Das Europäische Gericht hat ein weiteres Urteil zu einer 3D „Form“ Marke getroffen, eine 3D Marke für Lippenstift. Nicht Neuheit oder Originalität führen zur Unterscheidungskraft, auch kein „Qualitätsdesign“ – entscheidend ist vielmehr eine ungewöhnliche visuelle Wirkung.
Dreidimensionale Marken sind sehr beliebt, vor allem natürlich im Bereich Verpackung, aber ebenso auch im Bereich Mode, Fashion und Inneneinrichtungen. Immer wieder werden daher solche Markeneintragungen einer 3D Marke auch Thema vor den Europäischen Gerichten. Wichtige Entscheidungen in Bezug auf eine 3D Marke – vor allem für eine 3D Marke, die aus der Form der Ware besteht – sind das EuGH Urteil Louboutin von 2018 sowie von 2019 das EuGH Urteil Wajos.
Rechtsprechung für eine 3D Marke
Zusammenfassend kann man in der Rechtsprechung für eine 3D Marke folgendes festhalten: Eine dreidimensionale Marke, die aus der Form der Ware besteht, muss erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweichen. Zwar sind die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft auch solcher dreidimensionaler Marken die gleichen sind wie für alle anderen Marken. In der Praxis aber kann ein Verbraucher aus dem Erscheinungsbild der Ware nicht auf die Herkunft der Ware schließen wie bei einer Wort- oder Bildmarke, daher ist de facto eine deutliche Abweichung von der Norm erforderlich.
Allerdings genügt ein Minimum an Unterscheidungskraft für eine Markeneintragung. Und auch wenn diese Form eine Variante der üblichen Formen dieser Warengattung oder der Verpackung dieser Warengattung ist, bedeutet das nicht grundsätzlich fehlende Unterscheidungskraft; aber Unterscheidungskraft ist weniger wahrscheinlich, je mehr die betreffende Ware in einer erwartbaren Form vorliegt. Mit diesem Argument wurde u. a. eine 3D Marke auf ein Erdinger Bierglas abgelehnt.
Umgekehrt gilt zudem, dass die bloße Neuheit einer Form für die Bejahung der Unterscheidungskraft nicht ausreicht. Allerdings bedeutet die Tatsache, dass eine Branche durch eine große Vielfalt an Warenformen gekennzeichnet ist, nicht, dass eine etwaige neue Form zwangsläufig als eine dieser Warenformen wahrgenommen wird.
3D Marke für Lippenstift: der Sachverhalt

Wie sieht das in der Auslegung einer Praxis aus? Immerhin haben sich die Europäischen Markenämter zum 1. April 2020 auf eine einheitliche Rechtsprechung in Bezug auf die Beurteilung der Unterscheidungskraft von 3 D Marken geeinigt haben – wir berichteten. Dennoch wurde auch in dem jetzt vor dem Europäischen Gericht verhandelten Fall (14. Juli 2021, T:2021:443) als Einzelfallentscheidung über eine 3D Marke für Lippenstift verhandelt. Denn explizit gibt es keine einheitliche Rechtsprechung zu Formmarken oder 3 D Marken, die ausschließlich aus der Form der Ware bestehen.
Im hier vorliegenden Fall hatten das Prüfungsamt und auch die Beschwerdekammer des EUIPO die gewünschte Markeneintragung der 3D Marke für Lippenstift der Klägerin Guerlain (Frankreich) abgelehnt wegen fehlender Unterscheidungskraft. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um eine dreidimensionale Marke, die aus der Form einer Ware besteht, nämlich eines Lippenstiftes.
Die Beschwerdekammer hatte dazu festgestellt, dass der relevante Lippenstiftbereich durch eine große Vielfalt von Formen gekennzeichnet sei, von denen die zur Marke eingereichten Darstellungen die Norm und die üblichen oder typischen Formen solcher Produkte seien. Die angemeldete 3D Marke für Lippenstift sei halbzylindrisch und damit eine typische Form für Lippenstift. Auch seien die Verbraucher an ovale Behälter von Lippenstift gewöhnt. Die Klägerin widersprach und machte geltend, dass die Marke deutlich von der Norm und der Branchenüblichkeit abweiche.
EuG: Unterscheidungskraft durch ungewöhnliche visuelle Wirkung
Und das Europäische Gericht gab der Klägerin recht. Insgesamt sei die Form der genannten Marke nicht „halbzylindrisch“, wie vom EUIPO behauptet, da sie keine zylinderähnlichen ebenen Flächen aufweise. Vielmehr erinnere diese Form an einen Schiffsrumpf oder eine Babytragetasche, entschied der EuG. Zudem sei das Vorhandensein der kleinen erhabenen ovalen Form ungewöhnlich und trage zur ungewöhnlichen Erscheinungsform bei. Verstärkt werde der ungewöhnliche visuelle Aspekt der Form durch die Tatsache, dass sich der von dieser Marke dargestellte Lippenstift nicht aufrecht hinstellen lässt.
Die Berücksichtigung des ästhetischen Erscheinungsbilds der angemeldeten Marke komme nicht einer Bewertung der Schönheit der in Rede stehenden Ware gleich, erläuterte das Gericht, sondern es sei zu prüfen, ob dieses Erscheinungsbild eine objektive und in den Augen der maßgeblichen Verkehrskreise ungewöhnliche visuelle Wirkung hervorrufen kann. Nicht Neuheit oder Originalität führen zur Unterscheidungskraft, auch kein „Qualitätsdesign“ – entscheidend ist vielmehr eine ungewöhnliche visuelle Wirkung, betonte der EuG.
Eine solche Wirkung liege hier vor, entschied das Gericht, die maßgeblichen Verkehrskreise würden von dieser leicht einprägsamen Form überrascht sein und sie als Herkunftsnachweis wahrnehmen. Die angemeldete Marke verfügt daher über Unterscheidungskraft, urteilte der EuG – gegenteilig zu der Entscheidung der Beschwerdekammer. Der EuG hob die Entscheidung der Beschwerdekammer auf. Die 3D Marke für Lippenstift kann eingetragen werden.
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