Die Bundesregierung hat in den letzten beiden Tagen in einer Kabinettssitzung beschlossen, Deutschland zu einem weltweit führenden Standort für Künstliche Intelligenz zu machen. Anlass genug, sich die gerade in Kraft getretene EU Richtlinie für KI und ML patentrechtlich anzusehen.
Neue EU Richtlinie für Künstliche Intelligenz
Die neue Richtlinie „Artificial intelligence and machine learning“ des Europäischen Patentamts (EPA) ordnet dem Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) Berechnungsmodelle und Algorithmen zu. Im Einzelnen nennt die Richtlinie Klassifikation, Clustering, Regression und Dimensionsreduktion – wie neuronale Netze, genetische Algorithmen, k-Mittel, Unterstützungsvektormaschinen, Kernregression und Diskriminanzanalyse.
Alle genannten Verfahren werden als „per se abstrakter mathematischer Natur“ gesehen. Dies ist relevant, denn es bedeutet eine ablehnende Haltung des EPA zur Patentierbarkeit dieser Berechnungsmodelle und Algorithmen. Die neue Richtlinie ist bezeichnenderweise ein Unterkapitel in der Auflistung von Ausschluss der Patentierbarkeit in mathematischen Methoden.
KI und ML werden mathematischen Modellen zugerechnet
Denn mathematische Verfahren sind gemäß Artikel 52 EPÜ grundsätzlich von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, es sei denn, das mathematische Verfahren weist einen technischen Charakter auf. Ein allgemeiner Zweck wie die „Steuerung eines technischen Systems“ reicht dazu aber nicht aus. Auch ein „neuronales Netzwerk“ oder eine „Support-Vektor-Maschine“ werden als abstrakte Modelle ohne technischen Charakter gesehen. Darüber hinaus stellt die Richtlinie klar, dass „auch wenn ein Klassifizierungsalgorithmus als wertvoll für die mathematischen Eigenschaften angesehen werden kann“, das allein kein technischer Zweck sei.
Vielmehr muss nachgewiesen werden, dass die Erfindung eine technische Wirkung erzeugt, die einem technischen Zweck dient. Wichtig ist aber: wenn die Patentierbarkeit von einer technischen Wirkung abhängt, müssen die Patentansprüche sehr deutlich definiert sein. Alle die technischen Merkmale sollten enthalten sein, die für die technische Wirkung wesentlich sind.
Die Richtlinie widmet sich in einem zweiten Teil explizit den Themen „Simulation, Design oder Modellierung“. Im Rahmen der rechnergestützten Konstruktion eines bestimmten technischen Produkts oder Prozesses sei die Bestimmung eines technischen Parameters ein technischer Zweck – wenn dies der eng mit dem Funktionieren des technischen Objekts verbunden ist (T 471/05, T 625/11). Dann sei auch die Patentierbarkeit gegeben.
Patentierbarkeit leichter als Computerimplementierte Erfindung
Beispiele aus den „Computerimplementierten Erfindungen“ verdeutlichen den erfolgreichen Nachweis eines technischen Charakters. Konkrete technische Anwendungen computergestützter Simulationsverfahren sind auch dann als Erfindungen im Sinne des Artikel 52 EPÜ anzusehen, wenn sie mathematische Formeln umfassen, entschied die Beschwerdekammer des EPA bereits 2006 im Fall Infineon Technologies (T 1227/05). Schaltkreissimulationen der Leistung einer elektronischen Schaltung mit 1/f-Rauschen weisen den erforderlichen technischen Charakter auf, weil sie einen wesentlichen Bestandteil des Fabrikationsprozesses für Schaltkreise darstellen, hieß es zur Begründung.
Auch die Simulation für einen industriellen chemischen Prozess könne ein technischer Prozess mit einem technischen Zweck sein. Und bei einem computerimplementierten Verfahren zum Entwurf eines optischen Systems leiste die Verwendung einer bestimmten Formel zum Bestimmen technischer Parameter für gegebene Eingangsbedingungen, um eine optimale optische Leistung zu erzielen, einen technischen Beitrag.
Ist die computergestützte Bestimmung der technischen Parameter dagegen von Entscheidungen eines menschlichen Benutzers abhängig und werden die technischen Erwägungen für diese Entscheidungen nicht im Anspruch angegeben, könne ein technischer Effekt der verbesserten Konstruktion nicht anerkannt werden, da ein solcher Effekt nicht kausal mit den Anspruchsmerkmalen verbunden wäre, stellt die Richtlinie für „Simulation, Design oder Modellierung“ für maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz klar.
Fazit
Die neue Richtlinienvorgabe für KI und ML unterscheidet sich deutlich zur Richtlinie Computerimplementierte Erfindungen. In der Praxis kann dies zur Unsicherheit führen – und muss sich vor der Gerichtsbarkeit auch erst noch beweisen. Denn auch in maschinellem Lernen sind wie in Messtechnik und Elektromechanik verschiedene Verfahrensschritte miteinander verwoben. Computergesteuerte Abläufe bedingen die Interaktion mit Datensätzen, Algorithmen und mit technischen Gegenständen. Verfahrensansprüche ergeben sich aber nur durch die computergesteuerte Interaktion mit technischen Gegenständen und durch Simulationen mit nachweislichem technischem Zweck.
Während es also eine politische Absichtserklärung für KI gibt, wird der Patentschutz für KI in Europa noch immer restriktiv gehandhabt. Doch weder China noch die USA warten auf die EU. Das amerikanische Patentamt hat bereits signalisiert, dass KI “als solche” patentierbar sein solle, und das chinesische Ministerium für Wissenschaft und Technologie präsentierte bereis im November 2017 die Internet-Giganten BAT (Baidu, Alibaba Group und Tencent Holdings) und iFlyTek als Entwicklergruppe für KI.
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Quelle:
EPA Richtlinie Artificial intelligence and machine learning
EPA Richtlinie AI – Simulation, design or modelling
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