Der EuGH hat eine Entscheidung getroffen im Fall von Markenrechtsverletzung Schweppes SA versus Red Paralela und das Tonic-Water in Spanien. Kann der Grundsatz der Erschöpfung der Rechte aus einer Marke in der Union auch für einen fragmentierten Markennamen angewandt werden? Ja, unter präzisen Bedingungen.
Mehr als 20 Jahren nach dem letzten vergleichbaren Fall war der Europäische Gerichtshof (EuGH) wieder aufgefordert, die Fragen zu beantworten, die im Rahmen einer Vorabentscheidung über die Erschöpfung der Rechte aus einer Marke im Zusammenhang mit der freiwilligen Fragmentierung paralleler Rechte gleicher Herkunft, die in verschiedenen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) entstanden sind.
Bis 1999 war die Marke ausschließlich auf Cadbury Schweppes eingetragen, die aber die Rechte an den Getränke-Marken in verschiedenen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums verkaufte.
20. Dezember 2017: Heute urteilte der EuGH in diesem Fall
Der Inhaber einer nationalen Marke kann nicht gegen die Einfuhr identischer Waren, die dieselbe Marke tragen, aus einem anderen Mitgliedstaat Einspruch erheben, urteilt der EuGH:
- wenn diese Marke, die in einem anderen Mitgliedstaat eingetragen ist, als Hindernis benutzt wird (Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2008/95/EG im Sinne von Artikel 36 AEUV)
- wenn der Inhaber, entweder allein oder durch Abstimmung seiner Markenstrategie mit diesem Dritten, weiterhin aktiv und bewusst das Erscheinungsbild oder das Image einer einzigen und globalen Marke gefördert hat, wodurch in den Augen der betroffenen Öffentlichkeit Verwirrung über die kommerzielle Herkunft der Produkte, die diese Marke tragen, geschaffen oder verstärkt wurde
- wenn zwischen dem Inhaber und dem genannten Dritten wirtschaftliche Verbindungen bestehen in dem Sinne, dass sie ihre Handelspolitik koordinieren oder sich verpflichten, die Benutzung der Marke gemeinsam zu kontrollieren, so dass sie die Möglichkeit haben, direkt oder indirekt die Produkte, auf denen die Marke angebracht ist, zu bestimmen und ihre Qualität zu kontrollieren.
Wie auch schon der Generalanwalt im November 2017 betonte der EuGH, dass das Schlüsselelement die Möglichkeit der Qualitätskontrolle der Produkte und nicht die tatsächliche Ausübung dieser Kontrolle ist. Der Lizenzgeber muss die Verantwortung übernehmen, wenn er die Herstellung minderwertiger Produkte durch den Lizenznehmer toleriert. Auch wenn die Herstellung von Erzeugnissen innerhalb derselben Unternehmensgruppe dezentralisiert ist und die in jedem Mitgliedstaat niedergelassenen Tochtergesellschaften Erzeugnisse herstellen, deren Qualität an die Besonderheiten der jeweiligen nationalen Märkte angepasst ist, können diese Qualitätsunterschiede nicht geltend gemacht werden, um der Einfuhr von Erzeugnissen entgegenzuwirken, die von einem Schwesterunternehmen hergestellt werden, präzisiert heute der EuGH.
Das Gericht bestätigt durch sein Urteil: Der Grundsatz der Erschöpfung der Rechte aus einer Marke kann unter präzisen Bedingungen angewandt werden. Und die Prüfung der wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Markeninhaber und dem genannten Dritten soll durch die nationalen Gerichte erfolgen, so der EuGH.
Schweppes ist ein paralleler Markenname in Europa
Die spanische Schweppes SA hatte 2014 die spanische Red Paralela SL und Red Paralela BCN SL wegen Markenverletzung angeklagt, weil diese Tonic-Water-Flaschen mit der Marke „Schweppes“ aus dem Vereinigten Königreich (UK) nach Spanien eingeführt und vertrieben hatte. In Spanien ist die Schweppes International Ltd die Inhaberin der Marke „Schweppes“, die Schweppes SA hat hier das ausschließliche Recht zur Verwertung dieser Marke. Die Schweppes International Ltd und die Schweppes SA sind eine englische und eine spanische Tochtergesellschaft der Orangina Schweppes Holding. Die Klägerin mutmaßt eine Markenverletzung, weil die umstrittenen Tonic-Water-Flaschen nicht von ihr, sondern von Coca-Cola hergestellt und in den Verkehr gebracht worden seien. Coca-Cola wiederum hält in UK die Rechte am Markennamen Schweppes.
Erschöpfung des Rechts aus der Marke ist in §24 Abs. 1 MarkenG geregelt.
Der Erschöpfungssatz besagt, dass ein Inhaber einer Marke kein Recht hat, einem Dritten zu verbieten, diese Marke für Waren zu benutzen, die in Europa oder im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht wurden. Gleiches gilt auch für geschäftliche Bezeichnungen.
Der Erschöpfungssatz soll einen Ausgleich zwischen Markenschutz und dem freien Warenverkehr gewährleisten. Der europäische Gedanke dazu ist, dass kein Händler in der Kette des Handels und des Verkaufs durch absolute Markenrechte behindert sein soll.
Zitat: IP Wikipedia
Generalanwalt im Schlussantrag zu diesem Fall
In seinem Schlussantrag betrachtete der Generalanwalt als Schlüsselfrage für die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes, ob die Marken als wirtschaftlich miteinander verbunden angesehen können.
Der Generalanwalt misst nicht der Art der Beziehung zwischen den Beteiligten eine Bedeutung bei, sondern vor allem der Frage, ob die Kontrolle über die Marke in einer Hand liegt, auch dank der Beziehungen untereinander. Mit dieser Argumentation lehnt der EuGH die Anwendbarkeit nationaler Markenrechtsvorschriften „für vorliegend ausgeschlossen“ ab.
Der Generalanwalt präzisierte, dass eine wirtschaftliche Verbundenheit gegeben sei, wenn die nationalen Markeninhaber ihre Geschäftspolitiken mit dem Ziel koordinierten, eine gemeinsame Kontrolle über die Nutzung ihrer jeweiligen Marken auszuüben.
Den Nachweis, dass so eine gemeinsame Kontrolle vorliegt, habe grundsätzlich der Parallelimporteur zu erbringen. Der Nachweis muss dabei nicht lückenlos geführt werden, sollte aber genaue Anhaltspunkte enthalten. Denn wenn der Parallelimporteur stichhalte Anhaltspunkte vorbringen kann, geht die Beweislast wiederum auf den Inhaber der Marke über, der sich gegen die Einfuhr der Markenprodukte widersetzen will. Im hier verhandelten Fall also obliege der spanischen Schweppes SA die Beweislast.
Die Argumente haben Kläger wie Beklagte deutlich formuliert: Die Klägerin weist darauf hin, dass der Verbraucher die Tonic-Water-Flaschen nicht nach ihrer betrieblichen Herkunft unterscheiden könne, da die Erzeugnisse und die Auszeichnung der Produkte gleich seien. Die Beklagte Red Paralela sieht eine stillschweigende Zustimmung auf Erzeugnisse der Marke „Schweppes“ auch aus Ländern der Union, in denen Coca-Cola Inhaberin dieser Marke sei. Auch verweist die Beklagte auf rechtliche und wirtschaftliche Verbindungen zwischen Coca-Cola und Schweppes International bei der gemeinsamen Verwertung des bekannten Getränkelabels als weltweite Marke.
Diese Verflechtungen sollen das nationale Gericht genauer untersuchen, entschied der Generalanwalt und auch der EuGH. Hatte der Markeninhaber im Einfuhrstaat – also Schweppes SA –die Möglichkeit, die mit der Marke im Ausfuhrstaat – also Coca-Cola – versehenen Produkte unmittelbar oder mittelbar zu bestimmen? Konnte die Klägerin die Qualität kontrollieren? Wenn ja, dann würde die Klage wegen Markenverletzung abgelehnt.
Entscheidung auch relevant für Marketingrelaunch von Coca-Cola
Das Urteil erfolgt im Windschatten der neuesten Markeninvestition von Coca-Cola. Der Getränkegigant investiert 10 Millionen Pfund (11,2 Millionen Euro), um Schweppes im Vereinigten Königreich zu relaunchen, berichtet der Businessinsider. Das Ziel sei: gegen neue starke Marken im Bereich Tonic-Water, wie Fever-Tree oder Fentimans, zurückzuschlagen. Fever-Tree sei auch bereits in Deutschland ein erfolgreicher Markteintritt gelungen: vor allem in den Großstädten soll das Getränk bereits erhältlich sein — somit wird das Unternehmen also auch hier zum Konkurrenten von Schweppes. In Deutschland wiederum hält die Krombacher Brauerei die Markenrechte an Schweppes.
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Text: Curia Europa – Schlussantrag des Generalanwalts
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