Schutz durch ein ergänzendes Schutzzertifikat für die neue Formulierung eines Wirkstoffs ist wichtig für die Entwicklung neuer Arzneimittel. Über die Erteilung mehrerer SPC auf der Grundlage desselben Patents ist in der Rechtsprechung der letzten Jahre im Detail geurteilt worden.
Grundsätzlich können mehrere ergänzende Schutzzertifikate (ESZ, engl. SPC) auf der Grundlage desselben Patents auf mehrere verschiedene Erzeugnisse erteilt werden – aber nur unter strikten Bedingungen. Denn könnte jedes sukzessive Inverkehrbringen eines Wirkstoffs ein Recht auf Erteilung einer Vielzahl ergänzender Schutzzertifikate begründen, wäre das nicht vereinbar mit der Balance zwischen Interessen der Pharmahersteller und dem politischen Auftrag, die Volksgesundheit zu schützen. Daher ist für die Rechtsprechung über die Erteilung mehrerer SPC auf der Grundlage desselben Patents von entscheidender Bedeutung, ob die Wirkstoffe oder die Wirkstoffzusammensetzung, die in einem neuen Erzeugnis durch ein SPC geschützt werden sollen, Gegenstand der von einem Grundpatent geschützten Erfindung sind (im Sinn der Art. 1 Buchst. c und 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 469/2009).
Case Law: Die Erteilung mehrerer SPC auf dasselbe Patent
Bereits 2011 urteilte der EuGH in Medeva BV vs. Comptroller General of Patents, Designs and Trade Marks (C:2011:773), ein ergänzendes Schutzzertifikat sei für eine Zusammensetzung aus zwei Wirkstoffen zu erteilen, auch wenn das Arzneimittel nicht nur diese Zusammensetzung aus zwei Wirkstoffen enthält, sondern auch weitere Wirkstoffe (ebenso auch das Urteil C:2011:776 Georgetown University vs. Comptroller General of Patents, Designs and Trade Marks, vom November 2011). Voraussetzung sei jedoch, dass diese zwei Wirkstoffe die der in den Ansprüchen des geltend gemachten Grundpatents genannten entsprechen.
Im viel beachteten Urteil Georgetown University vs. Octrooicentrum Nederland (C:2013:828) vom Dezember 2013 urteilte der EuGH, dass die Erteilung mehrerer SPC auf dasselbe Patent in diesem Fall möglich sei, in dem das erste SPC auf eine Wirkstoffkombination erteilt wurde und die folgenden SPC auf jeweils einen einzelnen Wirkstoff. Denn durch das Grundpatent für ein L1-Protein des humanen Papillomavirus der Georgetown University wurden die in den Arzneimitteln Gardasil und Cervarix enthaltenen verschiedenen HPV Zusammensetzungen geschützt. Ein weiteres SPC könne für jeweils jeden dieser Wirkstoffe erteilt werden, der durch das genannte Patent auch einzeln als solcher geschützt ist, urteilte das Gericht.
Daher unterscheidet sich der Sachverhalt und auch das Urteil zu dem ebenfalls 2013 getroffenen Urteil im Fall Actavis vs. Sanofi (C:2013:833). In diesem Fall schützte ein Grundpatent einen Wirkstoff als solchen, ein SPC wurde für ein Arzneimittel mit diesem Wirkstoff erteilt.
Es ging hier um die Frage, ob der Patentinhaber auf der Grundlage dieses Patents, jedoch mit einer späteren Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels mit einer anderen Wirkstoffzusammensetzung, ein zweites SPC für diese Zusammensetzung aus dem Wirkstoff anmelden konnte,
- für den bereits ein SPC erteilt worden war,
- und dem Wirkstoff, der als solcher nicht durch das genannte Patent geschützt war.
Und dies wurde vom EuGH abgelehnt.
Ebenso lehnte der EuGH im Fall Actavis vs. Boehringer von 2015 (C:2015:165) die Erteilung mehrerer SPC auf dasselbe Patent ab. In diesem Fall umfasste das Grundpatent einen Anspruch auf ein Erzeugnis mit einem Wirkstoff, für das dem Patentinhaber bereits ein SPC erteilt worden war. Daher konnte kein zweites SPC auf der Grundlage desselben Patents erteilt werden auf die Kombination dieses Wirkstoffs mit einem anderen Stoff. Denn die Wirkstoffkombination AB gegenüber dem Einzelwirkstoff A, für den die
bereits ein SPC gewährt worden war, wird als dieselbe Innovation gewertet.
Dieser Linie der Rechtsprechung folgte der EuGH auch mit seinem Urteil vom 25. Juli 2018 im Fall Teva vs. Gilead über das AIDS-Medikament TRUVADA® (C:2018:585, siehe „EuGH Urteil im ESZ Streit um Gileads AIDS-Blockbuster“ ). Ein Produkt, das aus mehreren Wirkstoffen mit kombinierter Wirkung bestehe, sei “durch ein gültiges Basispatent” geschützt, auch wenn die Kombination von Wirkstoffen, aus denen dieses Produkt besteht, in den Ansprüchen des Basispatents nicht ausdrücklich erwähnt wird, sich diese Ansprüche aber notwendigerweise und spezifisch auf diese Kombination beziehen. Dabei müsse jeder der Wirkstoffe im Licht aller durch das Patent offengelegten Angaben spezifisch identifizierbar sein, urteilte der EuGH.
SPC Rechtsprechung – aktuell zu Trägerstoffen und Beschichtung
Bemerkenswert ist insofern das Urteil des deutschen Bundespatentgericht vom Januar 2018 (14 W (pat) 10/16), in dem die SPC Erteilung für einen hexavalenten Impfstoff auf ein Formulierungspatent gewährt wurde (siehe: ESZ Erteilung für hexavalenten Impfstoff – auf ein Formulierungspatent) In diesem Fall war jeder der Einzelwirkstoffe individualisiert in den Ansprüchen des Grundpatentes benannt. Das BPatG begründete seine positive Entscheidung damit, dass Hilfs- und Trägerstoffe aus den Ansprüchen des Grundpatentes nicht relevant seien. Im vorliegenden Fall war das Adjuvans als Trägerstoff für die erfinderische Tätigkeit und somit die Erteilung des Grundpatentes ausschlaggebend gewesen; ein synergistischer Effekt der Wirkstoffkombination wurde nie behauptet.
Die Erteilung eines SPC auf ein Formulierungspatent ist auch das Streitthema im aktuellen Fall Abraxis (C:2018:1020), in dem der Generalanwalt eine strikte Auslegung gefordert hat ( EuGH Generalanwalt: Kein SPC für neue Formulierung eines Wirkstoffs ). Das Besondere an diesem Fall ist, dass das SPC für eine Kombination von Stoffen beantragt wurde, die den Wirkstoff in Form von Beschichtung durch Nanotechnologie enthalten. Das Urteil des EuGH in diesem Fall kann mit Spannung in diesem Frühjahr erwartet werden.
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