Verzwickter Fall: Was passiert, wenn der Arbeitnehmer seine Diensterfindung korrekt gemeldet hat (Erfindungsmeldung), der Arbeitgeber die Erfindung patentiert, sie aber „offiziell“ nicht in Anspruch nimmt? War die Patentanmeldung des Arbeitgebers dann rechtens oder hätte die Erfindung frei werden müssen und der Arbeitnehmer die Anmeldung des Patents verwirklichen können? Ein Rechtskommentar von unserer Rechtsanwältin Frau Angelika Hempel:
Worum geht es in diesem Urteil?
Der Kläger ist Diplomchemiker. Von 2005-2011 war er als Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt leitete er die Forschungs- und Entwicklungsabteilung für technische Folienverpackungsfolien. Während seiner Tätigkeit für die Beklagte meldete er mehrere Diensterfindungen an. Über die wirksame Inanspruchnahme dieser Diensterfindungen durch Beklagte geriet der Kläger mit Ersterer in Streit, so dass hier gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen wurde. Im hier zu Grunde liegenden Urteil verfolgte der Kläger nur noch Ansprüche wegen einer Lichtschutzfolie betreffend eine Erfindung mit der internen Bezeichnung HUH0003.
Hier lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Am 06.02.2008 versandte der Kläger an diverse Kollegen eine E-Mail mit dem Betreff „Erfindungsmeldung Lichtschutzfolie“.
In seiner E-Mail teilt er mit, dass er nach § 5 Arbeitnehmererfindergesetz eine Diensterfindung anmelde, da sie ihm patentfähig erschiene. Der Kläger hatte nicht nur die Mail mit „Erfindungsmeldung“ überschrieben, sondern auch ein entsprechendes Dokument beigefügt, dass auf einem von der Beklagten im firmeninternen Intranet vorgehaltenen Formular beruhte und nähere Angaben über das Zustandekommen, die Aufgabe und den Gegenstand der Erfindung enthielt. Die Beklagte ließ anschließend auf dieser Grundlage eine Patentanmeldung (10 2008 062 407.1 vom 17.12.2008) erstellen, die am 09.01.2009 beim Deutschen Patent-und Markenamt eingereicht wurde.
Die Erfindung betraf einen transparente, UV-Strahlung absorbierende Folie und deren Verwendung als äußere Schlauchfolie für Kanalrohrsanierungssysteme. Die Beklagte benannte auch den Kläger als Erfinder.
Im Nachgang verlangte die Beklagte von dem Kläger dann eine inhaltsgleiche, mit seiner eigenhändigen Unterschrift versehene Fassung der Erfindungsmeldung, welche dieser am vom 20.02.2009 bei der Beklagten einreichte. Mit Schreiben vom 20. Mai 2009 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger dann, dass sie die Erfindung unbeschränkt in Anspruch nehme. Am 26.05.2009 reichte der Kläger eine weitere unterschriebene Erfindungsmeldung ein, die eine Schlauchinnenfolie für Kanalrohrsanierungen betrifft. Der Kläger benannte in dieser Meldung sich selbst als Erfinder mit einem Anteil von 75 % und 2 weitere Mitarbeiter mit Anteil von 20 % bzw. 5 %. Mit Schreiben vom gleichen Tag erklärte die Beklagte, dass sie diese Erfindung ebenfalls unbeschränkt in Anspruch nehme.
Mit Datum vom 18.09.2009 reichte die Beklagte dann beim Deutschen Patent und Markenamt eine zweite Patentanmeldung (10 2009 041 841) ein. Ferner nahm sie die Priorität der Anmeldung vom 17.12.2008 in Anspruch. Die neue Patentanmeldung enthielt neben den 28 Ansprüchen der 1. Anmeldung 2 zusätzliche Ansprüche, mit den Schutz für ein Kanalrohrsanierungssystem aus 2 Schlauchfolie und einem dazwischen angeordneten, durch UV-Strahlung aushärtbaren Trägermaterial begehrt wurde. Im Dezember 2009 reichte die Beklagte dann unter Inanspruchnahme der Priorität der beiden früheren Anmeldung (siehe oben) eine internationale Patentanmeldung (WO 2010/075941) ein. Diese Patentanmeldung betraf ein Kanalrohrsanierungssystem und die Verwendung einer UV-Strahlung absorbierenden äußeren Schutzfolie. Die internationale Anmeldung führte zur Erteilung eines europäischen Patentes, welches am 20.02.2013 veröffentlicht wurde.
Zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem der Kläger aus seinem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden war, reichte er vor dem Landgericht eine Klage auf u.a Übertragung der Rechte aus den oben genannten Patentanmeldungen ein. Das Landgericht wies zunächst in 1. Instanz die Klage ab. Auch die Berufung des Klägers blieb zunächst erfolglos. Der Kläger rief daraufhin den BGH an, soweit es um Ansprüche aus der ersten Erfindung und Patentanmeldung vom Dezember 2008 ging.
Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?
Der BGH hob das angefochtene Urteil im beantragten Umfang auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht. Er war der Ansicht, dass das Berufungsgericht wichtige Fragen nicht erörtert hatte und daher über diese nochmals zu entscheiden sei.
Das Berufungsgericht wiederum hatte seine Entscheidung auf Abweisung wie folgt begründet:
Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass die Beklagte die Erfindung wirksam in Anspruch genommen habe. Maßgeblich hierfür sei weder die E-Mail vom 20.02.2008 noch die Patentanmeldung vom 17.12.2008, sondern erst die unterschriebene Erfindungsmeldung vom 25. Februar 2009.
Das Gericht war weiter der Auffassung, dass zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die 4-monatige Frist nach altem Recht auch ohne formwirksame Erfindungsmeldung zu laufen beginnen könne, wenn der Arbeitgeber in hinreichend klarer Form dokumentiere, dass er über die ihm nach § 5 Arbeitnehmererfindergesetz zu vermittelnden Informationen verfüge. Wenn der Arbeitnehmer aber zunächst eine formunwirksame und später eine formwirksame Meldung einreicht, könne nach Ansicht des Berufungsgerichts eine Schutzrechtsanmeldung durch den Arbeitgeber aber nicht ohne weiteres die Frist nach altem Recht in Gang setzen.
Die bis zum 30.09.2009 geltende Gesetzesfassung sah für die Erfindermeldung, wie bereits erklärt, die Schriftform vor. Dies sollte eine klare, jederzeit nachweisbare Grundlage gewährleisten, auf welcher der Arbeitgeber über die Inanspruchnahme entscheiden kann und muss. Der BGH wiederum hatte in einer früheren Entscheidung aber auch schon entschieden, dass ein Verstoß gegen die Pflicht zur schriftlichen Erfindungsmeldung nur dann für den Arbeitnehmererfinder nachteilig sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen.
Die Patentanmeldung vom Dezember 2008 sei nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht ausreichend, weil die zu Grunde liegende Erfindungsmeldung durch die spätere Meldung vom Mai 20 Mai 2009 überholt gewesen sei. Zudem habe der Kläger mehrfach gegen allgemeine Anweisung zum Verfahren bei Erfindungsmeldungen verstoßen, er habe seine Angaben mehrfach revidiert und nachgebessert. Daher könne es der Beklagten nicht als treuwidrig angelastet werden wenn sie möglichst zuverlässige Angaben nach bestem Gewissen abgefasst versucht habe.
… diese Erwägung hat der BGH jedoch nicht als zutreffend angesehen
Das Berufungsgericht habe zwar im Grunde richtige entschieden, dass die in § 6 Abs. 2 S. 2 a.F. ArbErfG normierte Frist für die Inanspruchnahme der Diensterfindung nicht schon mit der Übersendung von Informationen per E-Mail am vom 20.02.2008 begonnen habe. Das Schriftformerfordernis in § 5 a. F. ArbErfG solle sicherstellen, dass der Arbeitgeber über Diensterfindung seiner Arbeitnehmer ausreichend Kenntnis über die maßgeblichen Umstände habe, dass er den Erfindungscharakter und die an der Erfindung beteiligten Personen kennen kann und dadurch in der Lage ist, sachgerecht über eine Inanspruchnahme oder Freigabe zu entscheiden.
Verstößt ein Arbeitnehmer gegen seine Pflicht zur schriftlichen Erfindungsmeldung ist dies aber nach Ansicht des BGH ohne Nachteil, wenn in einer vergleichbaren anderweitigen Form dokumentiert ist, dass der Arbeitgeber das Wissen und die Kenntnis hat, die ihm nach dieser Vorschrift vermittelt werden müssen und die ihn in die Lage versetzen, sowohl über die Inanspruchnahme als auch über eine Patentanmeldung zu entscheiden. Der BGH war daher der Auffassung, dass zwar nicht bereits die Erarbeitung einer Patentanmeldung, aber die Einreichung bei den zuständigen Behörden eine solche Grundlage bilden kann.
Da hier Inhalt der per E-Mail übermittelten Meldung vollständig mit dem übereinstimmt, was in der später eingereichten formgerechten Meldung genannt war und die Beklagte hier nicht nur eine Patentanmeldung erarbeiten sondern dieser auch einreichen konne, war mit eben dieser Einreichung ein mit der Schriftform vergleichbares Maß an Zuverlässigkeit erreicht.
Die Einreichung einer Patentanmeldung hat nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich die gleiche Wirkung wie eine formell und inhaltlich ordnungsgemäße Erfindungsmeldung. Einer späteren inhaltsgleichen Erfindungsmeldung kann kein Vorrang eingeräumt werden, mit der Folge dass die bereits laufende Frist für die Inanspruchnahme nachträglich von neuem beginnt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die „neue“ Frist im Zeitpunkt der formgerechten Anmeldung bereits abgelaufen ist.
In dieser Konstellation hat der Arbeitnehmer das Recht an der Erfindung nämlich bereits erworben. Wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nach diesem Zeitpunkt erneut die Möglichkeit der Inanspruchnahme einräumt, liegt darin eine Verfügung über diese Rechte. Eine solche Verfügung ist zwar grundsätzlich möglich und kann auch durch konkludentes Verhalten erfolgen, dass ein Beteiligter sich eines bereits erworbenen Rechtes aber wieder begeben will, bedarf besonderer Anhaltspunkte. Die wiederholte Abgabe einer Erfindungsmeldung reicht hierfür nicht aus. Es müssen vielmehr der Meldung oder dem sonstigen Verhalten des Arbeitnehmers konkrete Anhaltspunkte entnehmbar sein, dass er sich des (möglichen) Erwerbs der Rechte an Erfindung bereits bewusst ist und diese erneut zur Disposition des Arbeitgebers stellen will. Solche Anhaltspunkte lagen aber im hier zu Grunde liegenden Streitfall gerade nicht vor.
Auch wenn die hier mit der Patentanmeldung ausgelöste Frist im Zeitpunkt der formgerechten Erfindungsmeldung noch nicht abgelaufen war, gilt im Ergebnis nichts anderes. Ein Neubeginn dieser Frist führt in der vorliegenden Konstellation nicht zu einem Verlust einer bereits erworbene Rechtsposition, sondern allenfalls zu einer Verlängerung der im Gesetz vorgesehenen Schwebezeit, innerhalb der Arbeitgeber die Erfindung in Anspruch nehmen kann. Aber die Aussicht, nach Ablauf der Frist die unbeschränkten Rechte an der Erfindung zu erwerben stellt eine Position dar, deren Aufgabe eine rechtsgeschäftliche Zustimmung durch den eigentlich begünstigten Arbeitnehmer erfordert. Daher bedarf es auch in so einer Konstellation besonderer Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitnehmer bereits erlangte Rechtspositionen aufgeben will. Solche Anhaltspunkte waren für den vorliegenden Streitfall durch das Berufungsgericht aber gerade nicht festgestellt worden.
Für jede Diensterfindung muss eine eigene Erfindungsmeldung gemacht werden
Der BGH sah hier auch keinen Grund für andere abweichende Auffassung aufgrund der Tatsache, dass hier eine 2. Erfindungsmeldung abgegeben wurde, in der als Gegenstand auch die Patentanmeldung aus der ursprünglichen Meldung eingeflossen ist. Der BGH hatte insoweit bereits früher entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der eine bereits gemeldete Diensterfindung schöpferisch weiterentwickelt zu einer erneuten Erfindungsmeldung verpflichtet ist. Dies gelte unabhängig davon, ob die später entwickelte Lehre eine eigenständige Erfindung darstellt oder eine schöpferische Ergänzung zur bereits gemeldeten Erfindung ist. Dies ergibt sich daraus, dass es für jede Diensterfindung einer Meldung bedarf. Die Beklagte konnte hieraus jedoch nicht das Recht ableiten, den bereits freigewordenen Gegenstand der 1. Meldung über die 2. Meldung doch noch in Anspruch zu nehmen.
Wenn die Erfindung aus der 2. Meldung einer eigenständigen und separaten Schutzrechtsanmeldung zugänglich ist, kann der Arbeitnehmer diese Erfindung innerhalb der mit der 2. Meldung in Gang gesetzten Frist uneingeschränkt in Anspruch nehmen. Für ein erneutes Recht, auch die früher gemeldete bereits freigewordene Erfindung in Anspruch zu nehmen, bildet die 2. Meldung jedoch keine Grundlage.
Da jede Erfindung separat zu beurteilen ist, ist es auch unbedeutend, wenn die beiden Erfindung inhaltlich zusammenhängen und möglicherweise gemeinsam wirtschaftlich verwertet werden können.
Stellt die 2. Meldung lediglich eine schöpferische Weiterentwicklung der 1. Erfindung dar, die für die wirtschaftliche Verwertung der 1. Erfindung bedeutsam aber nicht selbständig schutzfähig ist, muss es dem Arbeitgeber zwar möglich sein, den Gegenstand der 2. Meldung insgesamt in Anspruch zu nehmen und Schutzrechte begründen zu können. Das darf aber nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer bereits erworbene Rechte an einer freigewordenen Erfindung wieder verliert. Der Arbeitgeber kann dann allenfalls durch die Inanspruchnahme nur eine Mitberechtigung in Höhe desjenigen Anteils erwirken, der dem Gegenstand der 2. Meldung an der Erfindung insgesamt zukommt.
Hier betrafen die beiden Meldungen Folien, von denen die 1. an der Außenseite und die 2. an der Innenseite des Kanalrohrsanierungssystems verwendet werden konnte. Ein technischer Zusammenhang dergestalt, dass beide Folien zwingend gemeinsam zum Einsatz kommen müssen, konnte das Gericht nicht feststellen. Das Gericht kam aber zum Schluss, dass der Gegenstand der beiden Meldung jeweils eine eigenständig zu beurteilende Erfindung betraf. Es ist auch unerheblich, dass die Beklagte hier im vorliegenden Fall beide Erfindung zum Gegenstand einer einheitlichen Patentanmeldung gemacht hat und diese verknüpft hat. Es mag zwar gute Gründe für eine solche Zusammenfassung geben, aber auch dies bildet keine ausreichende Grundlage, um dem Kläger bereits erworbene Rechte an der freigewordenen 1. Erfindung wieder zu entziehen.
Der BGH hat daher die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, u.a. mit der Maßgabe zu klären, ob der Beklagten ggf. eine Mitberechtigung in Bezug auf die 2. Anmeldung zusteht.
Warum ist diese Entscheidung so bedeutsam?
Wie bereits aus der obigen Zusammenfassung ersichtlich ist, wurde die hier streitgegenständliche Erfindung vor dem 30.09.2009 angemeldet und auch beim DPMA eingereicht. Nach altem Recht musste der Arbeitgeber innerhalb von 4 Monaten nch der Erfindermeldung schriftlich gegenüber seinem Arbeitnehmer die Freigabe erklären, tat er dies nicht oder zu spät, so wurde die Erfindung frei, d.h. die Rechte standen allein dem Arbeitnehmer als Erfinder zu.
Nach der Reform ist es genau umgekehrt. Jetzt muss der Arbeitgeber ausdrücklich die Freigabe erklären, tut er es nicht gilt die Erfindung als in Anspruch genommen.
Durch das hier besprochene Urteil hat der BGH nochmals klargestellt, dass spätestens mit Einreichung der Erfindung zum Patent und der Nennung des Arbeitnehmers als Erfinder die Erfindung als ordentlich gemeldet gilt. Ab diesem Zeitpunkt läuft also die Frist für den Arbeitgeber (nach altem Recht: Erklärung der Inanspruchnahme; nach neuem Recht: Ausdrückliche Freigabe).
Äußert sich der Arbeitgeber nicht, so hat es nach neuem Recht für die Inanspruchnahme keine Auswirkung, sehr wohl kann es aber nachteilig sein für Fälle nach altem Recht, also alle Meldungen, die vor dem 30.09.2009 gemacht wurden. Da ein Patent maximal 20 Jahre Schutz genießt, können hier noch bis 2029 entsprechende Fälle auftreten.
Arbeitnehmer tun gut daran, ihre Unterlagen zu prüfen, ob ihr Arbeitgeber die in Inanspruchnahme richtig erklärt hat. Hat er dies nicht, stehen dem Arbeitnehmer nicht die Rechte an der Erfindung zu, sondern auch mögliche Ansprüche auf Schadenersatz wegen widerrechtlicher Entnahme.
Arbeitgeber sollte ihr Portfolio überprüfen und versuchen, in kritischen Fällen mit ihren Arbeitnehmern Vereinbarungen zu treffen. Zwingen kann man seine Arbeitnehmer aber nicht, wie die Entscheidung hier zeigt.
Quellen:
Text: BGH Urteil v. 14.02.2017, AZ. X ZR 6415 – „Lichtschutzfolie“
Bild: #Skeeze, Pixabay.com, CC0 License / Informationsbroschüre „Der Bundesgerichtshof“ / Fotolia.com , User „vetalgard“ / Clker-Free-Vector-Images , Pixabay.com, CC0 License