Pfizer gewann vor dem EuGH in Fragen von Zolltarif und Kombinierter Nomenklatur für die Handelsmarke ThermaCare. Medizinprodukte mit medizinischem Zweck sind in die KN-Position 3005 zu reihen, die Einreihung gemäß Durchführungsverordnung 2016/1140 ist ungültig.
Vor dem höchsten Europäischen Gericht (EuGH; EU:C:2020:243) wurde jetzt über die Medizinprodukte ThermaCare in einem sehr interessanten Fall verhandelt für alle an Pharma- und Life-Science Themen Interessierten. Schon seit 1987 gibt es eine zolltarifliche und eine Kombinierte Nomenklatur (KN) sowie den Gemeinsamen Zolltarif für Medizinprodukte im Sinne der Harmonisierung des Wirtschaftsraums in der Europäischen Union.
Pfizer ThermaCare- mit medizinischem Zweck
Die Handelsmarke ThermaCare von Pfizer für Medizinprodukte mit medizinischem Zweck wiederum wird seit Jahren in verschiedenen Europäischen Ländern vermarktet und vertrieben – als Medizinprodukte mit wärmetherapeutischem Zweck.
Die Produktpalette umfasst Wärme erzeugende Auflagen, die zum überwiegenden Teil in mehreren Größen erhältlich und für einen spezifischen Bereich des Körpers gedacht sind. Die wärmetherapeutische Wirkung tritt ein, sobald die Medizinprodukte ausgepackt und auf die Haut aufgelegt wird, entsprechend werden diese Medizinprodukte zum Einzelverkauf verpackt. ThermaCare ist als „aktives Medizinprodukt“ nach der Richtlinie 93/42 klassifiziert und mit einer CE‑Kennzeichnung genehmigt und zertifiziert.
Eingereiht im Zolltrarif war ThermaCare seit 2012 durch die Zollbehörden in DE und in der SLO in KN-Position 3005. Doch 2016 – mit Erlass der Durchführungsverordnung 2016/1140 – hob die EU Finanzverwaltung die vZTA auf, die sie Pfizer im Jahr 2012 erteilt hatte und welche die ThermaCare-Produkte in die KN-Position 3005 einreihten. Pfizer beantragte daraufhin einen erneute vZTA für die KN-Position 3005, erhielt aber im November 2017 unter Berufung auf die Durchführungsverordnung 2016/1140 eine vZTA, die diese Waren in die KN-Position 3824 einreihte. Dagegen wehrte sich Pfizer.
UK zweifelte an der Gültigkeit der Durchführungsverordnung 2016/1140
Bezogen auf die Medizinprodukte ThermaCare von Pfizer erkannte daher das vorlegende Gericht, der britische First-tier Tribunal, Tax Chamber (Kammer für Steuersachen, UK) einen Widerspruch einer Einreihung gemäß der Durchführungsverordnung 2016/1140 und zweifelte an der Gültigkeit dieser Durchführungsverordnung. Denn zum einen war das Medizinprodukt von Pfizer bereits vor dieser Durchführungsverordnung von 2016 in der KN-Position 3005 eingeordnet, und zudem handelt es sich um ein Medizinprodukt für einen wärmetherapeutischen Zweck. Widerspricht nicht beides einer Einordnung gemäß Durchführungsverordnung 2016/1140 in die KN-Code Position 3824?
Der EuGH beantwortete dies mit einem klaren Ja. Für Medizinprodukte mit medizinischem Zweck ist die Durchführungsverordnung 2016/1140 ungültig, urteilte das Gericht.
KN-Position 3005 und KN-Position 3824
Die Einreihung in die KN-Position 3824 unterscheidet sich grundlegend von der Einreihung in die KN-Position 3005. Denn in der KN-Position 3824 geschieht die Einreihung auf der Grundlage der Chemikalien, die den Stoff oder Bestandteil bilden, der ihnen den wesentlichen Charakter verleiht (hier die „Hitzezellen“ einschließlich der Chemikalien), in der KN-Position 3005 dagegen auf der Grundlage des Wortlauts der jeweiligen Positionen gemäß der genaueren Warenbezeichnung.
Der Wortlaut der KN-Position 3005 erfasse die Waren auch im Sinne der Durchführungsverordnung 2016/114, argumentierte Pfizer vor dem EuGH. Es handle sich um „ähnliche Erzeugnisse“ wie Senfplaster, vor allem auch in ihrer Funktion für die Schmerzlinderung. Zudem seien die Medizinprodukte ThermaCare in ihrer Aufmachung für den Einzelverkauf zu medizinischen Zwecken gedacht.
Medizinprodukte mit medizinischem Zweck
Das Gericht bestätigte diese Sichtweise. Zwar werde der Ausdruck „zu medizinischen … Zwecken“ im Sinne der KN-Position 3005 der KN weder in der KN noch in ihren Erläuterungen definiert, führte das Gericht aus. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Ware für medizinische Zwecke bestimmt ist, seien daher die Verwendung der Waren und auch die Art und der Ort der Verwendung relevante Aspekte.
Es sei im Übrigen davon auszugehen, dass eine Ware, die speziell zur Vorbeugung, Diagnose oder Behandlung von Krankheiten oder Verletzungen hergestellt wird, ‚medizinische Zwecke‘ im Sinne der KN-Position 3005 verfolgt, urteilte der EuGH und erinnerte an die Bedeutung des Begriffs Medizin im allgemeinen Sprachgebrauch.
Auch stelle der Umstand, dass diese Waren gemäß der Richtlinie 93/42 als „aktive Medizinprodukte“ eingestuft werden, ein zusätzliches Indiz dar. Hingegen deute nichts darauf hin, dass diese Waren auf ästhetische Verbesserungen abzielen würden, erläuterte der EuGH, wäre das der Fall, wäre dies ein starkes Indiz gegen einen Charakter als Medizinprodukte mit medizinischem Zweck.
Wenn Medizinprodukte in bestimmten Fällen nicht verwendet werden sollen
Die Kommission hatte zudem geltend gemacht, dass der allgemeine Zweck der zu KN Position 3005 gehörenden Waren darin bestehe, Schmerzen oder Verletzungen zu behandeln, die in Rede stehenden Waren jedoch Warnungen vor deren Anbringung auf der Haut zum Verbinden von Verletzungen, Prellungen oder Ödemen enthalten. Die Begriffe „Watte, Gaze [oder] Binden“ im Sinne der KN-Position 3005 seien daher überhaupt nicht erfüllt durch die Medizinprodukte ThemaCare.
Der EuGH wies diese Argumentation zurück. Durch den Umstand, dass Waren in bestimmten Fällen nicht verwendet werden sollten, lasse sich nicht in Zweifel ziehen, dass sie zur Behandlung von Schmerzen und Verletzungen dienen, erklärte das Gericht.
Da zudem nach dem Wortlaut der KN-Position 3824 die unter diese Position fallenden Waren Erzeugnisse sind, die „anderweit weder genannt noch inbegriffen“ sind, können die Medizinprodukte mit medizinischem Zweck gar nicht in diese KN-Position fallen, sondern gehören zu der KN-Position 3005, urteilte der EuGH.
Die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1140 der Kommission vom 8. Juli 2016 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur ist ungültig, lautet das Urteil.
Weitere Urteile im Bereich Patentschutz und Vertrieb von Medizinprodukten:
Sie finden bei uns zahlreiche weitere Beiträge zum Thema Medizinprodukte, insbesondere im Bereich Patentschutz und Vertrieb empfehlen wir Ihnen folgende Beiträge:
- Ergänzende Schutzzertifikate nicht zulässig für Medizinprodukte!
- „Wirkungsvoll“ und „Effektiv“ sind irreführende Arzneimittelwerbung
- RESCUE TROPFEN: Unterlassungsanspruch umfasst auch den Rückruf
Suchen Sie Beratung für Ihre Patentrechte oder im Bereich Medizinprodukte?
Unsere Patentanwälte und Rechtsanwälte verfügen über Expertise in allen Rechtsgebieten des gewerblichen Rechtsschutz, national wie auch international.
Wir freuen uns auf den Kontakt mit Ihnen!
Quellen:
Urteil des EuGH Pfizer Heading 3005 oder 3824 , EU:C:2020:243
Bild:
Schreiben Sie einen Kommentar