Der EuGH hat in dem interessanten Fall ‚Achtung!‘ zu einer Marke geurteilt, die auch als Werbebotschaft verstanden werden könnte. Ein beschreibender Charakter der Werbebotschaft kann die Markenablehnung nur begründen, wenn dieser beschreibende Charakter auch geprüft wird – und nicht einfach vorausgesetzt ist.
Der Sachverhalt
Das Europäische Patent- und Markenamt (EUIPO) wies die Anmeldung der EU Bildmarke achtung! wegen fehlender Unterscheidungskraft zurück (mit Verweis auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009). Die Streitmarke war angemeldet worden in mehreren Klassen der Nizza-Klassifikation, vor allem im Bereich Waren und Dienstleistungen für die PR- und Werbebranche, von Kommunikationsdiensten bis Domain- und E-Commerce Service. Markenanmelder ist die achtung! GmbH (Deutschland).
Die Beschwerde der Markenanmelder wurde sowohl von der Beschwerdekammer des EUPIO zurückgewiesen als auch in der nächsten Instanz vor dem Europäischen Gericht (EuG, Urteil EU:T:2019:2). Weil die angemeldete Marke im deutschsprachigen Raum als anpreisende Werbebotschaft wahrgenommen werde und die Marke auch keinen bildlichen Bestandteil aufweist, mit der sie als Hinweis auf eine betriebliche Herkunft verstanden werden könnte, fehle dem Bildzeichen die erforderliche Unterscheidungskraft.
Gegen dieses Urteil wendete sich die Klägerin achtung! GmbH und wandte sich an das höchste Europäische Gericht (EuGH), das heute in diesem Fall urteilte.
Die Klägerin machte geltend, dass das Gericht zu Unrecht nur eine von mehreren Bedeutungen des Wortes Achtung in seinem Urteil berücksichtigt habe. Tatsächlich hatte das sich das EuG auf die Bedeutung „Ruf oder Aufschrift, um zur Vorsicht oder Aufmerksamkeit zu mahnen“ beschränkt. Außerdem sei nicht genügend gewürdigt worden, dass achtung in der Streitmarke Regelwidrig klein geschrieben werde. Die Groß- und Kleinschreibung hat zwar keine Relevanz in einer Wortmarke, da das Zeichen aber als Bildmarke angemeldet wurde, müsse es so bewertet werden, wie es angemeldet wurde, argumentierte die Klägerin.
EuGH zu Unterscheidungskraft: alle Verwendungsarten der Marke zu prüfen
Die Unterscheidungskraft oder besser gesagt die fehlende Unterscheidungskraft vor allem von Marken mit impliziter Werbebotschaft wurden letztlich schon mehrfach vor den Europäischen Gerichten als Rechtsstreit ausgetragen (beispielsweise #bestdeal, we’re on it, SimplyConneted und Avanti). Wichtiges Urteil in diesem Kontext ist das Urteil #darferdas, in dem der EuGH im letzten Jahr entschied, dass sämtliche Verwendungsarten einer angemeldeten Marke zu prüfen sind- wenn deren Verwendung wahrscheinlich und in der Branche üblich ist.
Achtung! – ein Blickfang für Aufmerksamkeit
Auch der EuGH selbst verwies auf sein Urteil #darferdas und räumte ein, dass Achtung auch stehen könne für „Hochschätzung, Wertschätzung, Respekt“. Zudem dürfe die Unterscheidungskraft eines als Marke angemeldeten Zeichens nicht allein unter Berücksichtigung seiner wahrscheinlichsten Verwendung beurteilt werden, sondern ist unter Heranziehung sämtlicher wahrscheinlicher Verwendungsarten der angemeldeten Marke zu prüfen. Allerdings sei vorliegend auch das Ausrufezeichen – noch dazu in orangener Farbe – zu berücksichtigen.
Mit Ausrufezeichen sei Achtung! dann eben doch ein Blickfang für Aufmerksamkeit, die anderen Bedeutungen seien praktisch nicht bedeutsam, urteilte der EuGH. Auch die Kleinschreibung des Buchstabens „a“ am Anfang des Wortes „Achtung“ verleihe keine Unterscheidungskraft, fügte das Gericht hinzu, „da es sich um einen in der deutschen Sprache verbreiteten Schreibfehler handele“, wie der EuGH wörtlich begründete.
Rüge: EuG setzte beschreibenden Charakter automatisch voraus
Dennoch rügte der EuGH das von der Klägerin angefochtene Urteil des EuG. Das EuG hatte mit beschreibendem Charakter der anpreisenden Werbeaussage argumentiert, aber diesen unterstellten beschreibenden Charakter nicht geprüft und dargelegt, rügte der EuGH.
Denn das EuG hatte sein Urteil darauf gestützt, dass ein Zeichen gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen sei – wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichne (also als beschreibend zu sehen ist gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009). Und tatsächlich weisen Zeichen mit beschreibendem Charakter stets fehlende Unterscheidungskraft auf, bestätigte das Gericht. Auch sei richtig, dass ein Zeichen als beschreibend gilt (im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c), wenn mindestens eine seiner potenziellen Bedeutungen ein Merkmal der betreffenden Waren bezeichnet.
Diese zu Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 ergangene Rechtsprechung sei jedoch nur im Rahmen ihres Art. 7 Abs. 1 Buchst. b entsprechend anwendbar, wenn die Unterscheidungskraft einer Markenanmeldung wegen dem beschreibenden Charakter in Frage gestellt wird, stellte der EuGH fest. Im vorliegenden Fall aber sei der beschreibende Charakter der angemeldeten Marke weder dargetan noch auch nur geprüft worden, bemängelte der EuGH. Die Eintragung der Marke konnte daher nicht mit der Begründung ‚ beschreibender Charakter ‘ abgelehnt werden.
EuGH: gewöhnliche Werbebotschaft = ohne Unterscheidungskraft
Doch das EuG hatte zusätzlich eine weitere Begründung zur Ablehnung der Marke und der fehlenden Unterscheidungskraft angeführt, nämlich dass die angemeldete Marke von den maßgeblichen Verkehrskreisen als gewöhnliche Werbebotschaft und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft wahrgenommen werde. Dies begründe zurecht die fehlende Unterscheidungskraft, erläuterte der EuGH. Der dem EuG unterlaufene Rechtsfehler wirke sich somit nicht auf den Tenor des angefochtenen Urteils aus, das EuG habe seine Schlussfolgerung, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft habe, rechtlich hinreichend begründet, entschied der EuGH.
Die Klage wurde daher vollständig zurückgewiesen. Achtung! bleibt der Markenschutz verwehrt.
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Quellen:
Urteil des EuGH, EU:C:2020:632
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