Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen basieren auf Rechenmodellen und Algorithmen, sind also per se von abstrakter mathematischer Natur. Dennoch ist KI patentierbar. Wir fassen die aktuellen Vorgaben des EPA für eine KI Patentanmeldung zusammen.
Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen (KI/AI und DL) sind überall in Industrie und Wirtschaft. Management und Effizienzsteigerung in der Energieversorgung sowie in den Bereichen Logistik und Infrastruktur, Industrielle Produktionsbetriebe, Automobilhersteller – sie alle nutzen schon längst Rechenmodelle und Algorithmen, vor allem um Geschäftsvorgänge zu optimieren und zu automatisieren. Auch in der Landwirtschaft hat sich KI längst etabliert, unterstützt Prozesse wie z. B. Düngung und Bewässerung, Entscheidungshilfen und Prognosen.
Natürlich ist KI und DL auch ganz gegenwärtig im „Big Data Analytics System“: die Verarbeitung der Masse an Daten, die auf Social Media Plattformen und über die Webseiten Nutzung angesammelt werden, geschieht natürlich auch mittels lernfähiger Algorithmen, letztlich um Kundenkenntnis und Kundeninteraktionen zu verbessern. Das ganze moderne Marketing funktioniert auf dieser Basis, schon seit Jahren.
Auch in den privaten Alltag ist KI und DL eingezogen: „Smart“ ist dafür das Stichwort, natürlich Smart Home und Smart Living und sogar die Stadt Frankfurt ist dabei, Smart City Frankfurt zu werden.
Mit etwas Zeitverzögerung dazu passt sich auch die Rechtsprechung zur Patentfähigkeit an von KI und DL und von Verfahren unter Verwendung eines Computers. Auch die Politik hat das Thema KI für sich entdeckt, gerade wird der politische Rahmen für KI Innovationen in Europa festgelegt – wir berichteten.
KI Patentanmeldung: Aktuelle Vorgaben des EPA
Umso wichtiger ist es, bei Patentanmeldungen zu KI und DL die aktuellen Vorgaben durch das Europäische Patentamt (EPA) zu kennen und zu berücksichtigen. Die Große Beschwerdekammer des EPA (die höchste gerichtliche Instanz nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ)) hat jetzt im März 2021 (G 0001/19) ihre bisherige Rechtsprechung angepasst: Sobald ein Computerprogramm läuft, sollen demnach sogar lediglich „potenzielle“ technische Auswirkungen immer als echte technische Auswirkungen behandelt werden. In der Praxis eröffnet dies neue Möglichkeiten für Patentschutz für Algorithmen und mathematische Modelle.
Tatsächlich finden sich in den jetzigen Vorgaben des EPA für die Anerkennung eines technischen Zwecks einer mathematischen Methode konkrete Beispiele wie die Steuerung eines technischen Verfahrens oder Geräts und auch die Analyse oder Verbesserung von digitalen Audio-, Bild oder Videodateien (einschließlich der Personenerkennung im digitalen Bild).
Explizit wird auch grundsätzlich Entrauschen als zulässiger technischer Zweck genannt (ein sehr wichtiger Aspekt in der Informatik). Überhaupt zeigt sich das EPA aufgeschlossen zur Patentierung von Datencodierung und Decodierung für mehr Zuverlässigkeit und/oder mehr Effizienz, in diesem Sinne auch die Komprimierung von Daten.
Auch in Bezug auf Netzwerke bietet das EPA Beispiele für Patentierbarkeit. Das ist besonders interessant in Bezug auf die Industrie 4.0, denn sie zielt nicht nur auf die Digitalisierung der Produkte und der Produktion, sondern vor allem auch auf die Möglichkeit, technische Systeme in Echtzeit zu vernetzen. Und laut aktuellen EPA Vorgaben können Erfindungen in Bezug auf Zugangsschlüssel (Verschlüsselung/Entschlüsselung, digitale Signaturen, RSA-Verschlüsselungssystem) wie auch in Bezug auf die Lastverteilung in einem Computer-Netzwerk patentiert werden.
„Teufel steckt im Detail“
Doch stets muss eine KI Patentanmeldung sehr sorgfältig vorbereitet werden, gewissermaßen steckt der Teufel im Detail.
Klassifizierungs Methode
So stellte die Klassifizierung von abstrakten Datensätzen oder sogar „Telekommunikationsnetzwerk-Datensätzen“ ohne Angabe einer technischen Verwendung der resultierenden Klassifikation laut EPA Entscheidung von 2012 per se keinen technischen Zweck dar, noch nicht einmal dann, wenn dem Klassifikationsalgorithmus wertvolle mathematische Eigenschaften wie Robustheit zugeschrieben werden können (Classification method/COMPTEL, T 1784/06). Ein allgemeiner Zweck wie „Steuerung eines technischen Systems“ reicht laut aktuellen EPA Vorgaben nicht aus, um einer mathematischen Methode technischen Charakter zu verleihen. Der technische Zweck muss spezifisch sein.
Zuverlässige Ergebnisse sind das Wesen eines Algorithmus
Auch reicht es nicht aus für die technischen Erwägungen einer KI Erfindung, darauf hinzuweisen, dass die beanspruchte Klassifizierungsmethode zuverlässige und objektive Ergebnisse liefern kann. Die bloße Tatsache, dass ein Algorithmus zu verlässlichen, reproduzierbaren Ergebnissen führt, bedeutet laut bisheriger EPA Entscheidungspraxis nicht, dass er einen technischen Beitrag leistet.
Sogar dass die mathematische Methode einem technischen Zweck dienen kann, verleiht nach aktueller EPA Vorgabe noch keinen technischen Charakter. Vielmehr muss dafür diese Methode (also der Algorithmus einer KI) kausal mit einer technischen Wirkung verknüpft werden. Das EPA nennt als Beispiel, ein Patentanmelder solle beschreiben, wie sich Input und Output der Sequenz von den mathematischen Schritten zum technischen Zweck verhalten.
Technischer Charakter durch technische Umsetzung?
Der nötige technische Charakter des beanspruchten Verfahrens und eine erfinderische Tätigkeit kann allerdings in seiner technischen Umsetzung liegen, in der Nutzung eines Computers. Das EPA stellt diesbezüglich in seinen aktuellen Vorgaben fest, dass ein Verfahren oder eine Vorrichtung, das die Verwendung technischer Mittel (z. B. eines Computers) umfasst, als Ganzes technischen Charakter habe und sei damit nicht nach Art. 52 (2, 3) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.
Aber Achtung: Wenn die technische Umsetzung eines mathematischen Algorithmus naheliegend ist, sieht das EPA bisher keine erfinderische Tätigkeit bei Nutzung eines bekannten Allzweckcomputers (EPA Entscheidung T 1358/09 von 2014). Nur wenn der Algorithmus Entwurf durch technische Überlegungen zur internen Funktionsweise des Computers motiviert war, gilt er bisher als patentfähig. Man darf gespannt sein, wie die nächsten Entscheidungen des EPA dazu ausfallen werden im Sinne der Rechtsanpassung der Großen Beschwerdekammer von diesem Jahr.
Im Übrigen ist laut den aktuellen Vorgaben des EPA zu beachten, dass Ausdrücke wie „Support Vector Machine“, „Reasoning Engine“ oder „neuronales Netz“, die scheinbar selbsterklärend auf die Verwendung technischer Mittel verweisen, als solches und für sich genommen nicht anerkannt werden vom EPA im Sinne der Verwendung von technischen Mitteln. Denn sie können sich je nach Kontext ja auch lediglich auf abstrakte Modelle oder Algorithmen beziehen, und die wären nicht patentfähig, ist die Logik dahinter.
Computergestützte Simalationen – technischer und nicht-technischer Prozesse
Wir schließen mit den derzeitigen EPA Vorgaben für Simulationsverfahren. Das EPA unterscheidet deutlich zwischen computergestützter Simulationen technischer Prozesse, die laut EPA sogar dann patentierbar sind, wenn sie der tatsächlichen Produktion vorausgehen und / oder keinen Schritt zur Herstellung des materiellen Endprodukts umfassen. Und setzt dies in Gegensatz zu nicht-technischen Prozessen: Handelt es sich um Simulationen nicht-technischer Prozesse (z. B. aus dem Bereich Marketing oder Administration), dann kann gilt eine Computergestützte Simulation als nicht patentfähig.
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Quellen:
EPA Vorgaben zur Patentierbarkeit für Mathematische Methoden, G-II, 3.3
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