Das Bundespatentgericht sieht Verwendungsansprüche nur in enger Auslegung als Verfahrensansprüche im Gebrauchsmusterschutz. Insbesondere Schutzansprüche, die die Verwendung bekannter Stoffe im Rahmen einer medizinischen Indikation zum Gegenstand haben, sind gebrauchsmusterfähig, urteilte das BPatG im Einklang mit dem BGH.
Verfahren sind gemäß § 2 Nr. 3 GebrMG vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen. Für Verwendungsansprüche ist dies jedoch eng auszulegen. Insbesondere Schutzansprüche, die die Verwendung bekannter Stoffe im Rahmen einer medizinischen Indikation zum Gegenstand haben, seien gebrauchsmusterfähig, urteilte das BPatG (Az. 35 W (pat) 412/16). Damit sind Gebrauchsmuster für medizinische Verwendungsansprüche (1. Med. Indikation – zweckgebundener Stoffschutz) zulässig und rechtskräftig!
Deutsche Gebrauchsmuster können auch auf der Grundlage einer anhängigen PCT-Anmeldung oder einer anhängigen EP-Patentanmeldung eingereicht werden. Denn für ein deutsches Gebrauchsmuster ist ein Doppelschutz auch als EP-Patent erlaubt – im Gegensatz zu deutschen Patenten, für die ein Doppelschutz gilt.
Das diesem Urteil zugrunde liegende Gebrauchsmuster betraf die Verwendung von Lithiummetasilikat-Glaskeramik mit Gehalt an Zirkonoxid zur Dentalbehandlung. Es handelt sich um eine Abzweigung aus der Europäischen Anmeldung EP 11 16 2840.0.
DPMA: Ausschlusstatbestand des GebrMG für Verwendungsansprüche
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) verweigerte die Erteilung des Gebrauchsmusterschutz und beanstandete, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht schutzfähig sei, weil es sich bei den Verwendungsansprüchen um Verfahrensansprüche handele. Typische Ansprüche auf medizinische Verwendungen seien Verfahrensansprüche. Denn sie umfassten neben der Verabreichung des Stoffs an den Patienten auch die Maßnahmen für seine Herrichtung zur Verwendung bei der therapeutischen Behandlung, etwa seine gebrauchsfertige Verpackung und Kennzeichnung für den neuen therapeutischen Verwendungszweck. Und dies sei gemäß § 2 Nr. 3 GebrMG vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen.
BGH Urteil von 2005: Arzneimittelgebrauchsmuster
Über einen ganz ähnlichen Sachverhalt urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 2005 (Arzneimittelgebrauchsmuster, Az.: X ZB 7/03). Auch wenn sich das Urteil das BGH auf die spezifische Fallgruppe der Verwendung bekannter Stoffe im Rahmen einer medizinischen Indikation bezieht, können die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze auch auf einen Verwendungsanspruch für einen bestimmten Verwendungszweck bezogen werden.
Die Verwendung von bekannten Wirkstoffen erschöpfe sich in einem Handlungserfolg, auf den sie abzielt, es ist jedoch kein durch ein Verfahren hergestelltes Erzeugnis, urteilte der BGH. Ebenso wenig liege ein Arbeitsverfahren vor. Denn dies wäre eine technische Betätigung, durch die an einem Objekt Arbeitsschritte vollzogen werden, ohne dass dabei eine Veränderung der behandelten Sache eintritt.
Bei der medizinischen Indikation dagegen werde zur Erzielung einer therapeutischen oder präventiven Wirkung auf einen menschlichen oder tierischen Körper eingewirkt. In Bezug auf die Schutzfähigkeit als Gebrauchsmuster liege auch kein Unterschied vor zwischen neuen Stoffen, die Arzneimittel sind, und bekannten Stoffen, deren Wirkung als Arzneimittel in einem erfinderischen Schritt gefunden wurde, stellte der BGH klar.
BPatG urteilt im Einklang mit dem BGH
Das Bundespatentgericht (BPatG) folgte in seinem Urteil „Lithiummetasilikat-Glaskeramik“den Grundsätzen des BGH. Verwendungsansprüche gelten demnach nur in enger Auslegung als Verfahrensansprüche. Nur dann, wenn sich ein Verwendungsanspruch seinem materiellem Gehalt nach auf ein Verfahren richtet, ist der Ausschlusstatbestand des § 2 Nr. 3 GebrMG erfüllt, urteilte das BPatG. Insbesondere nannte das Gericht Arbeits- oder Herstellungsverfahren.
Das Gericht änderte daher den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des DPMA vom 2. Mai 2016 dahingehend, dass das Streitgebrauchsmuster 20 2011 110 342 unter Zurückweisung des Löschungsantrags nur in dem Umfang gelöscht wird, in dem es über die als Hauptantrag bezeichneten Schutzansprüche hinausgeht.
Zwar wird an diesem Urteil deutlich, dass der Ausschlusstatbestand des § 2 Nr. 3 GebrMG auf Verwendungsansprüche im Gebrauchsmusterschutz eng ausgelegt wird. Es empfiehlt sich aber dennoch, eine gute Begründung zu haben für die Schutzfähigkeit im Gebrauchsmusterschutz von Verwendungsansprüchen. Das BPatG selbst machte deutlich, dass die Frage, in welchem Umfang Verwendungsansprüche auch über die Fallgruppe der Verwendung eines bekannten Stoffes im Rahmen einer medizinischen Indikation hinaus gebrauchsmusterfähig sind, weiterer rechtlicher Klärung des höchsten Gerichts bedürfe.
Weitere Urteile zum Schutzumfang im Grenzbereich von Verfahren und Verwendung:
- Keine Einstweilige Verfügung um den Wirkstoff Fulvestrant gegen Brustkrebs
- ESZ Erteilung für hexavalenten Impfstoff – auf ein Formulierungspatent
- Erteilung mehrerer SPC auf dasselbe Patent
- Neue Formulierung eines Wirkstoffs: kein SPC
Benötigen Sie Unterstützung zum Schutz von Pharmaprodukten oder Arzneimitteln?
Unsere Patentanwälte und Rechtsanwälte weisen jahrelange Expertise im gesamten Pharmabereich, Life Sciences und Healthcare auf.
Nutzen Sie gerne unser Angebot für einen Rückruf-Termin mit uns!
Quelle:
Urteil BPatG 35 W (pat) 412/16
Bild:
aloisiocostalatge /pixabay.com / CCO License | Claudio_Scott /pixabay.com / CCO License
Schreiben Sie einen Kommentar