Wird die Anordnung der Geheimhaltung nach § 174 Abs. 3 GVG abgelehnt, ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben, urteilte der BGH in Bezug auf Geheimhaltung vor Gericht und das GeschGehG.
Seit 2019 ist in Deutschland das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) in Kraft, wir berichteten. Neben der Frage, was unter ‚angemessenen‘ Geheimhaltungsmaßnahmen in der Praxis zu verstehen ist, ist natürlich die Geheimhaltung selbst ein zentrales Thema, und zwar vor allem die Geheimhaltung vor Gericht. Der BGH hat dazu bereits eine klare Rechtsprechung vorgegeben (BGH, IV ZB 8/20).
Demnach unterscheidet sich Absatz 5 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) von den Regelungen im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) gemäß § 174 Abs. 3 GVG: Gegen einen die Anordnung der Geheimhaltung nach § 174 Abs. 3 GVG ablehnenden Beschluss ist kein Rechtsmittel eröffnet, urteilte der BGH. Das GeschGehG ändert daran nichts. Denn dem Antrag eines Beklagten auf Anordnung einer Geheimhaltungsverpflichtung komme nur die Bedeutung einer Anregung zu, die keine verfahrensgestaltende Funktion hat.
Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann nicht durch Zulassung einer Anfechtung unterworfen werden, erläuterte das Gericht und verwies auf entsprechende frühere Entscheidungen (u. a. BGH XII ZB 664/10, FamRZ 2013). Ein solcher Fall liegt auch vor bei einem Beschluss zur Ablehnung der Anordnung der Geheimhaltung, entschied der BGH. Wird die Anordnung der Geheimhaltung nach § 174 Abs. 3 GVG abgelehnt, sei kein Rechtsmittel gegeben. Die allein in Betracht kommende sofortige Beschwerde sei nicht eröffnet.
Geheimhaltung abgelehnt – Keine sofortige Beschwerde zulässig
Zwar bestimmt § 174 Abs. 3 Satz 3 GVG die Statthaftigkeit einer(sofortigen) Beschwerde gegen einen die Geheimhaltungsverpflichtung anordnenden Beschluss – aber nicht gegen die Nichtanordnung einer Geheimhaltungsverpflichtung. Der BGH ließ aber keinen Zweifel daran, dass eine sofortige Beschwerde nicht eröffnet werden kann gegen eine Ablehnung der Geheimhaltung. Denn eine sofortige Beschwerde sei schon deshalb nicht statthaft, weil die Entscheidung einen förmlichen Antrag nicht erfordert. Dem Antrag der Beklagten auf Anordnung einer Geheimhaltungsverpflichtung kommt nur die Bedeutung einer Anregung zu, die keine verfahrensgestaltende Funktion hat, erläuterte das Gericht.
Die sofortige Beschwerde gegen eine von einer Geheimhaltungsverpflichtung absehende Entscheidung sei zudem auch nicht deshalb abweichend vom Wortlaut des § 174 Abs. 3 GVG zuzulassen, weil dies im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, das Gebot effektiven Rechtsschutzes oder den Grundsatz prozessualer Waffengleichheit erforderlich wäre.
Darüber hinaus legte der BGH in diesem Urteil nochmals fest, dass es dem Tatrichter obliegt, im Rahmen des ihm durch § 174 Abs. 3 GVG eröffneten Ermessens unter Berücksichtigung der Gesamtumstände über den Umfang der erforderlichen Geheimhaltungsverpflichtung zu entscheiden.
Keine Offenbarung an die Klägerseite
Zudem hätte sich die Beklagte vor einer Offenbarung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dadurch schützen können, dass sie bis zur Rechtskraft der die Geheimhaltungsverpflichtung anordnenden Entscheidung keine Ausfertigung der Unterlagen zur Weiterleitung an die Klägerseite vorlegt – wobei allerdings der Inhalt dieser Unterlagen dann mangels der Gewährung rechtlichen Gehörs für den Kläger bei der Endentscheidung nicht berücksichtigt werden dürfte (gemäß BGH, Akteneinsicht XXIV, Beschluss vom 14. Januar 2020 – X ZR 33/19).
Konnten in so einem Fall dann wesentliche Unterlagen bei der Entscheidungsfindung nicht verwertet werden und wird deshalb zum Nachteil der Beklagten entschieden, hat man dennoch die Möglichkeit für rechtliches Gehör (siehe BGH, I ZB 118/07). Durch Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Endentscheidung kann die Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht eingefordert werden. Dabei kann geltend gemacht werden, dass man durch eine fehlerhafte Nichtanordnung der Geheimhaltung im eigenen Vortrag gehindert wurde und damit der eigene Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde.
Blick in das EU Recht zur Geheimhaltung
Das Europäische Gericht hat im Juli 2019 über die Frage entschieden, ob ein Pharmaunternehmen den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten untersagen darf, die für die Genehmigung des Inverkehrbringens des Arzneimittels übermittelt wurden.
Hintergrund zu diesem Fall war eine im September 2017 erhobene Aktionärsklage gegen Intercept Pharmaceuticals vor einem US-Gericht („die DeSmet-Klage“). Intercept wollte die von der EMA angeforderte Offenlegung Informationen gerne geheim halten, die im Rahmen ihrer Klage in den Vereinigten Staaten nützlich sein könnten, und verwies auf Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, demnach Ausnahmen der Veröffentlichung bestehen, gerade auch bei außereuropäischen Gerichtsverfahren. Aber vergeblich; diese Ausnahme gelte nur für Dokumente, die im Rahmen eines bestimmten anhängigen Gerichtsverfahrens erstellt wurden, entschied der EuG, oder ausnahmsweise für Dokumente, die nicht im Rahmen eines bestimmten Gerichtsverfahrens erstellt wurden, aber dennoch Rechtspositionen enthalten, die später Gegenstand eines solchen Verfahrens wurden.
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Quellen:
BGH, IV ZB 8/20, Anordnung der Geheimhaltung abgelehnt
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