Ein Patent auf ein Robotergesteuertes Fertigungsstraßensystem wurde nach erfolgreicher Beschwerde vom BPatG gewährt. Die Patentanmeldung war zunächst vom DPMA zurückgewiesen worden, weil der Hauptanspruch als dem Fachmann nahegelegen galt.
Patentanmeldung auf Robotergesteuertes Fertigungsstraßensystem
Das im Mittelpunkt stehende Patent 10 2005 051 094.9 mit der Bezeichnung „Fertigungsstraßensystem für Roboterarm-Arbeitsstationen“ war mit Beschluss vom 22. März 2019 vom DPMA zur Schutzeintragung auf den Patenthauptanspruch abgelehnt worden. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 habe dem Fachmann nahegelegen, begründete das DPMA diese Entscheidung. Gegen diesen Beschluss legte der Patentinhaber, die Denso Wave Inc. (Japan), Beschwerde ein.
Mit seinem jetzigen Urteil 11 W (pat) 17/19 gab das Bundespatentgericht der Beschwerde statt. Entscheidend für das Urteil sind die vor der Patentanmeldung veröffentlichten Druckschriften D1 bis D6, die sich alle ebenfalls mit einem Robotergesteuertes Fertigungsstraßensystem beschäftigen.
Robotergesteuertes Fertigungsstraßensystem
Die im Streitfall stehende Patentanmeldung aus Japan betrifft ein robotergesteuertes Fertigungsstraßensystem, bei dem eine spezifizierte Arbeit an jedem Material oder einem Produktelement durchgeführt wird, welches auf einem Fördersystem transportiert wird. Die zu lösende Aufgabe der zugrunde liegenden Erfindung sei gemäß Patentbeschreibung, ein Fertigungsstraßensystem für Roboterarm- Arbeitsstationen zu schaffen, welches den Aufbau einer Kommunikation mit Datenträgern entsprechend einem ausreichenden Zeitintervall für Datenlese-/schreib-Operationen ermöglicht. Die Datenträger sind laut Patentbeschreibung direkt am Werkstück angeordnet, zudem sieht die Erfindung Lese/Schreibvorrichtungen an den Roboterarmen sowie eine Schritt- und Spurhaltesteuerung vor.
Die Druckschriften D1 bis D6 beschreiben ebenfalls ein Fertigungsstraßensystem mit Roboterarmen, daher setzte sich das Bundespatentgericht (BPatG) insbesondere mit der Positionierung der Datenträger in den Druckschriften auseinander sowie – soweit vorhanden in den Druckschriften – mit der Schritt- und Spurhaltesteuerung.
Das Gericht sah bei allen Druckschriften entscheidende Unterschiede zu den Patentansprüchen der im Streitfall stehende Patentanmeldung. Druckschrift D1 betreffe kein Fertigungsstraßensystem mit einem ein Werkstück tragenden Fördersystem, sondern einen Roboter zum Greifen eines stationären Bauteils, erläuterte das BPatG. Die Druckschriften 2 und 3 beschreiben zwar ein Fertigungsstraßensystem, verfügten jedoch weder über Datenträger an den Werkstücken oder Lese/Schreibvorrichtungen an den Roboterarmen noch über eine Schritt- und Spurhaltesteuerung. Auch Druckschrift D6 beschreibt Fertigungsstraßensystem mit Roboterarmen, die Werkstücke hier sind jedoch für ein Fördersystem auf Paletten angeordnet; auch die Datenträger sind an den Paletten, nicht aber an den Werkstücken, positioniert.
Länger befasste sich das BPatG mit der Druckschrift D5, die eine deutschsprachige Version ist von D4 mit einer U.S. Erfindung für ein Fertigungsstraßensystem mit einem Fördersystem für Werkstücke. Die Lehre der Druckschrift D5 umfasse zwar, dass vom Zeitpunkt der Positionsbestimmung des Stückguts bis zum Starten der Anfahrbewegung der Berechnungsalgorithmus rein rechnerisch dem Stückgut folgt oder mit dem Stückgut schritthält, abhängig von der Ausgangsposition des Roboterarms. Insbesondere eine Zeitspanne, in der das Greifelement nach Erreichen des Stückguts diesem in Geschwindigkeit und Richtung folgt, ist jedoch nicht beschrieben, führte das BPatG aus. Dies könne nicht auf das anspruchsgemäße Schritt- oder Spurhalten des Roboterarms mit gleicher Geschwindigkeit und Richtung wie das Werkstück für eine bestimmte Zeitspanne gelesen werden, urteilte das BPatG.
Daraus folge, dass die Gegenstände gemäß den unabhängigen Patentansprüchen der Fassung des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, entschied das Gericht gemäß §§ 1, 4 PatG. Keine der Druckschriften D1 bis D6 lehre, eine Schritt- und Spurhaltesteuerung auszubilden, also erfülle die Erfindung auch das Gebot der Neuheit.
Nahegelegen für den Fachmann? BPatG verneint
Hatte die Erfindung auf ein auf Robotergesteuertes Fertigungsstraßensystem dennoch nahegelegen für den Fachmann, wie das DPMA entschieden hatte? Das Gericht verneinte. Die Patentansprüche 6 und 9 seien gegenüber dem Patentanspruch 1 breiter gefasst, da hier insbesondere die Art der auszutauschenden Daten undefiniert bleibt. Ein Fachmann wäre ebenso wenig angeregt zum Betreiben eines Fertigungsstraßensystems nach Patentanspruch 9 bezüglich einer entsprechenden Schritt- und Spurhaltefunktion.
Die Gesamtbetrachtung des Standes der Technik ergebe somit, dass die mit den unabhängigen Patentansprüchen nach Hauptantrag vorgeschlagenen Lösungen nicht nahelagen, urteilte das BPatG und hob den Beschluss der Prüfungsstelle für die Klasse B25J des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. März 2019 auf. Die Patentansprüche 1 bis 15 gemäß Hauptantrag der Patentanmeldung „Fertigungsstraßensystem für Roboterarm-Arbeitsstationen“ aus dem Schriftsatz vom 16. Oktober 2015 wurden zum Schutzeintrag gewährt.
Fazit
Mit einem Update von 2018 – wir berichteten – wurden auch Neuerungen im Bereich Künstliche Intelligenz und Software Algorithmen in der EU berücksichtigt, in Form einer zusätzlichen Richtlinie. Die neue EU Richtlinie „Artificial intelligence and machine learning“ des Europäischen Patentamts (EPA) ordnet dem Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) Berechnungsmodelle und Algorithmen zu – was die Patentierbarkeit nicht einfach macht.
Der vorliegende Fall betrifft dagegen den Einsatz klassischer Industrieroboter mit ergänzender Datenübertragung. Hier steht oftmals, wie auch im vorliegenden Fall, nicht die grundsätzliche Patentierbarkeit in Frage, sondern die Prüfung, ob sich die Erfindung ausreichend von dem bisherigen Wissen über die Technik unterscheidet. Entscheidend ist eine sehr sorgfältige Ausarbeitung und Formulierung der Patentansprüche.
Möglicherweise ist in diesem Zusammenhang auch unser Blog-Beitrag Vergleichsstudie EPA und CNIPA: Computerimplementierte Erfindungen für die internationale Einordnung für Sie von Interesse.
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Quellen:
Urteil des BPatG ‚Robotergesteuertes Fertigungsstraßensystem‘, 11 W (pat) 17/19
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