Ist es einem Hersteller nach einem Wettbewerbsverstoß untersagt, seine Ware zu vertreiben, muss er auch bereits gelieferte Produkte zurückrufen und damit sicherstellen, dass auch Zwischenhändler das Produkt nicht weiter vertreiben. Andernfalls drohen Ordnungsgelder oder Vertragsstrafen. Was ist diesbezüglich zu beachten für Beklagte und Antragsteller in einer Unterlassungsklage?
Unterlassungsschuld umfasst auch den Rückruf von Waren
Eine Ahndung eines Verstoßes gegen die Unterlassungsschuld wird dann geltend gemacht, wenn der Verstoß schuldhaft begangen wird. Der Störungspflichtige ist dann nicht nur verpflichtet, alle Störungshandlungen einzustellen, sondern auch alle notwendigen und möglichen Schritte zur Beseitigung der Störung zu unternehmen, urteilte der Bundesgerichtshof im September 2016 (Az. I ZB 34/15). Dazu gehört auch die Verpflichtung, jeden möglichen Einfluss auf relevante Dritte auszuüben, um bei der Eliminierung zu helfen. Dies bedeutet, dass ein Haftpflichtiger generell verpflichtet ist, bereits gelieferte Produkte zurückzurufen, um sicherzustellen, dass die Zwischenhändler das Produkt nicht weiter vertreiben.
Die Frage, welche Maßnahmen zur Beseitigung einer andauernden Störung unter Einschränkung der Angemessenheit erforderlich sind, kann im Vollstreckungsverfahren beantwortet werden, wenn sich der Schuldner nicht bereits während des Ausgangsverfahrens auf Unmöglichkeit oder Sittenwidrigkeit berufen hat.
Der Sachverhalt
Der Sachverhalt des Berufungsverfahrens lautet wie folgt:
Im Januar 2013 wurde der Haftpflichtige unter Androhung einer Geldbuße zur Einstellung des Geschäftsvertriebs und/oder der Werbung für Spirituosen mit der Aufschrift „RESCUE TROPFEN“ (Tropfen) oder „RESCUE NIGHT SPRAY“ verurteilt.
Die Gläubiger konnten die Produkte noch in Apotheken kaufen, die bereits vor der Gerichtsentscheidung eine Lieferung der betreffenden Produkte erhalten hatten, und erhielten nach der Entscheidung eine sechsmonatige Internetwerbung mit den Worten „RESCUE SPRAY“ und „RESCUE NIGHT TROPFEN“ (Tropfen). Deshalb haben sie erfolgreich beim Gericht die Verurteilung des Bußgeldpflichtigen beantragt. Der Verantwortliche legte gegen diese Entscheidung Berufung ein.
Der BGH stellt fest, dass der Verursacher die Rücksendung der betreffenden Produkte nicht angeordnet hat, obwohl der Verursacher gesetzlich dazu verpflichtet war.
Der Haftpflichtige muss sich in der Regel nicht für unabhängige Handlungen Dritter verantworten. Der Haftpflichtige ist jedoch verpflichtet, alle gesetzlichen und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten auf Dritte auszuüben, deren Handlungen dem Haftpflichtigen zugute kommen, wenn er eine (zukünftige) Verletzung zu vermuten hat. Der Haftpflichtige ist verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Vertrieb solcher Produkte zu verhindern, deren Vertrieb und Werbung untersagt ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Verursacher tatsächlich erfolgreich ist oder sein wird, sondern muss ernsthaft versuchen, den tatsächlichen Vertrieb verbotener Produkte zu verhindern, solange es keine anfängliche Unmöglichkeit gab.
Dies gilt auch dann, wenn es keinen Umzugstitel gibt. Unterlassungs- und Abmahnungstitel sowie deren Vollstreckung sind in der Regel rechtlich unabhängig. Diese Unabhängigkeit verhindert jedoch nicht, dass sich die beiden unterschiedlichen Ansprüche überschneiden und zusammenfallen, wenn Unterlassungsansprüche eine Tätigkeit der Partei erfordern, die weitere (zukünftige) oder anhaltende Privilegienstörungen verhindern kann. In diesen Fällen wird die Unterlassungspflicht nur dann erfüllt, wenn die Störung aktiv beseitigt wird. Die Nichtbehebung einer Störung kann in laufenden Störungsfällen als gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Störung eingestuft werden. In diesen Fällen ist eine aktive Handlung nur eine Nebenpflicht der Unterlassungspflicht.
Auch wenn es für denjenigen, der die früheren Verkäufe und Verteilungen rückgängig machen könnte, keine rechtlichen Mittel gibt, gab es keine Beweise dafür, dass es zunächst unmöglich war, Apotheken, die die betreffenden Produkte bereits erhalten hatten, zu befragen.
Spirituosen sind keine „Rescue Tropfen“
Außerdem verstieß der Vertrieb von Produkten mit den Bezeichnungen „RESCUE SPRAY“ und „RESCUE NIGHT TROPFEN“ gegen den Verbots-Titel, weil er den Kern des Verbots verletzte. Abweichungen von der eigentlichen Wortkombination passen noch immer in die Beschränkung des Titels, da der Titel nicht auf den einzelnen Buchstaben beschränkt werden kann, sondern im Kontext des Falles gelesen werden muss. Bestimmte Verallgemeinerungen in der Wortauswahl müssen notwendig sein, um den Gesamtumfang des Titels zu tragen.
Die Beschränkung von alkoholischen Getränken mit der Bezeichnung „RESCUE“ wurde erlassen, weil dieses gesundheitsfördernde Wort illegal mit dem alkoholischen Getränk verbunden war.
Darüber hinaus enthalten die mit „RESCUE SPRAY“ und „RESCUE NIGHT TROPFEN“ gekennzeichneten Getränke jeweils das Schlüsselwort „RESCUE“, das nach dem Urteil des Gerichts nicht mit einem alkoholischen Getränk verbunden werden darf.
Der BGH kam daher zu dem Schluss, dass die Berufung des Schuldners gegen die Verhängung der Geldbuße zurückzuweisen ist.
Fazit
Als Beklagter in einem Hauptsacheverfahren muss man bei Befolgung eines Urteils den Rückruf bedenken und gegebenenfalls auch durchführen. Anderenfalls wird womöglich ein Ordnungsgeld fällig. Positiv für Unterlassungsschuldner ist, dass sie nicht für den Erfolg des Rückrufs einzustehen haben – sofern der Rückruf ernsthaft und mit angemessenen Anstrengungen unternommen wird. Dies sollte unbedingt sehr sorgsam dokumentiert werden, nicht nur die einzelnen Maßnahmen, sondern auch die Reaktionen der Adressaten des Rücknahmeverlangens. Als Antragsteller bei einer Verfügung wiederum sollte man bereits im Verfügungsantrag signalisieren, dass man einen Rückruf der Produkte des Gegners nicht erwartet. Denn wird dem Antragsteller ein Unterlassungsanspruch bezüglich des Vertriebs eines Produktes zugesprochen, und reagiert der Antragsgegner darauf mit einem Rückruf seiner Produkte, können erhebliche Schadensersatzansprüche entstehen; dann nämlich, wenn die einstweilige Verfügung später aufgehoben würde.
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Quelle:
BGH 29.09.2016, Az.: I ZB 34/15 Rescue Tropfen
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