Eine Vergleichsstudie EPA und CNIPA untersucht vor allem die „Computer Implemented Inventions“ – ein dynamischer Wachstumsmarkt und ein herausforderndes Thema für beide Patentämter. Es gibt demnach viele Gemeinsamkeiten zwischen EPA und CNIPA, aber auch Unterschiede. Und die können wichtige Auswirkungen auf die Patentierbarkeit im Bereich Computerimplementierte Erfindungen haben.
Die Zahl der chinesischen Anmelder beim EPA hat in den letzten Jahren stark zugenommen, alleine um +8,8 % im Jahr 2018. Bei dem Chinesischen Amt für Patent- und Markenrecht (CNIPA) wiederum sind im gleichen Jahr mehr als 1,5 Millionen Patentanmeldungen eingegangen.
Da zudem erst kürzlich eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Patentamt (EPA) und dem CNIPA beschlossen wurde, lag es nahe, das Patentrecht und das Prozedere für Patentanmeldungen in beiden Ämtern zu vergleichen. Eine entsprechende Vergleichsstudie EPA und CNIPA, die Ende des letzten Jahres veröffentlicht wurde, untersucht vor allem die „Computer Implemented Inventions“ – ein dynamischer Wachstumsmarkt und ein herausforderndes Thema für beide Patentämter.
Vergleichsstudie EPA und CNIPA
Denn grundsätzlich sind Computerimplementierte Erfindungen zwar patentierbar- allerdings Programme für Computer, Quellcode oder ein Algorithmus als solcher nicht. Das gilt für das EPA ebenso wie für das CNIPA. Dies beruht auf dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ; Artikel 52 sowie EPA-Richtlinien, vor allem die EPA-Richtlinie G-II) für das EPA und auf dem Chinesischen Patentrecht (Artikel 2.2, Artikel 25.1 sowie CNIPA-Richtlinien, Teil II) für das CNIPA. Abstrakte und geistige Erfindungen sind demnach nicht patentierbar, weder als Europäisches noch als Chinesisches Patent.
In beiden Ämtern muss eine beanspruchte Erfindung zunächst eine „Erfindung“ sein, außerdem auch neuartig sein und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
Es gibt also viele Gemeinsamkeiten zwischen EPA und CNIPA, aber auch Unterschiede. Und die können wichtige Auswirkungen auf die Patentierbarkeit im Bereich Computerimplementierte Erfindungen haben.
Erfindung und technischer Charakter
Dies wird bereits deutlich bei der Definition einer Erfindung. Das EPÜ nennt zwar Technischen Charakter als unverzichtbare Anforderung an eine Erfindung, definiert den Begriff Erfindung jedoch nicht positiv, sondern nennt in Artikel 52.2 eine – noch erweiterbare – Aufzählung von Nicht-Patentierbaren Erfindungen. In der Praxis kann daher eine Erfindung beim EPA patentiert werden, obwohl der Patentanspruch keine technische Merkmale enthält – wenn die Merkmale zur Erzielung einer technischen Wirkung beitragen.
Das chinesische Patentrecht gibt im Gegensatz zum EPÜ eine positive Definition dessen, was eine Erfindung ist (in Artikel 2.2). Demnach liegt in China eine Erfindung vor, sobald ein Anspruch als Ganzes technische Merkmale enthält. Daher müssen in der Regel die Verfahrensschritte oder strukturellen Merkmale des Patentanspruchs technisch sein. Doch auch das Chinesische Patentrecht bietet ein Pendant zur Ausschlussliste des Artikel 52.2 EPÜ, das ist Artikel 25.1 im Chinesischen Patentrecht. Das europäische Konzept des „technischen Charakters“ wird im Übrigen in China nicht angewendet.
Technische Mittel
Basierend auf dem Konzept „Technischer Charakter“ verfolgt das EPA den Ansatz des sogenannten „any-technical-means„, also eine hohe Gewichtung der technischen Mittel. Entsprechend wird ein Anspruch auf ein Verfahren, das das Vorhandensein technischer Mittel erfordert, als „Erfindung“ im Sinne des Artikels 52 EPÜ angesehen, wie ein Computer, ein Netzwerk oder das Internet, beispielsweise auch Speicher und Prozessor. Das ist vor dem EPA unabhängig davon, ob ein Anspruch neben technischen Mitteln auch nicht-technische Merkmale umfasst. Ebenso werden Systeme oder Vorrichtungen immer als „Erfindungen“ betrachtet, da sie per Definition technische Mittel erfordern.
Die CNIPA verwendet nicht das Konzept des „technischen Charakters“. Dementsprechend werden bei der Feststellung, ob es sich bei einer Lösung um eine technische Lösung gemäß den Anforderungen von Artikel 2.2 handelt, die technischen Mittel, das technische Problem und die technische Wirkung geprüft. Im Unterschied zum EPA erwartet das CNIPA, dass die technischen Mittel durch technische Merkmale ausgedrückt werden.
Patentanspruch auf Computerprogramm und Datenstrukturen
In Bezug auf Patentierbarkeit von Datenstrukturen unterscheiden sich die Praktiken beim EPA und beim CNIPA erheblich.
Vor dem EPO sind Datenstrukturen grundsätzlich patentierbar, vorausgesetzt, dass sie zur Grundlage des technischen Effekts beitragen. Vor dem CNIPA dagegen sind Datenstrukturen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Die Verwendung von Datenstrukturen durch eine Methode ist in China jedoch zulässig, sofern die Methode alle anderen Anforderungen erfüllt. Beim EPA wird die Patentierbarkeit von Computerdatenstrukturen geprüft nach den Richtlinien G-II, 3.6.3, beim CNIPA nach den CNIPA-Richtlinien, Teil II, Kap. 1, Abschnitt 4.2 und Kap. 9.
Ein Patentanspruch auf ein Computerprogramm erfordert vor dem EPA das Vorhandensein einer eigenen weiteren technische Wirkung, die über die normalen Auswirkungen der Ausführung eines Programms hinausgehen. Beispiele dafür sind die Steuerung eines industriellen Prozesses oder in der internen Funktionsweise des Computers selbst, ebenso auch Schnittstellen unter dem Einfluss des Computerprogramms, indem beispielsweise die Effizienz oder die Sicherheit eines Prozesses verbessert wird. Beim EPA wird die Patentierbarkeit von Computer basierten Erfindungen geprüft mit Anwendung des Problemlösungsansatzes nach den EPA-Richtlinien G-VII, 5.4.
Das chinesische Pendant dazu sind die CNIPA-Richtlinien, Teil II, Kap. 1, Abschnitt 4.2 und Kap. 9. Darin wird eine technische Lösung als eine Zusammenfassung technischer Mittel definiert, wobei in der Regel technische Mittel als technische Merkmale verkörpert werden. Auch eine Absichtserklärung („eine Methode für die Zwecke X“) kann in China dazu beitragen.
Beispiele am konkreten Fall
- Angepasste Datenübertragungsraten für einen Medienkanal
Ein Benutzer kann eine verfügbare Datenrate für einen Medienkanal wählen, die niedriger ist als die maximal mögliche Datenrate.Vor dem EPA ist dies nicht patentfähig, denn der Anspruch ist finanzieller, administrativer bzw. kommerzieller Natur und damit in der Regel nicht patentierbar.Vor dem CNIPA ist dies grundsätzlich patentfähig, Der Anspruch kann das technische Problem lösen, dass angepasste Datenübertragungsraten nicht für unterschiedliche Nutzeranforderungen zugeordnet sind, und kann den technischen Effekt erzielen, die Netzauslastung zu maximieren. - Algorithmus in Bezug auf Rechenzeit und Speicherressourcen – für eine Simulation
Ein mathematischer Algorithmus ermittelt besonders effizient Rechenzeit und Speicherressourcen, die benötigt werden, um die für eine Simulation benötigten Zufallszahlen zu erzeugen.Vor dem EPA ist der Algorithmus isoliert betrachtet nicht patentfähig, da die mathematische Methode jedoch für die Schaltungssimulation relevant ist, dient sie einem technischen Zweck: Patentfähig.Auch vor dem CNIPA ist dies patentfähig, denn die mathematische Methode wird in einem technischen Feld angewandt.
Weitere Beispiele zum EPA finden Sie hier: Computerimplementierte Erfindungen im Case Law des EPO
Erfinderische Tätigkeit
In Bezug auf das CNIPA gibt es derzeit keine besonderen Bestimmungen in den CNIPA-Richtlinien über die erfinderische Tätigkeit Bewertung von softwarebezogenen Erfindungen.
Beim CNIPA bedeutet Erfindungsreichtum, dass im Vergleich zum derzeitigen Stand der Technik die Erfindung einen bemerkenswerten Fortschritt darstellt (gemäß Artikel 22.3 chinesisches Patentgesetz). Dies gilt als vorliegend, wenn die Erfindung unter Berücksichtigung des Standes der Technik für einen Fachmann nicht naheliegend ist. Auch prüft das CNIPA, ob die Erfindung markante materielle Merkmale aufweist.
Auch das EPA prüft, ob die Erfindung unter Berücksichtigung des Standes der Technik für einen Fachmann naheliegend ist. Die erfinderische Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ erfordert zudem eine nicht offensichtliche technische Lösung für ein technisches Problem.
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Quellen:
Vergleichsstudie EPA und CNIPA
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