Enthält die Wortmarke „NEUSCHWANSTEIN“ eine geografische Herkunftsangabe? Voraussichtlich am Donnerstag urteilt der EuGH im Streit zwischen dem Freistaat Bayern und der BSGE, wobei das berühmteste deutsche Schloss eine entscheidende Rolle spielt:
Neuschwanstein geografisch lokalisierbar = geografische Herkunftsbezeichnung?
Klägerin ist der Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise e. V. (BSGE). Die Klage richtet sich gegen den Freistaat Bayern, der 2011 die Wortmarke als Unionsmarke beim Europäischen Markenamt (EUIPO) in 17 verschiedenen Nizza-Klassen schützen ließ. Bereits 2005 hatte der Freistaat Bayern die nationale Wortmarke NEUSCHWANSTEIN beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldet.
Klägerin BSGE macht geltend, die Wortmarke Neuschwanstein enthalte Angaben, die dazu dienen, die geografische Herkunft zu bezeichnen. Denn schließlich sei das Schloss Neuschwanstein geografisch lokalisierbar. Die angesprochenen Verkehrskreise würden mit dem Zeichen „Neuschwanstein“ gekennzeichnete Waren in Beziehung zu dem Schloss Neuschwanstein als weltberühmtem touristischem Zentrum setzen. Auch habe die strittige Marke keine Unterscheidungskraft für die betreffenden Waren und Dienstleistungen, denn das Schloss Neuschwanstein ist als solches kein Ort der Herstellung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen. Sogar ein Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 liege vor – die Anmeldung der angegriffenen Marke sei bösgläubig vorgenommen worden.
Die angerufene Nichtigkeitsabteilung des EUIPO lehnte die Klage des BSGE ab. Es gebe keinen Nachweis, dass die angegriffene Marke dazu benutzt werde, konkrete Souvenirartikel zu vermarkten und bestimmte Dienstleistungen anzubieten, aufgrund deren die maßgeblichen Verkehrskreise denken könnten, es handele sich um eine geografische Herkunftsangabe. Besonders wies das EUIPO darauf hin, dass die von der angegriffenen Marke erfassten Waren und Dienstleistungen für den täglichen Verbrauch bestimmt seien und daher erst durch die Anbringung des Zeichens „NEUSCHWANSTEIN“ zum Souvenir würden. Gegen diese Entscheidung legte der BSGE Berufung vor dem Europäischen Gericht (EuGH) ein.
Generalanwalt des EuGH
In seinem Schlussantrag führte bereits der Generalanwalt des EuGH aus, dass nicht nur im Herstellungsort der betreffenden Waren ein möglicher Anknüpfungspunkt für einen geografischen Ort gesehen kann. Dies bedeute aber nicht zwangsläufig, dass der Vertriebsort automatisch diesen Hinweis gibt. Denn es sei durchaus möglich, dass ein Souvenirartikel, der die angegriffene Marke trägt, woanders als in der Umgebung des Schlosses Neuschwanstein verkauft wird.
Außerdem sei ein Verkaufsort einer Ware nicht für ihre Eigenschaften, Beschaffenheiten oder sonstigen Merkmale beschreibend. Das sei nur der Fall, wenn eine Tradition, Technik oder ein spezielles Handwerk vom Verbraucher durch den geografischen Ort vermutetet würden (Beispiel „Limoges“ in Bezug auf Porzellanwaren). Bei Schloss Neuschwanstein und der strittigen Wortmarke sei dies aber nicht der Fall.
Zur Frage der Unterscheidungskraft für die betreffenden Waren und Dienstleistungen weist der Generalanwalt darauf hin, dass die Nizza-Klassifikation keine Waren- oder Dienstleistungsklasse „Souvenirartikel“ kennt. Folglich habe das Gericht zu Recht geprüft, ob das Zeichen „NEUSCHWANSTEIN“ für die erfassten, für den laufenden Verbrauch und das tägliche Leben bestimmten Waren und Dienstleistungen beschreibend ist und nicht für Souvenirartikel. In diesem Zusammenhang aber sei NEUSCHWANSTEIN ein nicht beschreibendes Zeichen.
Museen und Kulturstätten dürfen unter ihrem Namen Waren vermarkten
Der Generalanwalt beleuchtete auch den Vorwurf der Klägerin, dass „NEUSCHWANSTEIN“ ein Werbemittel oder ein Slogan sei. Es sei aber so, dass das Zeichen es den maßgeblichen Verkehrskreisen erlaube, sowohl die betriebliche Herkunft der von der angegriffenen Marke erfassten Waren und Dienstleistungen zu unterscheiden als auch, sich auf einen Besuch des Schlosses zu beziehen. Diese Doppelfunktion sei die zwangsläufige Folge der Entscheidung des Eigentümers eines musealen Ortes – in diesem Fall der Freistaat Bayern -, dessen Namen als Unionsmarke eintragen zu lassen. Dies sei keineswegs verboten. Vielmehr sei es im Geschäftsverkehr üblich, dass Museen sowie Vertriebsgesellschaften von Kulturstätten bzw. touristischen oder kulturellen Sehenswürdigkeiten unter ihrem jeweiligen Namen Waren vermarkteten, wobei diese Bezeichnungen markenmäßig benutzt würden.
Daher sei die Klage vollständig abzuweisen, empfahl der Generalanwalt in seinem Schlussantrag. Denn die Eintragung einer geografischen Bezeichnung als Unionsmarke könne nur dann versagt werden, wenn die Bezeichnung eine Herkunft angeben kann – denn eine geografische Bezeichnung als solche weist nicht automatisch auf eine solche Herkunft hin. Sehr anschaulich wurde das Beispiel der „Montblanc“-Stifte genannt, von denen niemand annehmen könne, dass sie von dem gleichnamigen Berg stammten.
Update: Das Urteil des EuGH
Am 6. September 2018 urteilte der EuGH abschließend in dieser wichtigen Frage. Lesen Sie hier unseren Beitrag über das Urteil: Info Blog: NEUSCHWANSTEIN als Wortmarke vom EuGH bestätigt. Mit seinem Urteil lehnte der EuGH die Klage des BSGE ab und folgte ausdrücklich der Argumention des Generalanwalts
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Quellen:
Curia Europe: Neuschwanstein EU:C:2018:3
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