Eine Marke für Arzneimittel kann in ihrer ernsthaften Benutzung nur nachgewiesen werden, wenn das Arzneimittel zugelassen ist, nicht aber durch Benutzung der Marke in einer klinischen Studie, urteilte der EuGH. Eine klinische Studie kann aber ein berechtigter Grund für Nichtbenutzung der Marke sein. Ein wichtiges Urteil im Markenrecht für Arzneimittel.
Im Rahmen eines Verfallsverfahrens einer eingetragen Marke im Arzneimittelsektor hatte der Europäische Gerichtshof gestern grundsätzlich im Markenrecht für Arzneimittel zu urteilen.
Stellt die Benutzung einer Marke im Rahmen einer klinischen Studie eine ernsthafte Benutzung dar? Klägerin Viridis Pharmaceutical Ltd (UK) machte dies geltend und begründete, dass es sich bei einer klinischen Studie um eine interne Benutzung handele mit noch dazu einer beschränkten Anzahl von Teilnehmern. Ebenso stellte Viridis in Frage, dass nach Urteil in der angefochtenen Entscheidung der Nachweis der Benutzung der Marke nur für Arzneimittel gilt, die bereits zugelassen sind.
Markenrecht im Arzneimittelsektor
Die Richtlinie 2001/83 gibt den Spielraum für Markennutzung im Arzneimittelsektor vor. Nach Art. 1 Nr. 20 dieser Richtlinie kann die Bezeichnung eines Arzneimittels ein gebräuchlicher oder wissenschaftlicher Name in Verbindung mit einem Warenzeichen sein. Eine eingetragene Marke für Arzneimittel kann in bestimmten Fällen mit dem Namen des Arzneimittels übereinstimmen. Die Richtlinie enthält auch die Regel, dass Werbung insbesondere den Namen des Arzneimittels zu enthalten habe (Art. 89 Abs. 1 Buchst. b). Allerdings ist Werbung nur für zugelassene Arzneimittel erlaubt.
EuGH: auch Marke für Arzneimittel dient dem Absatzmarkt
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies mit seinem gestrigen Urteil (EU:C:2019:557) beide Einwände zurück. Das Gericht erinnerte daran, dass eine Marke in ihrer Hauptfunktion benutzt wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. In einer klinischen Studie aber wird eine Marke so nicht benutzt. Denn eine ernsthafte Benutzung der Marke setze voraus, dass diese auf dem Markt der durch sie geschützten Waren oder Dienstleistungen und nicht nur innerhalb des betreffenden Unternehmens benutzt wird.
Zwar könne auch eine ernsthafte Benutzung einer Marke vor ihrer Vermarktung vorliegen, doch gelte dies nur dann, wenn der Vertrieb unmittelbar bevorstehe. Klägerin Viridis habe aber nicht nachgewiesen, dass die klinische Studie vor einem baldigen erfolgreichen Abschluss stand. Gemäß den anwendbaren Vorschriften könne zudem ein noch nicht zugelassenes Arzneimittel nicht einmal Gegenstand einer Werbung sein, die auf die Erschließung oder Sicherung eines Marktanteils gerichtet sei, urteilte der EuGH. Somit sei es nicht möglich, eine Marke, die ein noch nicht zugelassenes Arzneimittel bezeichnet, auf dem betreffenden Markt zu nutzen.
Berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung
Viridis machte ebenfalls geltend, dass der sogenannten Fünfjahresfrist der Sinn genommen werde, indem es das Vorliegen berechtigter Gründe für die Nichtbenutzung der angegriffenen Marke verneint habe. Eine Marke für Arzneimittel, bei der die Frist fast oder bereits abgelaufen sei, werde nämlich faktisch unbenutzbar, da nur die Stellung eines Antrags auf Zulassung geeignet wäre, die Nichtbenutzung zu rechtfertigen. Die Dreimonatsfrist gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 sei insoweit unzureichend, da sie es nicht gestatte, eine klinische Studie abzuschließen.
Das Gericht wies diesen Klagepunkt zurück. Aufgrund der eigenen Entscheidung von Viridis sei die streitige Marke bereits früh im Ablauf angemeldet worden. Der Antrag auf eine klinische Studie sei erst über drei Jahre nach der Eintragung der angegriffenen Marke gestellt worden. Dass es diese Frist gibt (Fünfjahresfrist gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009), bedeute nicht, dass der betreffende Markeninhaber der Verpflichtung enthoben wäre, rechtzeitig alle notwendigen Vorbereitungen abzuschließen, um die Marke ernsthaft benutzen zu können, sobald die Frist abgelaufen ist, urteilte der EuGH.
Definition des Begriffs des berechtigten Grundes
Nach der Rechtsprechung des EuGH können allein die Hindernisse, die einen ausreichend unmittelbaren Zusammenhang mit der Marke aufweisen, ihre Benutzung unmöglich oder unzumutbar machen und vom Willen des Markeninhabers unabhängig sind, als „berechtigte Gründe“ für die Nichtbenutzung angesehen werden. Es ist laut EuGH jeweils im konkreten Fall zu prüfen, ob eine Änderung der Unternehmensstrategie zur Umgehung des jeweiligen Hindernisses die Benutzung der Marke unzumutbar macht (Urteile C‑246/05, EU:C:2007:340 und C‑252/15 P, EU:C:2016:178).
Zudem nennt das TRIPS-Übereinkommen unter den Beispielen für triftige Gründe für die Nichtbenutzung einer Marke auch staatliche Auflagen für mit der Marke gekennzeichnete Waren oder Dienstleistungen.
Klinische Studie – ein berechtigter Grund für Nichtbenutzung der Marke?
Die Durchführung einer klinischen Studie sei als berechtigter Grund für die Nichtbenutzung der angegriffenen Marke ausgeschlossen, hatte die Beschwerdekammer und auch nachfolgend das Europäische Gericht (EuG) entschieden (T 276/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:611, angefochtenes Urteil). Vor allem mit Verweis auf das TRIPS-Übereinkommen machte Viridis darin einen Rechtsfehler geltend. Der EuGH wies dies zurück. Das Europäische Gericht habe keineswegs ausgeschlossen, dass eine klinische Studie ein berechtigter Grund für die Nichtbenutzung einer Marke sein kann, stellte der EuGH klar. Vorliegend aber habe Viridis selbst entschieden, die Markenanmeldung weit vor der klinischen Studie voranzutreiben, dies könne daher nicht als von ihrem Willen unabhängige Hindernisse angesehen werden.
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Quellen:
Urteil EuGH Marke für Arzneimittel EU:C:2019:557
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