Seit 2017 liegt eine Verfassungsbeschwerde gegen die Ratifizierung des Übereinkommens für ein europäisches einheitliches Patentgericht in Deutschland vor. Gestern erklärte ein Richter des Verfassungsgerichts, diese Klage werde im ersten Quartal 2020 entschieden- wahrscheinlich zu spät für das UK, wenn UK im Dezember den Brexit wählt.
Es gibt seit Jahren das Bemühen, innerhalb der EU-Mitgliedstaaten ein gemeinsames europäisches Einheitspatent und ein Einheitliches Patentgericht zu schaffen. Als letzter Schritt ist dafür eine Ratifizierung des Übereinkommens erforderlich. Vor dem deutschen Verfassungsgericht wurde jedoch 2017 Klage gegen die Ratifikation des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) Verfassungsbeschwerde erhoben.
In einem Interview mit Managing-IP bestätigte nun gestern der Richter Peter Huber, Richter am Verfassungsgericht, dass diese Verfassungsbeschwerde im ersten Quartal nächsten Jahres entschieden werde.
Damit ist wahrscheinlich, dass das UK nicht am Europäischen Einheitsgericht teilnehmen wird, wenn das UK nach der Wahl im Dezember einen zeitnahen Brexit vollzieht – trotz Ratifizierung. Denn teilnehmen an dem einheitlichen Patentgericht können nur diejenigen EU-Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen ratifiziert haben bei In-Kraft-Treten des einheitlichen Patentgerichts.
UK hat zwar im nach einigem Zögern im April 2018 das Überkommen ratifiziert, aber UK wäre nach dem Brexit kein EU-Mitgliedstaat mehr. Im entsprechenden Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht, nachzulesen im Amtsblatt der Europäischen Union von 2013 (2013/C 175/01) ist jedoch eindeutig formuliert, dieses Übereinkommen stehe jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Beitritt offen- und zwar nur den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Ratifizierung: EU Einheitliches Patentgericht
Warum ist die Ratifizierung so wichtig? Das neue Patentsystem und das einheitliche Patentgericht beruhen auf europäischen Verordnungen, der Verordnung über das Einheitspatent (EPV), der Verordnung über Übersetzungsregelungen zum Einheitspatent (EPVÜ) und dem Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ) – alles Verordnungen von Dezember 2012.
Zwei der Verordnungen – EPV und EPVÜ − sind bereits am 20. Januar 2013 in Kraft getreten. Sie gelten aber erst ab dem Tag, an dem das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) in Kraft tritt. Voraussetzung hierfür ist eine Ratifikation des EPGÜ durch mindestens 13 EU Mitgliedsstaaten, darunter zwingend Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich.
Die meisten europäischen Länder haben bereits die Ratifizierung durchgeführt für das Europäische Einheitspatentgericht. Mit der Ratifizierung wird die parlamentarische Anerkennung für die Umsetzung in nationales Recht gegeben, wie es auch für andere EU Verordnungen und Gesetze gilt. Es bedeutet damit aber auch die Zustimmung des Parlaments, die nationale Deutungshoheit zur Rechtsprechung über das Patentrecht an die EU abzugeben. Es ist vorgesehen, dass auf das Einheitliche Patentgericht die Zuständigkeit übergeht für Klagen (also Verletzungsklagen, Klagen und Widerklagen auf Nichtigerklärung, einstweilige Verfügungen) gegen ein Einheitspatent sowie auch Klagen gegen Entscheidungen des EPA, die ein Einheitspatent betreffen.
Wegen dieser Tragweite hat ein Kläger 2017 vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen die Ratifikation des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) Verfassungsbeschwerde erhoben. In der Folge und auf Ersuchen des BVerfG willigte das Bundespräsidialamt in die Aussetzung der eigentlich schon parlamentarisch erfolgten Ratifizierung ein.
Der politische Wille ist da. Sowohl die Bundesregierung als auch der Bundestag haben gegenüber dem Bundesverfassungsgericht Stellungnahmen zu der Verfassungsbeschwerde abgegeben, in denen sie das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht als verfassungsgemäß sehen. Seit gestern ist nun klar, dass das Bundesverfassungsgericht im nächsten Jahr dazu entscheiden wird.
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„True Top 4“- Deutschland muss zwingend ratifizieren
Ein einheitliches Patentgericht ist natürlich nur sinnvoll, wenn auch die Zielländern von vielen Patentanmeldungen daran beteiligt sind. Denn es soll ja eine nachvollziehbare und verlässliche Gerichtsbarkeit und Rechtsprechung für möglichst viele EU Patente geben. Daher waren schon früh die sogenannten „True Top 4“ besonders genannt in der Planung für ein einheitliches Patentgericht. Gemeint sind damit die vier EU Mitgliedstaaten, in denen derzeit am häufigsten Patente validiert werden: Deutschland, Frankreich, UK und Niederlande.
So wurde auch beispielsweise im Juni 2015 der Vorschlag der „True Top 4“ über die zukünftigen Jahresgebühren für das Einheitliche Patent vom EU Verwaltungsrat angenommen. Und es wurde Voraussetzung für das In-Kraft-Treten des Einheitliches Patentgerichts (EPGÜ), dass eine Ratifikation des EPGÜ durch mindestens 13 EU Mitgliedsstaaten erforderlich ist, darunter zwingend Deutschland, Frankreich und das UK.
Geltungsgebiet zum Europäischen Einheitspatent dehnt sich nicht sukzessiv aus
Und noch etwas gilt es zu beachten: die territoriale Geltung des europäischen Einheitspatents gilt nur für diejenigen Länder, die zum Zeitpunkt der Erteilung dieses Patents dem UPC durch Ratifizierung beigetreten sind – und die auch Mitgliedstaat in diesem Geltungsbereich sind. Ein einheitliches Patentgebiet eines europäischen Einheitspatents dehnt sich nicht auf andere Mitgliedstaaten aus, die den Vertrag erst ratifizieren. Insofern ist auch nach derzeitiger Vertrags- und Rechtslage auch nicht vorgesehen, dass etwaige zukünftige EU-Mitgliedstaaten sich an dem Einheitlichen Patentgericht beteiligen können werden.
Wenn man also wissen möchte, welcher Staat durch seine Ratifizierung zur Teilnahme am einheitlichen Patentgericht qualifiziert ist, empfiehlt sich ein Blick in den stets aktuellen Ratifizierungs-Index.
Brexit ein Sonderfall
Da es sich beim möglichen Brexit jedoch um einen Sonderfall handelt, der nicht abzusehen war, als das entsprechende Übereinkommen unterzeichnet wurde, wäre letztlich politisch zu klären, wie die Vertragslage an die Wünsche einer engen Zusammenarbeit mit UK anzupassen ist. Wohlwollend könnte man möglicherweise argumentieren, alle EU Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen ratifiziert haben, sind Teilnehmer am einheitlichen Patentgericht- unabhängig von ihrem späteren Status als EU Mitglied.
Dies wäre aber auch nicht ohne Komplikation, da die Grundidee des einheitlichen Patentgerichts ist, Patentregelungen und Patentverletzungen nicht mehr national zu unterscheiden und zu lenken. Das gilt für bisherige nationale Unterschiede im Recht ebenso wie für Unterschiede in den nationalen Berufsständen. Der Brexit jedoch soll erklärtermaßen an Großbritannien die Kontrolle der Grenzen und auch der Gesetze vollständig zurückgegeben. Wird sich UK dann ausgerechnet im Patentrecht unterordnen unter die EU? Und hätte UK dann noch die Möglichkeit der Einflussnahme auf das einheitliche Patentgericht? Es bleibt viel politischer Zündstoff bis zum In-Kraft-Treten des einheitlichen Patentgerichts.
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Quellen:
Interview mit Richter Huber im Managing IP Beitrag
Bild:
stux / www.pixabay.com / CCO License
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