Während das Patentgesetz unterscheidet zwischen Erzeugnissen für medizinische und nicht-medizinische Zwecke, ist für ein Medizinprodukt im Markenrecht der medizinische Zweck nicht entscheidend: Verwechslungsgefahr zwischen Floramed und Medilflor.
Das Europäische Gericht (EuG) hat am Mittwoch im Fall Floramed vs. Mediflor (EU:T:2019:794) entschieden, dass Waren identisch und hochgradig ähnlich sind, obwohl dazu Erzeugnisse für nicht medizinische Zwecke verglichen wurden mit Erzeugnissen für medizinische Zwecke.
Der Sachverhalt
Die Streitmarke Floramed wurde von Manfred Scheffler (Deutschland) als Unionsbildmarke angemeldet und wurde von dessen Rechtsnachfolger und Kläger Stefan Werner (Deutschland) übernommen. Gegen diese Markeneintragung legte die Streithelferin Merck KGaA (Deutschland) Widerspruch ein und berief sich auf Verwechslungsgefahr mit der eigenen älteren Unionswortmarke Mediflor.
Widerspruchsabteilung und auch die Beschwerdekammer des EUIPO (17. September 2018 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung)) hatten Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zwischen den Streitmarken erkannt. Es bestehe für alle in Rede stehenden Waren eine Verwechslungsgefahr, weil die Streitmarken aus zwei nahezu identischen Elementen bestünden, und zwar „med“ bzw. „medi“ zum einen und „flora“ bzw. „flor“ zum anderen.
Fachpublikum mit erhöhtem Aufmerksamkeitsgrad
Unstreitig war in diesem Fall, dass das Fachpublikum mit erhöhtem Aufmerksamkeitsgrad einzustufen sei. Daraus folgt in der Regel, dass Verwechslungsgefahr der Marken und der beanspruchten Waren auch bei einer weniger ausgeprägten Ähnlichkeit anzunehmen ist. Denn die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, wie das Gericht betonte.
Medizinischer Zweck nicht entscheidend
Der Kläger argumentierte, Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische Zwecke dürften nicht mit Erzeugnissen für medizinische Zwecke gleichgesetzt werden. Die Beschwerdekammer sei fälschlich davon ausgegangen, dass diätetische Lebensmittel für nicht medizinische Zwecke der besonderen Ernährungsanforderungen mit dem Zweck der Prävention einer Krankheit entsprächen.
Der EuG wies dies zurück. Die von den Streitmarken erfassten Waren seien identisch, weil sie sich überschneiden. Zudem seien auch die „pharmazeutischen Präparate“ und die „pharmazeutischen Erzeugnisse“ identisch. Nach gefestigter Rechtsprechung können Waren nämlich als identisch angesehen werden, wenn die von der älteren Marke erfassten Waren in einer allgemeineren Kategorie, auf die sich die Markenanmeldung bezieht, enthalten sind, erläuterte das Gericht. Dies treffe hier offensichtlich auf alle oben angeführten, von der älteren Marke erfassten Waren in Bezug auf die allgemeineren Kategorien der Waren für medizinischen oder pharmazeutischen Gebrauch zu.
Medizinprodukt im Markenrecht
Das Gericht führte weitere relevante Faktoren für Medizinprodukte im Markenrecht aus. Erzeugnisse für nicht medizinische Zwecke würden wie auch Erzeugnisse für medizinische Zwecke im Allgemeinen von denselben pharmazeutischen Unternehmen hergestellt und über dieselben Distributionswege – insbesondere über Apotheken – vertrieben, sich oft an dieselben Verbraucher richten, führte der EuG aus. Und alle sollten die Gesundheit erhalten oder verbessern.
Diese Gemeinsamkeiten könne der Kläger nicht mit der Begründung in Frage stellen, die Erzeugnisse für medizinische Zwecke unterschieden sich von Erzeugnissen für nicht medizinische Zwecke, weil nur Erstere zur Behandlung oder Heilung einer Krankheit dienten, entschied der EuG. Eine solche Argumentation gehe von einem zu engen Verständnis medizinischer Zwecke aus, zu denen nach der Beschreibung der „Medizinprodukte“ in Klasse 5 die „Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung und Linderung von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen“ gehört.
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Medizinprodukt im Patentrecht
Im Patentrecht wiederum wird explizit und detailliert unterschieden zwischen Erzeugnissen für medizinische Zwecke und Medizinprodukten. Ein ergänzendes Schutzzertifikat (SPC) kann nur ein Erzeugnis schützen, das als Arzneimittel verwendet wird, nicht aber ein Medizinprodukt (lesen Sie dazu bitte: SPC nicht zulässig für Medizinprodukte). Dies gilt sogar auch dann, wenn ein Bestandteil des Medizinprodukts arzneimittelrechtlichem Standard entspricht, urteilte im November 2018 der EuGH.
Der EuG bestätigte mit seinem Urteil eine Ähnlichkeit der Streitmarken. Die Bestandteile „med“ und „medi“ sind für alle fraglichen Waren beschreibend und spielten daher beim Vergleich der Zeichen nur eine untergeordnete Rolle, urteilte der EuG. Auch „flora“ sei rein beschreibend, sowohl für die Pflanzenwelt als auch für die Darmflora. Daher könne auch nicht argumentiert werden, dass „Flora“ ein Phantasiebegriff sei oder Kennzeichenkraft habe.
Umgekehrte Reihenfolge der Wortelemente ohne Einfluss
Die beiden Streitmarken Floramed vs. Medilflor wiesen darüber hinaus ja auch eine umgekehrte Reihenfolge der nahezu gleichen Wortelemente auf. In dem ähnlichen Fall Pink Lady vs. Wild Pink hatte der EuG 2018 eine Verwechslungsgefahr festgestellt. Die bloße Umkehrung dieser Bestandteile in den einander gegenüberstehenden Zeichen habe nur geringen Einfluss auf den Vergleich zwischen ihnen, urteilte der EuG auch im vorliegenden Fall Floramed. Den maßgeblichen Verkehrskreisen könne nicht verborgen bleiben, dass diese Hauptwortbestandteile, aus denen diese Zeichen in umgekehrter Reihenfolge bestehen, nahezu identisch sind– umso mehr, als der Aufmerksamkeitsgrad des Fachpublikums erhöht ist.
Der EuG bestätigte daher die Entscheidung der Beschwerdekammer sowie die Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Streitmarken und wies die Klage ab.
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Quellen:
Urteil Floramed vs. Mediflor EU:T:2019:794
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