Mit seinem Urteil Debrisoft II formulierte der BGH die Leitsatzentscheidung, ob und wie die Grundsätze der Erschöpfung des Markenrechts bei Parallelimport von Arzneimitteln auch auf Medizinprodukte Anwendung finden, sei nur relevant, wenn Umpacken oder auch eine Neuetikettierung vorliegt.
Im Fall Debrisoft habe es sich jedoch nicht um eine solche Umpackung gehandelt, urteilte der BGH im Anschluss an das diesbezügliche Urteil des EuGH vom 17. Mai 2018 – wir berichteten (EuGH urteilt zu Parallelimporten: Gilt Neuetikettierung als Umpacken?). Bei dem Anbringen eines kleinen Aufklebers auf einem unbedruckten Teil der ungeöffneten Originalverpackung, der den Verantwortlichen für das Inverkehrbringen ausweist, handele es sich nicht um ein Umpacken im Sinne einer Neuetikettierung.
Der Bundesgerichtshof würdigte in seinem Urteil (I ZR 165/15), dass die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Waren unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Markeninhaber das gleiche Arzneimittel in unterschiedlichen Packungen in verschiedenen Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht hat und das Umpacken durch den Importeur erforderlich ist, um das Arzneimittel im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu können.
Für umgepackte Ware gelten folgende Grundsätze:
- Dass das Umpacken den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann.
- Auf der neuen Verpackung ist klar anzugeben, von wem das Arzneimittel umgepackt worden ist und wer deren Hersteller ist.
- Der Ruf der Marke und ihres Inhabers darf nicht geschädigt werden, die Verpackung darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein.
- Der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen des umgepackten Erzeugnisses und liefert ihm auf Verlangen ein Muster der umgepackten Ware.
Im vorliegenden Fall Debrisoft II sei aber kein Umpacken erfolgt, wobei der Begriff Umpacken nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch die Neuetikettierung von mit der Marke versehenen Arzneimitteln umfasst. Wie auch nach dem vorausgegangenem Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 17. Mai 2018 (C-642/16) bewertete der BGH den aufgebrachten Aufkleber nicht um ein Umpacken, denn:
- die Verpackung des betreffenden Medizinprodukts wurde nicht verändert
- die ursprüngliche Aufmachung der Verpackung wurde nicht beeinträchtigt
- die Orginalmarke von Lohmann & Rauscher war sichtbar
- der kleine Aufkleber der Junek Europ-Vertrieb wies den Parallelimporteur unter Angabe seiner Kontaktdaten, eines Strichcodes und einer Pharmazentralnummer als Verantwortlichen für das Inverkehrbringen aus
Erschöpfung des Markenrechts
Ob und inwieweit die Erschöpfung der Markenrechte nach der EU-Verordnung 40/94 (Erschöpfung der Rechte aus der Gemeinschaftsmarke (Artikel 13 der EU-Verordnung 40/94) auch für Medizinprodukte gilt – diese Frage stelle sich nur bei einer Umverpackung, urteilte der Bundesgerichtshof. Denn nur wenn berechtigte Gründe vorliegen, kann sich der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzen, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert worden ist.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte jedoch in seiner Begründung (C-642/16) festgestellt, dass die Anbringung eines solchen Aufklebers, wie in der Rechtssache Debrisoft, die Herkunftsangabe der Marke nicht beeinträchtigt und für den Markeninhaber im Sinne von Artikel 13 Absatz 2 GMV kein legitimer Grund ist, sich dem weiteren Inverkehrbringen des Medizinproduktes zu widersetzen. In diesem Fall ist das Markenrecht nach Artikel 13 Absatz 1 erschöpft. Der Europäische Gerichtshof hatte daher mit dieser Begründung auf die Erschöpfung der Markenrechte für ein Medizinprodukt hingewiesen.
Vor dem BGH wandte sich die Berufung des Parallelimporteurs Junek Europ-Vertrieb jedoch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass eine Erschöpfung des Markenrechts, wie im Falle der Parallelimporte von Arzneimitteln, auch auf den für Medizinprodukte geltenden Grundsätzen beruhen sollte. Diese Grundsätze wurden vom Gerichtshof der Europäischen Union für den Parallelimport von Arzneimitteln entwickelt. Die fehlende vorherige Information des Markeninhabers im Streitfall und die Tatsache, dass der Markeninhaber auch verpflichtet ist, ein Muster der Verpackung zur Verfügung zu stellen, das auch hier fehlt, sind demnach Voraussetzungen für eine Erschöpfung.
Leitsatzentscheidung zum Parallelimport von Arzneimitteln und Medizinprodukten
Der Bundesgerichtshof wies letztlich die Klage der Debrisoft Markeninhaberin Lohmann & Rauscher International ab und urteilte im Fall Debrisoft II mit folgender Leitsatzentscheidung:
- Die Frage, ob und in welchem Umfang die vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten unionsrechtlichen Grundsätze der Erschöpfung des Markenrechts im Falle des Parallelimports von Arzneimitteln auch auf Medizinprodukte (hier: Verbandsmaterial zur Wundversorgung) Anwendung finden, stellt sich nur dann, wenn der Importeur die Ware umgepackt hat, wobei der Begriff des Umpackens auch die Neuetikettierung von mit der Marke versehenen Arzneimitteln umfasst.
- Wurde die Verpackung des betreffenden Erzeugnisses nicht verändert und die ursprüngliche Aufmachung der Verpackung nicht anders beeinträchtigt als durch Anbringen eines kleinen Aufklebers auf einem unbedruckten Teil der zudem ungeöffneten Originalverpackung des in Rede stehenden Medizinprodukts, der die Marke nicht verdeckt und den Parallelimporteur unter Angabe seiner Kontaktdaten, eines Strichcodes und einer Pharmazentralnummer als Verantwortlichen für das Inverkehrbringen ausweist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Anbringen eines solchen Aufklebers auf der Originalverpackung um ein Umpacken handelt
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Quellen:
Urteil des BGH Debrisoft II, I ZR 165/15
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