Der EuGH hatte zu entscheiden über den Schutz von (geografischen) Ursprungsbezeichnungen im Rechtsstreit Champagner (Geschützte Ursprungsbezeichnung) gegen Champanillo (Handelsname). Eine Anspielung im Sinne der EU Verordnung erfordert kein Vorliegen von unlauterem Wettbewerb, entschied der EuGH.
Champagner gegen Champanillo – diesen interessanten Rechtsstreit legte das Provinzgericht Barcelona aus Spanien vor (Audiencia Provincial de Barcelona) mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Der ursprüngliche Rechstsstreit drehte sich um die Ähnlichkeit zwischen Champagner und Champanillo, allerdings stand im Fokus der Rechtsfragen vor dem EuGH vielmehr der Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben.
Champagner ist Geschütze Ursprungsbezeichnung (g.U.)
Denn Champagner ist eine Geschütze Ursprungsbezeichnung (g.U.). Und die Interessengemeinschaft der Erzeuger von Champagner, das Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne (CIVC) achtet auch aufmerksam auf seine Schutzrechte und mögliche Verletzungen der Rechte. Insofern war dem CIVC auch nicht entgangen, dass der Besitzer von Tapas-Bars in Spanien das Zeichen CHAMPANILLO für Eigenwerbung nutzte, in sozialen Netzwerken und auch in Werbebroschüren. Auch beantragte er die Eintragung der Marke CHAMPANILLO beim spanischen Patent- und Markenamt, die aber zweimal abgelehnt wurde, jeweils nach Widerspruch des CIVC.
Zudem vertrieb er ein als Champanillo bezeichnetes Schaumgetränk, stellte diesen Vertrieb allerdings 2015 auf Aufforderung des CIVC ein.
Das CIVC war der Ansicht, dass die Verwendung des Zeichens CHAMPANILLO die g.U. „Champagne“ verletze, und erhob beim Juzgado de lo Mercantil de Barcelona (Handelsgericht Barcelona, Spanien) Klage gegen Besitzer der Tapas-Bars. Die Verwendung des Zeichens CHAMPANILLO – auch in sozialen Medien (Instagram und Facebook) sei zu unterlassen, jegliche Firmenzeichen und Werbe- sowie Geschäftsdokumente, auf denen dieses Zeichen abgebildet ist, vom Markt und aus dem Internet zu entfernen und der Domainname „champanillo.es“ zu löschen, forderte das CIVC.
Der Beklagte widersprach und argumentierte, dass die Verwendung des Zeichens CHAMPANILLO als Handelsname von Gastronomiebetrieben keine Verwechslungsgefahr mit den von der g.U. „Champagne“ erfassten Erzeugnissen mit sich bringe und dass er keinesfalls beabsichtige, aus dem Ansehen dieser g.U. Profit zu schlagen.
Das Handelsgericht lehnte die Klage des CIVC gegen das Zeichen Champanillo ab, daraufhin legte das CIVC Berufung dagegen beim Provinzgericht Barcelona ein. Dieses Gericht wiederum bat den EuGH um die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 510/2006 und Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013. Gemäß diesem Artikel ist jede direkte oder indirekte Verwendung eines eingetragenen Namens zu verbieten (zumindest bei zumindest bei sehr großer Ähnlichkeit), durch die das Ansehen einer durch Eintragung geschützten Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe ausgenutzt wird (siehe EuGH Entscheidung Morbier Käse von 2020, C‑490/19).
Vorlagefrage Champanillo: Auslegung von Art. 103 Abs. 2 Buchst. b
Das vorlegende Gericht wollte dies noch genauer bestimmt wissen: gilt dieser Schutz von (geografischen) Ursprungsbezeichnungen überhaupt gegen Dienstleistungen, die unter einer geschäftlichen Bezeichnung angeboten werden? Und wie ist der Begriff ‚Anspielung‘ in der EU Verordnung zu verstehen: muss eine Anspielung anhand objektiver Kriterien festgestellt werden? Oder muss für die Feststellung einer Anspielung auch unlauterer Wettbewerb festgestellt werden?
Schutz einer g.U. – auch gegenüber Dienstleistungen?
Die Frage, ob der Schutz einer g.U: auch in Bezug auf Dienstleistungen gilt, war durchaus berechtigt. Denn nach Art. 92 und Art. 93 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1308/2013 kann eine g.U. nur für Erzeugnisse geführt werden. Für eine Dienstleistung kann also kein Schutz gemäß geografischer oder Ursprungsherkunft eingetragen werden.
Der EuGH verwies aber auf die Ziele dieser EU Verordnung, die mit berücksichtigt werden müssen. Das Gericht betonte, dass der Schutz von g. U. gegen widerrechtliche Nachahmung einen hohen Schutzgrad sicherstellen muss. Daher sei er auch auf Dienstleistungen auszudehnen, entschied der EuGH, auch um an den im Weinsektor geltenden Schutz anzugleichen.
Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 sei daher dahin auszulegen, dass g.U. gegen Handlungen geschützt werden, die sich sowohl auf Erzeugnisse als auch auf Dienstleistungen beziehen, urteilte der EuGH.
Begriff „Anspielung“ im Sinne der EU Verordnung
Mehr Rechtsklarheit gibt das EuGH Urteil Champanillo auch in Bezug auf Anspielung. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt als „Anspielung“, wenn der Verbraucher durch den Namen des fraglichen Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen (siehe u. a. in Scotch Whisky Association, C‑44/17).
Diese Rechtsprechung wurde jetzt vom EuGH nochmals bestätigt. Im Hinblick auf den Begriff „Anspielung“ komme es entscheidend darauf an, erklärte der EuGH im Fall Champanillo, ob der Verbraucher durch einen streitigen Namen veranlasst wird, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu der von der g.U. erfassten Ware herzustellen. Das sei durch das nationale Gericht zu prüfen, entschied der EuGH, wobei gegebenenfalls der teilweise Einschluss einer g.U. in den streitigen Namen, eine klangliche und/oder visuelle Ähnlichkeit dieses Namens mit der g.U. oder eine inhaltliche Nähe des Namens zu der g.U. zu berücksichtigen sei. Grundsätzlich können laut Rechtsprechung übrigens auch Bildzeichen beim Verbraucher wegen ihrer „begrifflichen Nähe“ zu einer solchen Bezeichnung unmittelbar das Bild von Waren hervorrufen, deren Name eingetragen ist. Doch eine konkrete Ähnlichkeit oder Identität muss nicht vorliegen für die Feststellung einer Anspielung, auch keine Verwechslungsgefahr, präzisierte der EuGH jetzt im Fall Champanillo.
Entscheidend sei der gedankliche Zusammenhang, den der Verbraucher zwischen einem Namen oder Zeichen zu einer g.U. herstellt, einen „hinreichend unmittelbaren und eindeutigen Zusammenhang“, wie der EuGH ergänzte. Als Verbraucher sei ein durchschnittlich aufmerksamer Europäer anzunehmen, ein effektiver und einheitlicher Schutz der eingetragenen Namen müsse entsprechend vor jeder Anspielung auf diese im gesamten Unionsgebiet sichergestellt werden. Es können nicht nur die Verbraucher des Mitgliedstaats berücksichtigt werden, in dem das Erzeugnis hergestellt wird, das zu der Anspielung auf die geschützte geografische Angabe führt, sondern die Verbraucher in der gesamten EU.
Zudem erklärte der EuGH, dass es sich mit der nach Art. 103 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1308/2013 vorgesehene Schutzregelung gegen die Anspielung auf eine g.U. um eine objektive Schutzregelung handele. Für deren Anwendung ist weder ein Nachweis von Absicht noch von Verschulden erforderlich.
Ebenso wenig setze die Schutzregelung einer Anspielung voraus, dass eine unlautere Wettbewerbshandlung festgestellt werden muss. Es kann zwar durchaus in einem unzulässigen Verhalten sowohl einen Verstoß wegen Anspielung auf eine g.U. vorliegen und zusätzlich eine unlautere Wettbewerbshandlung, erläuterte das Gericht. Der Schutz einer g.U. jedoch sei ein eigenständiger Schutz, der unabhängig von den Bestimmungen des nationalen Rechts über den unlauteren Wettbewerb gilt, urteilte der EuGH.
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Weihnachtszeit ist Zeit der Leckereien – und das sind oftmals geschützte geografische Angaben, man denke an Dresdner Christstollen, Nürnberger Lebkuchen, Aachener Printen oder Lübecker Marzipan. Und auch nach dem vorliegenden Fall Champanillo liegt die Verantwortung der entsprechenden Rechtsentscheidungen weiterhin in die Hand der nationalen Gerichte.
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Quellen:
EuGH ‚Champanillo‘, EU:C:2021:713
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