Fällt ein Geschäftsführer überhaupt unter Regelungen für Diensterfindungen? Wer ist in dem Fall überhaupt „Erfinder? Und wer ist Mitberechtigter an einer Erfindung? Ein komplexes Urteil ‚Stapelbox‘ über eine Vindikationsklage um die Diensterfindung des Ex Geschäftsführers.
OLG Düsseldorf: der Fall ‚Stapelbox‘
Die Klägerin handelt mit Werkzeugen aller Art. In dem vorliegenden komplexen Fall um eine Vindikationsklage im Rahmen einer Diensterfindung wurde von der Klägerin die Übertragung und Umschreibung gefordert eines Gebrauchsmusters der streitgegenständlichen Erfindung (eine Stapelbox, Gebrauchsmuster DE 20 2014 009 XXX U1) vom beklagten Ex Geschäftsführer auf die Klägerin. Der Beklagte war von 2007 bis zum 30. Juni 2014 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin.
Der Beklagte sei wegen des damaligen Geschäftsführervertrages zur Meldung der Erfindung entsprechend dem ArbEG verpflichtet gewesen und habe durch Stellung der Aufgabe am Zustandekommen der Erfindung mitgewirkt, argumentierte sie. Durch den Geschäftsführervertrag war vereinbart worden, dass Ansprüche aus der Arbeitnehmervergütung nach dem Arbeitnehmererfindergesetz abgegolten werden, die Verwertung von technischen oder organisatorischen Verbesserungsvorschlägen aber ohne eine Vergütung bereits abgegolten wäre.
Die Streitparteien waren sich einig, dass alle Vergütungsansprüche gemäß Arbeitnehmererfindergesetz abgegolten bzw. mit Gegensprüchen der Klägerin gegen den beklagten ehemaligen Geschäftsführer verrechnet worden waren. Uneinig waren sie sich aber über die Frage, wem das Recht an der streitgegenständlichen Erfindung zusteht.
Die Klägerin behauptet, als Geschäftsführer sei der Beklagte in der Pflicht gewesen, die Rechte auf den Namen der Klägerin anzumelden, wie er es auch während seiner Geschäftstätigkeit stets getan hatte. Als Erfinder nannte der Beklagte immer sich selbst. Das streitgegenständliche Gebrauchsmuster allerdings wurde nicht auf den Namen der Klägerin, sondern auf den des Beklagten angemeldet und eingetragen.
Der Beklagte behauptete, die streitgegenständliche Erfindung sei erst nach Abschluss des Auseinandersetzungsvertrages mit der Klägerin entstanden; die Geschäftsführertätigkeit des Beklagten endete zum 30. Juni 2014. Und die Anmeldung des Vindikationsgebrauchsmusters erfolgte am 17.12.2014, eingetragen am 26.03.2015. Allerdings gab es im September und Oktober 2013 einen E-Mail Austausch des Beklagten mit einer der Zulieferfirmen, in dem die streitgegenständliche Werkzeugbox bereits gezeigt wurde.
Die Erfindung sei gemeinsam mit der C.-Corp. realisiert worden, eine taiwanesische Gesellschaft, mit der langjährig zusammengearbeitet wurde, indem die Klägerin dem Unternehmen Aufgaben zur Entwicklung neuartiger Produkte, z.B. von Werkzeugboxen, mit technischen Vorgaben stellte und es daraufhin Vorschläge zur Lösung der Aufgaben erarbeitete und der Klägerin vorstellte. Er selbst habe die Erfindung in Bezug auf die Unteransprüche 6 und 7 weiterentwickelt, gab der Beklagte in Bezug auf die streitgegenständliche Erfindung an, diesbezüglich sah er sich als Erfinder.
Erstinstanz ‚Stapelbox‘: Widerrechtliche Entnahme der Erfindung?
Das erstinstanzliche Landgericht Düsseldorf hatte die Vindikationsklage zurückgewiesen (4b O 108/15 – Stapelbox). U. a. sah es eine widerrechtliche Entnahme der Erfindung durch den E-Mail Austausch des Beklagten im Herbst 2013 nicht als erwiesen an. Eine widerrechtliche Entnahme sei dann zu bejahen, erklärte das Landgericht Düsseldorf, wenn der wesentliche Inhalt des eingetragenen Gebrauchsmusters den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen ohne dessen Einwilligung entnommen wurde, gemäß § 13 Abs. 2 GebrMG. Es genügt dafür, wenn der Vindikationskläger seinen Erfindungsbesitz darlegt und beweist, dass ihm dieser widerrechtlich entnommen wurde (siehe Loth, GebrMG, 2. A., 2017, § 13 Rn. 158). Doch die Klägerin hatte nach Ansicht des LG nicht ihren Erfindungsbesitz nachweisen können, also nachweisliche Kenntnisse über die fertige Erfindung.
Zusammenfassend stellte das Landgericht fest, dass keine Erfinderstellung des Beklagten in Ansehung des Vindikationsgebrauchsmusters vor dem 04.09.2014 geschlossen werden kann, die zu einer Diensterfindung zugunsten der Klägerin führen würde. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein vor dem OLG Düsseldorf.
Ein komplexer Fall aus dem Arbeitnehmererfindungsgesetz mit folgenden Aspekten: Fällt ein Geschäftsführer überhaupt unter Regelungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes für Diensterfindungen? Wer ist überhaupt „Erfinder“ in dem vorliegenden Fall? Und wer kann Mitberechtigter an einer Erfindung sein und wann?
Gelten für Geschäftsführer Regelungen einer Diensterfindung?
Tatsächlich ist ein Geschäftsführer kein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmererfindergesetzes, erklärte das OLG Düsseldorf im Einklang mit der Rechtsprechung. Allerdings gestattet es der privatrechtliche Grundsatz der Vertragsfreiheit (Art. 2 GG, § 311 Abs. 1 BGB), die Anwendbarkeit des Arbeitnehmererfindungsgesetzes ausdrücklich oder stillschweigend zu vereinbaren, entschied das OLG Düsseldorf und verwies auf die BGH Entscheidung „Schellenreibungskupplung“ von 1965 sowie auf Bartenbach/Volz (a.a.O., § 1 Rz. 93). Eine solche Vereinbarung hatte im Rahmen des Geschäftsführervertrags vorgelegen, daher gelten die Erfindungen, die der Beklagte als Geschäftsführer (also bis 30. Juni 2014) machte, als Diensterfindungen.
Wird eine Erfindung – wie im vorliegenden Fall – in zeitlicher Nähe zum Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus den Diensten des Arbeitgebers zum Patent oder Gebrauchsmuster angemeldet, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Erfindung noch auf die Zeit des Arbeitsverhältnisses zurückgeht, ergänzte das OLG Düsseldorf. Die streitgegenständliche Erfindung ist daher als Diensterfindung zu sehen.
Wer ist „Erfinder“ im Fall ‚Stapelbox‘?
Der Beklagte als damaliger Geschäftsführer der Klägerin hatte die C.-Corp. Firma beauftragt, eine bestimmte Bitbox zu entwickeln. Machte das ihn oder die Klägerin zu Erfindern? Nicht in Hinsicht auf die Schutzansprüche 1 bis 5 der betreffenden Erfindung, in dieser Hinsicht gehe die Erfindung auf die C.-Corp. zurück, entschied das OLG Düsseldorf.
Das Gericht erläuterte die Rechtsprechung, demnach ein solcher schöpferischer Beitrag zwar nicht als solches erfinderisch zu sein braucht. Es kommt aber darauf an, ob der Einzelbeitrag die erfinderische Gesamtleistung mitbeeinflusst hat, also nicht unwesentlich in Bezug auf die Lösung ist.
Das sei nicht der Fall für die Schutzansprüche 1 bis 5, sehr wohl aber für den Unteranspruch 6, entschied das OLG Düsseldorf. Die darin enthaltende technische Lehre sei weder als reiner Hinweis auf eine technische Zwangsläufigkeit zu sehen, noch als technische Zwangsläufigkeit für einen Durchschnittsfachmann, entschied das OLG Düsseldorf, auch sei dies nicht durch den Stand der Technik vorab offenbart worden.
Das Gericht stellte daher fest, dass es sich bei dem den Gegenstand der Unteransprüche 6 und 7 bildenden schöpferischen Beitrag des Beklagten trotz Beendigung seiner Geschäftsführerstellung zum 30. Juni 2014 um eine, auf die Zeit der Tätigkeit des Beklagten bei der Klägerin zurückgehende Diensterfindung handelt.
Zwar könne die Klägerin damit von dem Beklagten nicht die Vollübertragung des Vindikationsgebrauchsmusters verlangen, entschied das OLG. Ihr stehe aber im Hinblick auf die Unteransprüche 6 und 7 zumindest aus § 13 Abs. 3 GebrMG i.V.m. § 8 S. 1 und 2 PatG ein Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung zu.
Mitberechtigung an einer Erfindung
Das Gericht ist grundsätzlich nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, einen Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung zu prüfen, wenn sich die in erster Linie begehrte Vollrechtsübertragung als zu weitgehend erweist, erklärte das OLG Düsseldorf mit Verweis auf BGH Rechtsprechung (BGH, GRUR 2006, 747 – Schneidbrennerstromdüse). Ein Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung an einem Patent oder Gebrauchsmuster stelle demnach ein bloß wesensgleiches Minus zum Anspruch des Miterfinders auf Übertragung des Vollrechts dar.
Kommt der Arbeitnehmer jedoch dem Übertragungsverlangen nicht freiwillig nach, obliege es dem Arbeitgeber, die erforderliche Rechtsübertragung des Schutzrechts im Wege einer Vindikationsklage durchzusetzen – und zwar unabhängig davon, ob die Erfindung durch den Arbeitgeber bereits in Anspruch genommen wurde.
Teilweise Änderung des erstinstanzlichen Urteils
Das alles fand das OLG Düsseldorf vorliegend und änderte die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf teilweise ab (2 U 29/17). Der Beklagte wurde verurteilt, der Klägerin an dem deutschen Gebrauchsmuster „Stapelbox“ eine Mitberechtigung einzuräumen und in die Eintragung der Klägerin als Mitinhaberin in das Register beim Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen. Im Übrigen wurde die Vindikationsklage abgewiesen. Eine Berechtigung der Klägerin an der durch die Schutzansprüche 1 bis 5 des Vindikationsgebrauchsmusters geschützten Erfindung (§ 8 PatG i.V.m. § 13 Abs. 3 PatG) war nach Ansicht des Gerichts aber nicht festzustellen.
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