Der Verjährungsbeginn für Ansprüche zur Vergütung und zur Auskunft wird ausgelöst, wenn der Diensterfinder Kenntnis hat von seinem Anspruch oder die Erkenntnis grob fahrlässig versäumt hat. Was bedeutet das denn ganz konkret?
Verjährungsbeginn für Ansprüche zur Vergütung und Auskunft
In der Praxis wird die eigentlich klare gesetzliche Regelung zum Verjährungsbeginn etwas schwammig. Die Verjährung der Ansprüche auf eine Vergütung der Diensterfindung beträgt 3 Jahre nach BGB – und dies gilt auch für alle Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (§§ 195, 199 BGB). So weit, so klar.
Wodurch aber der Verjährungsbeginn konkret ausgelöst wird, wann also Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Diensterfinders vorliegt, ist im Alltag der Unternehmen und der Praxis weniger klar.
Verjährungsbeginn in nach Gesetzauslegung
So gilt Bezug auf die „Kenntnis“ nach Gesetz, dass der Arbeitnehmererfinder Kenntnis von den „anspruchsbegründenen Umständen“ haben soll; in der Regel bedeutet das, dass die erfindungsgemäße Lösung verwirklicht worden und / oder im Unternehmen Inanspruchgenommen wurde. Wann das wiederum konkret als erfüllt zu sehen ist, beschäftigt immer wieder die Gerichte.
Kniffliger sogar ist die Gesetzauslegung in Bezug auf den Sachverhalt, dass Erkenntnis vom Diensterfinder grob fahrlässig versäumt wurde. Allgemein wird darunter verstanden, dass sich dem Diensterfinder schon ein gewisser Verdacht der Schädigung aufgedrängt hätte haben müssen.
Verjährungsbeginn in der Praxis
Doch ist ein solcher Verdacht selbstverständlich, wenn ein Arbeitgeber für sich entscheidet, nicht mehr benutzte Schutzrechte aufrechtzuerhalten? Und Jahre später zeigt sich, dass der Arbeitgeber entgegen seiner Behauptung, er nutze die Erfindung nicht mehr, sie dennoch weiter eingesetzt hat.
Hätte der Diensterfinder einen Verdacht gegen den Arbeitgeber haben müssen? Liegt hier der Sachverhalt vor, dass Erkenntnis vom Diensterfinder grob fahrlässig versäumt wurde?
Das OLG Frankfurt hat in einem solchen Sachverhalt eine Entscheidung getroffen und diese auch als Leitsatzentscheidung formuliert (OLG Frankfurt, „Polymerlackzusammensetzung“, 6 U 102/19, vom Oktober 2020).
Leitsatzentscheidung Polymerlackzusammensetzung
Der Kläger war als Chemiker angestellt und hatte eine Polymerlackzusammensetzung vor allem für Innenverkleidungen als Diensterfindung im Januar 2004 ordnungsgemäß gemeldet. Diese wurde vom Arbeitgeber auch unbeschränkt in Anspruch genommen und im April 2004 zum Patent angemeldet. Doch nur wenige Jahre später – im Jahr 2007 – teilte ihm der Arbeitgeber mit, die Erfindung werde wegen einer Produktionsumstellung nicht mehr genutzt. Beide Parteien schlossen eine abschließende Vergütungsvereinbarung, die eine einmalige Zahlung für den bisherigen Nutzungszeitraum umfasste. Zudem wurde darin festgehalten, dass im Fall einer weiteren Nutzung der Erfindung ein gesonderter Anspruch auf Vergütung bestehe.
Wiederum Jahre später, im August 2015, übertrug der Arbeitgeber das erteilte Patent an den Arbeitnehmererfinder gemäß § 16 ArbEG und unter Vorbehalt eines einfachen Nutzungsrechts.
Doch Moment mal, wieso wird ein einfaches Nutzungsrecht gewünscht, wenn doch die Nutzung angeblich schon 2007 eingestellt wurde? Der Diensterfinder wurde aufmerksam und forderte nun Auskunft und Rechnungslegung (wörtlich „Auskunft zu erteilen über die sonstige wirtschaftliche Verwertbarkeit im Unternehmen“); im Anschluss erhob er dann eine Stufenklage.
Stufenklage erhoben – vom LG Frankfurt abgelehnt
Diese Klage wurde zunächst vom Landgericht Frankfurt abgewiesen. Der Klageantrag sei zu unbestimmt formuliert, außerdem seien manche Auskünfte vorgerichtlich erfüllt worden und im Übrigen verjährt.
Das erstinstanzliche LG Frankfurt argumentierte, dass die bis einschließlich 2011 entstandenen Ansprüche des Erfinders verjährt seien, weil er den Arbeitgeber ja erst im November 2015 zur Festsetzung einer weiteren Vergütung aufgefordert hatte. Ihn treffe daher der Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Erkenntnis grob fahrlässig versäumt
Für einen solchen Sachverhalt gilt, dass sich ein Erfinder einer fahrlässigen Unkenntnis nur dann schuldig macht, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Vergütungsanspruchs für ihn ersichtlich waren und sich ihm ein Verdacht der Schädigung aufdrängte.
Was das vorliegend der Fall? Das anschließend in der Berufung angerufene Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) bejahte dies und begründete die Entscheidung vor allem damit, weil das Patent erst 2015 zur Übernahme angeboten wurde. Dies drückte das Gericht in seiner Leitsatzentscheidung wörtlich aus so aus, dass durch die Aufrechterhaltung des Patents zur nicht mehr genutzten Erfindung „Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine weitere Nutzung der Erfindung erfolgen könnte“.
Das Patent bestand ja offensichtlich weiter, denn ein Arbeitgeber ist nach ArbEG dazu verpflichtet, die Aufgabe eines Patents dem Erfinder mitzuteilen und ihm das Patent dann auch zur Übernahme freizugeben. Dies war nicht geschehen. Solange das Patent also offensichtlich aufrechterhalten wurde, hätte der Diensterfinder sich zumindest beim Arbeitgeber erkundigen müssen, ob eine weitere Nutzung stattfindet, entschied das OLG Frankfurt.
Fazit
Doch ob sich so ein klares „Ja“ in der allgemeinen Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn festsetzen wird, bleibt abzuwarten. Denn es existiert ja keine Pflicht oder Regel, nach der nicht mehr benutzte Schutzrechte fallengelassen werden müssen. Es gehört vielmehr zu der strategischen wirtschaftlichen Entscheidung eines Arbeitgebers, ob und wann er einen Patentschutz aufgibt. Erst dann hat er die Pflicht gemäß ArbEG, dem Erfinder die Aufgabeabsicht mitzuteilen und das Patent gegebenenfalls zur Übergabe freizugeben.
Das Urteil des OLG legt jedoch fest, dass ein Diensterfinder misstrauisch sein und in Bezug auf die weitere Nutzung nachfragen muss, wenn ein Arbeitgeber für sich entscheidet, nicht mehr benutzte Schutzrechte aufrechtzuerhalten. Vorerst ist das nun die rechtliche Vorgabe.
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Quellen:
Leitsatzentscheidung Polymerlackzusammensetzung, OLG Frankfurt, 6 U 102/19
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