Markenverletzung nicht auf den bloßen Besitz an, sondern auf Zweck des Markenbesitz.
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