In seinem Urteil Pharma Expressz bestätigte das höchste Europäische Gericht das Inverkehrbringen von Arzneimitteln nach nationalen Regeln. Dies gilt sogar unabhängig davon, dass es in einem anderen Mitgliedstaat ohne ärztliche Verschreibung verkauft werden darf.
Inverkehrbringen von Arzneimitteln in der EU
Hintergrund zu diesem Urteil war eine Anfrage für eine Vorabentscheidung aus Ungarn.
Als die für die Überwachung des Inverkehrbringens von Arzneimitteln zuständige Behörde stellte das ungarische Institut fest, dass Pharma Expressz (Pharma Expressz Szolgáltató és Kereskedelmi Kft (Ungarn)) mehrfach aus einem anderen EWR-Mitgliedstaat ein Arzneimittel eingeführt hatte, dessen Inverkehrbringen in Ungarn nicht genehmigt worden war, das aber in diesem anderen Mitgliedstaat des EWR als nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel freigegeben war.
Das Institut war der Auffassung, dass die Verwendung eines solchen Arzneimittels zu therapeutischen Zwecken vom verschreibenden Arzt bei ihm angemeldet hätte werden müsse, der seinerseits eine Stellungnahme über diese Anwendung einholen müsse. Denn nach ungarischem Recht (§ 3 Abs. 5 der Emberi felhasználásra kerülő gyógyszerek rendeléséről és kiadásáról szóló 44/2004. EszCsM rendele), das bis zum 13. Februar 2018 galt, war folgendes vorgesehen:
„Ein Arzt darf ein Arzneimittel, dessen Inverkehrbringen nicht in Ungarn, aber in einem Mitgliedstaat des EWR nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes nur verschreiben, wenn er das Arzneimittel vor der Verschreibung beim Institut anmeldet und dessen Stellungnahme einholt“.
Vor dem EuGH stand daher im Fokus die Frage, ob eine nationale Regelung anwendbar ist bei dem Verkauf in Apotheken eines zweiten Mitgliedstaats ohne Genehmigung für das Inverkehrbringen in diesem Mitgliedstaat – und das für ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel.
Vorrang von nationalen Regelungen
In seinem Urteil bestätigte das höchste Europäische Gericht den Vorrang von nationalen Regelungen in Bezug auf das Inverkehrbringen von Arzneimitteln. Ein im nationalen Recht vorgesehenes Erfordernis, eine Stellungnahme der zuständigen Behörde einzuholen, um die Einhaltung der in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 festgelegten Voraussetzungen sicherzustellen, stelle eine ordnungsgemäße Umsetzung dieser Bestimmung dar, entschied der EuGH.
Verfügt ein Arzneimittel also nicht über eine von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem es zum Verkauf angeboten wird, oder eine nach dem zentralisierten Verfahren erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen, darf es nach Ansicht des EuGHs in diesem Staat nicht vertrieben werden – und zwar unabhängig davon, dass es in einem anderen Mitgliedstaat ohne ärztliche Verschreibung verkauft werden darf. Die Arzneimittelrichtlinie verlange nicht nur nicht, dass ein Arzneimittel, dessen Inverkehrbringen als nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel durch einen Mitgliedstaat genehmigt wurde, durch einen anderen Mitgliedstaat, der dessen Vertrieb nicht genehmigt hat, ebenfalls als nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel anzusehen ist, sondern stehe ganz im Gegenteil dieser Möglichkeit entgegen.
Ein in einem Mitgliedstaat nicht der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel darf in einem anderen Mitgliedstaat nur dann vertrieben werden, wenn auch dieser Mitgliedstaat sein Inverkehrbringen genehmigt, lautete das Urteil des EuGHs.
Inverkehrbringen von Arzneimitteln in Ungarn
In Bezug auf die ungarischen Rechtsvorschriften machte das Gericht auch noch eine abschließende Anmerkung. Offenbar stellten die sich daraus ergebenden Formalitäten eine Ausnahme in ungarisches Recht dar, die insbesondere medizinischen Bedarfsfällen das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in einem Mitgliedstaat gestattet, selbst wenn keine von diesem Staat oder der Kommission erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen vorliegt.
Da Ungarn also mit der Einführung dieser Formalitäten eine ordnungsgemäße Umsetzung dieser Ausnahme vorgenommen hat, können sie jedoch nicht als mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahme gleicher Wirkung im Hinblick auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs (im Sinne von Art. 34 AEUV) eingestuft werden, entschied der EuGH.
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Quellen:
Urteil Pharma Expressz, C‑178/20
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