Die Berliner Universitätsmedizin Charité ist nicht nur berühmt, sondern auch als EU Wort- und Bildmarke von der Charité geschützt. Im Markenstreit um Unionswortmarke Charantea für identische Waren verlor heute die Charité vor dem EuG.
Als im Mai 2016 die Klägerin, die Dalasa Handelsgesellschaft mbH, den Begriff Charantea als Unionswortmarke anmeldete, legte die berühmte Berliner Charité Widerspruch gegen die Markenanmeldung ein. Die Charité – genauer gesagt die Charité Universitätsmedizin Berlin, Gliedkörperschaft Öffentlichen Rechts– machte die eigene Unionsbildmarke Charité geltend, die seit August 2011 als Unionsmarke geschützt war. Beide Streitmarken waren in der Nizza-Klasse 5 eingetragen, Charantea für die Waren „Diätetische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel“, Charité für „diätische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“.

Die Beschwerdekammer erkannte den Widerspruch der Charité an und sah Verwechslungsgefahr (gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) zwischen den beiden Marken. Gegen diese Entscheidung klagte Dalasa vor dem Europäischen Gericht, das heute in diesem Fall urteilte.
Sprachendurcheinander in der EU
Die Beschwerdekammer hatte sich bei der Begründung ihrer Entscheidung auf den deutschsprachigen Teil der Union bezogen. Die Klägerin wiederum wollte ihre Waren über eine Webseite in den Verkehr bringen. Die Waren wurden auf der Webseite sowohl in deutscher als auch in italienischer Sprache angeboten. Daher hätte die Beschwerdekammer auch auf das italienischsprachige Publikum in der Union abstellen müssen, machte die Klägerin geltend.
Das Gericht wies diesen Einwand zurück. Die Beschwerdekammer durfte sich darauf beschränken, nur die Wahrnehmung des deutschsprachigen Publikums zu berücksichtigen, urteilte der EuG. Denn eine Unionsmarke ist bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ein relatives Eintragungshindernis im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 in einem Teil der Union vorliegt.
Zu beachten ist der Unterschied zwischen dem Nachweis einer Verwechslungsgefahr, die nur in einem Teil der Union nachgewiesen werden muss, im Gegensatz zu dem Nachweis der Unterscheidungskraft durch Benutzung einer Marke, die für die gesamte Union zu erbringen ist, wenn die Benutzung einer Gemeinschaftsmarke mit einheitlicher Wirkung für die Union nachzuweisen ist.
Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen
Auch die Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen waren Streitthemen vor Gericht. Denn eine Verwechslungsgefahr im Sinne der EU-Verordnung (Art. 8 Abs. 1 Buchst. b) setzt eine entsprechende Ähnlichkeit voraus sowohl zwischen den gegenüberstehenden Marken wie auch den gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen – und zwar kumulativ. Die Klägerin machte entsprechend geltend, bei den „Nahrungsergänzungsmitteln“ und den „diätetischen Präparaten“ in Klasse 5 handle es sich nicht um identische Waren.
Das Gericht wies dies zurück. Waren und Dienstleistungen können nicht deshalb als ähnlich angesehen werden, weil sie in derselben Klasse der Klassifikation von Nizza geführt werden, und sie können nicht deshalb als unterschiedlich angesehen werden, weil sie in unterschiedlichen Klassen der Nizza-Klassifikation zu finden sind, präzisierte das Gericht.
Zudem können Waren als identisch angesehen werden, wenn die Waren, auf die sich die Markenanmeldung bezieht, in einer von der älteren Marke erfassten allgemeineren Kategorie enthalten sind. Und dies sei genau der Fall in der vorliegenden Situation, erläuterte der EuG: die von der Streitmarke erfassten Waren gehörten zu einer Kategorie, die weit gefasst sei und Waren für medizinische Zwecke einschließe.
Diese Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass bei Ähnlichkeitsrecherchen Vorsicht geboten ist. Eine Recherche nur auf die eigene Klasse zu beschränken ist gerade im Bereich Healthcare & Lifescienses riskant, also bei Marken für Arzneimittel, Medizinprodukte, Lebensmittel und Kosmetika.
Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Marken
Zur Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken werden stets die bildlichen, klanglichen und begrifflichen Aspekte geprüft, so auch heute vor dem EuG. Entscheidend ist am Ende jedoch der Gesamteindruck der betroffenen Marken. Dies betonte heute auch nochmals das Gericht.
Wort- und Bildmarke versus Wortmarke
Kommt es zudem zu einem Vergleich einer Wortmarke wie Charantea mit einer Wort- und Bildmarke wie Charité, spielt auch die Dominanz der Bild- und Wortelemente in der Bildmarke eine wichtige Rolle. Die Rechtsprechung gewichtet dabei regelmäßig den Wortbestandteil höher als den Bildbestandteil, da Verbraucher über die Marke nur mit dem Wortanteil sprechen würden.
Schriftbild
Und die Ähnlichkeit im schriftbildlichen Sinn sei gering, urteilte der EuG und entschied damit anders als die Beschwerdekammer. Nach der allgemeinen Rechtsprechung müssen zwei Marken nicht allein deshalb ähnlich sein, weil sie eine Buchstabenfolge gemeinsam haben, erläuterte das Gericht. Die Stilisierung der älteren Marke, das Vorhandensein der beiden zusätzlichen Buchstaben der Streitmarke und die unterschiedlichen Längen beider Marken seien deutliche Unterschiede.
Phonetisch
Auch klanglich hatte die Beschwerdekammer eine große Ähnlichkeit zwischen den beiden Marken erkannt, vor allem, weil beide Begriffe mit „Char…“ beginnen. Doch das Gericht wies dieses Argument ebenfalls zurück. Die Buchstabenfolge „char“ könne von den Verbrauchern entweder wie „kar“ oder „tscha“ ausgesprochen werden, führte der EuG aus. Zudem bestehe Charité aus drei Silben, Charantea dagegen aus vier Silben. Es gebe daher eine sehr klare klangliche Unterscheidung der beiden einander gegenüberstehenden Marken, urteilte das Gericht entgegen der Beschwerdekammer, und daher keine oder eine geringe klangliche Ähnlichkeit.
Visuell
Auch in dem Kreissegment am Anfang der Bildmarke Charité – ein großes C oder ein umschließender Halbkreis – sah der EuG einen nicht zu vernachlässigenden Bestandteil der älteren Marke und damit eine Unterscheidung zur Streitmarke, allerdings mit schwacher Kennzeichnungskraft aufgrund der einfachen geometrischen Form.
Konzeptionell
Da zudem der Begriff „Charantea“ im Deutschen keine Bedeutung habe, jedoch der Begriff Charité laut Duden „Krankenhaus, Pflegeanstalt“ bedeute, allerdings als veralteter Begriff, liege auch keine konzeptionelle oder begriffliche Ähnlichkeit der Marken vor, erklärte das Gericht.
Keine Verwechslungsgefahr – trotz identischer Waren
In der Gesamtbetrachtung bestehe daher nur geringe Ähnlichkeit im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, führte der EuG aus und hob die Entscheidung der Beschwerdekammer auf. Gerade die besondere Aufmerksamkeit von Verbrauchern gegenüber Gesundheitsprodukten schließe eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken aus, obwohl die betreffenden Waren identisch sind.
Das Gericht betonte aber auch, dass das heutige Urteil nicht zu der Zurückweisung des Widerspruchs der Charité führt, wie die Klägerin beantragt hatte.
Ob eine infolge intensiver Benutzung für die Dienstleistungen der Klassen 41, 42 und 44 erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke Ausstrahlungswirkung auf die „diätischen Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ der Klasse 5 hat, wie von der Charité vor der Beschwerdekammer geltend gemacht worden war (was aber nicht berücksichtigt wurde, da die Beschwerdekammer eine Verwechslungsgefahr erkannte), sei nicht vom EuG, sondern von der Beschwerdekammer zu entscheiden.
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Quellen:
Urteil des EuG Charité vs. Charantea, EU:T:2020:43
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