Algorithmus unter Patentschutz ist im Allgemeinen nicht möglich, denn Programme für Computer sind nicht patentfähig. Dennoch kann ein unterschiedlicher Algorithmus als Teilbereich in einem patentfähigen Verfahren dazu beitragen, die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit zu belegen: die aktuelle Fallstudie „Head-Up-Displays“.
Zwei kürzlich ergangene Urteile vor dem Bundespatentgericht (BPatG) machen dies deutlich und sind schöne aktuelle Beiträge für eine Fallstudie (Case study) und Case Law im Bereich Algorithmus und der computerimplementierten Erfindungen.
Im Fall „Head-Up-Displays“ (17 W (pat) 25/17) wurde das im Patent beschriebene Verfahren für eine verbesserte automatisierte Helligkeitsanpassung des Head-Up-Displays als patentfähig erachtet. Auch der in diesem Verfahren angewandte neue Algorithmus wurde vom Gericht zur Abgrenzung und dem Nachweis der Neuheit der Patentanmeldung gegenüber der gegen gehaltene Druckschrift D4 als Argument erwähnt.
Anders im Fall „Erfassung eines losen Rades“ (19 W (pat) 41/18), in dem das BPatG die entsprechende Patentanmeldung zurückwies wegen fehlender erfinderischen Tätigkeit. Nicht nur das Verfahren zum Erfassen eines losen Rades eines Fahrzeugs wurde vom Gericht als naheliegend für den Fachmann angesehen, sondern auch der im Verfahren genannte Berechnungsalgorithmus für die Berechnung eines dynamischen Referenzwertes in der aktuellen Fahrsituation sei bereits bekannt durch eine gegen gehaltene Druckschrift, erläuterte das BPatG.
Algorithmus als solcher ist nicht patentfähig
Nach allgemeiner Regelung sowohl durch das deutsche Patentgesetz (§ 1 (3) PatG) als auch durch das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) ist eine Patenterteilung auf einen reinen Algorithmus nicht möglich. Denn von einer Patenterteilung ausgeschlossen sind „Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Computer und Datenverarbeitungsanlagen; “ (Art. 52 c) EPÜ). Die Effizienz, die durch einen Algorithmus erreicht werden kann, gilt bisher nicht als technischer Effekt. Dennoch kann ein unterschiedlicher Algorithmus in einem patentfähigen Verfahren dazu beitragen, die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit zu belegen, wie die beiden Urteile des BPatG deutlich machen.
Fall „Head-Up-Displays“
Die Patentanmeldung „Vorrichtung und Verfahren zur Anzeige von Informationen eines Head-Up-Displays (HUD)“ wurde im Dezember 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereicht und beansprucht die Priorität einer koreanischen Patentanmeldung vom 12. Dezember 2013. Die Prüfstelle hatte die Patentanmeldung zunächst zurückgewiesen wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit. Entscheidend war die entgegengehaltene Druckschrift D4 (US 2011 / 0102483 A1), die ebenso wie das angemeldete Patent ein Headup-Display und die Anpassung der Helligkeit des Displays als Thema hatte. In der Druckschrift D4 ist allerdings das auf den Sensor treffende Licht im Wesentlichen Umgebungslicht, das von außen auf den Sensor trifft.
Somit werde in D4 als Basis zur Anpassung der HUD-Helligkeit jeweils der größere der beiden Helligkeitswerte verwendet, führte das BPatG aus. Dies entspreche jedoch nicht der im Streitpatent beschriebenen Anpassung, wonach im Fall eines großen Helligkeitsunterschieds die Hintergrundhelligkeit und im Fall eines kleinen Helligkeitsunterschieds die Umgebungshelligkeit als Basis für die Anpassung verwendet wird. Auch die Lehre nach dem Patentanspruch, die HUD-Helligkeit grundsätzlich bei kleinem Helligkeitsunterschied basierend auf der Umgebungshelligkeit anzupassen, sei ebenfalls D4 nicht zu entnehmen.
Zwar habe D4 insgesamt eine ähnliche Zielsetzung wie das Streitpatent, aber D4 beziehe sich vor allem auf der Adaptation des menschlichen Auges an die Umgebungshelligkeit, während in der vorliegenden Anmeldung im Wesentlichen die Unterschiede zwischen der Umgebungshelligkeit und der Hintergrundhelligkeit im Vordergrund stehen. Dies führe auch zu einem unterschiedlichen Algorithmus zwischen D4 und dem Streitpatent. Das Gericht bestätigte dem Streitpatent „Head-Up-Displays“ daher sowohl Neuheit als auch erfinderische Tätigkeit.
Fall „Erfassung eines losen Rades“
Die Patentanmeldung „Erfassung eines losen Rades“ beschreibt ein Verfahren zum Erfassen eines losen Rades eines Fahrzeugs und ein korrespondierendes Computerprogramm zu diesem Verfahren. Bekannte Vorgehensweisen zum Erfassen eines losen Rades oder drucklosen Rades würden eine persönliche Überprüfung und/oder die Verwendung zusätzlicher Bauteile, wie beispielsweise optische Indikatoren erfordern, die sich allerdings in ihrer vordefinierten Ausrichtung an Radmuttern lockern können. Daher beschreibt das Patent ein Verfahren zum Erfassen eines losen Rades eines Fahrzeugs, in dem das Signal eines ersten Rades (das basierend auf einem Raddrehzahlsignal ermittelt wird) mit dem Signal eines anderen Rades verglichen wird (das basierend auf dem Raddrehzahlsignal t(n) und einem zweiten Referenzsignal ermittelt wird). Letztlich sollte so ein dynamischer Referenzwert gebildet werden, der die jeweils aktuelle Fahrsituation berücksichtigt.
Zum einen bemängelte das Bundespatentgericht die unpräzise Begrifflichkeit „loses Rad“, die andererseits mit der festen Größe Drehzahl und dem Begriff Raddrehzahlsignal in Verbindung gebracht wurde.
Vor allem aber stehen dieser Erfindung stehen zwei Druckschriften entgegen, die vom BPatG zusammengeführt wurden. Aus der Druckschrift D1 sei hinsichtlich des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 nach Hauptantrag für den Fachmann ein Verfahren zum Erfassen eines losen Rades eines Fahrzeugs offenbart, urteilte das Gericht. Eine weitere Druckschrift (Druckschrift DE 101 53 072 A1 (D3)) beschreibt zudem ein Verfahren, bei dem ein Raddrehzahlsignal eines ersten Rades mit dem Raddrehzahlsignal eines anderen Rades verglichen wird, um daraus auf sich anbahnende Radanomalien zu schließen. Dies könne zur Bildung eines dynamischen Referenzwerts genutzt werden, der die aktuelle Fahrsituation berücksichtigt, urteilte das BPatG. Der Fachmann verwende dazu gemäß Druckschrift D1 den aus der Druckschrift D3 bekannten Berechnungsalgorithmus. Das Gericht wies daher die Patentanmeldung „Erfassung eines losen Rades“ als nicht patentfähig zurück wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG).
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Quellen:
Urteil des BPatG „Head-Up-Displays“
Urteil des BPatG „Erfassung eines losen Rades“
Bild:
kuszapro / www.pixabay.com / CCO License
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