Ein wichtiges Urteil für ESZ im Arzneimittelrecht: Das Bundespatentgericht urteilte positiv über die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für eine durch ein Formulierungspatent geschützte Wirkstoffzusammensetzung. Denn dies sei gegenüber den zuvor zugelassenen Einzelwirkstoffen als eigenständige Innovation anzusehen.
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) verweigerte die Erteilung eines erweiterten Schutzzertifikats (ESZ) auf eine Impfstoffformulierung, die sich auf die Zulassung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (bis 2010 EMEA, jetzt EMA) stützte. Die Antragstellerin hatte ein ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel für das Erzeugnis „Diphtherie-, Tetanus-, Pertussis-, Hepatitis B-, Poliomyelitis- und Hämophilus influenza Typ b Konjugat-Kombinationsimpfstoff“ beantragt.
DPMA verweigerte Adjuvantien die ESZ Erteilung
Die Verweigerung des DPMA bezog sich auf den Deutschen Teil eines Europäischen Grundpatents verweigert, weil das Grundpatent den Wirkstoff oder Wirkstoffzusammensetzung schützen müsse – „Schutz als solches“ (EuGH: „Actavis/Sanofi“, „Georgetown II“ sowie „Actavis/Boehringer“, gemäß Art. 3 (a) der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 (AMVO)). Dem fraglichen Patent läge aber als zentrale erfinderische Idee nicht die Bereitstellung der für das ESZ beanspruchten Impfstoffkombination an sich, sondern die Verwendung eines speziellen Adjuvans, also Immunantwortverstärkers zugrunde. Und Adjuvantien seien nicht als Wirkstoffe einzustufen, da sie keine eigenständigen arzneilichen Wirkungen entfalten (EuGH, PharmR 2014, 98, Rdn. 35 ff. – Glaxosmithkline). Außerdem ginge die beantragte Wirkstoffzusammensetzung auch über die den Schutzbereich des Grundpatentes hinaus.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss legte die Patentinhaberin erfolgreich Beschwerde beim Bundespatentgericht (BPatG) ein. Das BPatG beschied in einer ersten Zwischenverfügung, dass er der Beschwerdeführerin beipflichtete, dass ein auch auf ein Formulierungspatent genau wie auf ein Verfahrenspatent ein ESZ erteilt werden könne (nach Art. 3 Europ. AMVO EG Nr. 469/2009).
Erfinderisches Konzept des EuGH
Im Hinblick auf die das erfinderische Konzept betonende Actavis Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bleibe aber zu bewerten, ob ein ESZ auf eine Wirkstoffkombination noch erteilt werden könnte, wenn sämtliche der Einzelwirkstoffe der Kombination bereits früher arzneimittelrechtlich zugelassen worden waren.
ESZ Erteilung nur für Arzneimittel wirksame Stoffe / Stoffzusammensetzungen
Jeder der Einzelwirkstoffe war individualisiert in den Ansprüchen des Grundpatentes benannt. Das BPatG begründete seine positive Entscheidung damit, dass Hilfs- und Trägerstoffe aus den Ansprüchen des Grundpatentes nicht relevant ist, weil ein ESZ stets nur für Arzneimittel wirksame Stoffe oder eine Zusammensetzung solcher Stoffe erteilt werden könne – die auch alle in Kombination die pharmazeutische Wirkung begründen, anders als bei den Actavis Fällen.
Ein so erteiltes ESZ könne, entgegen den Befürchtungen des DPMA, niemals den Schutzbereich des zugrunde liegenden Grundpatents erweitern. Denn per definitionem (Art. 1 c AMVO ) werde der Schutzbereich des ESZ nicht unabhängig bewertet, sondern werde stets unter Rückgriff auf und somit innerhalb der Grenzen des Schutzbereichs des Patents ermittelt. Daher könne der Schutzbereich des ESZ den des Schutzbereichs des Patents niemals erweitern.
Die Urteilsbegründung
Im vorliegenden Fall war allerdings das Adjuvans als Trägerstoff für die erfinderische Tätigkeit und somit die Erteilung des Grundpatentes ausschlaggebend gewesen; ein synergistischer Effekt der Wirkstoffkombination wurde nie behauptet. Das BPatG befand, da gegenüber den Patenten auf die Basiswirkstoffe hier das Kombinationsprodukt eine eigenständige, erfinderische somit patentfähige Innovation dargestellt habe und der Patentinhaber hierfür eine eigene, erste arzneimittelrechtliche Genehmigung erwirkt habe (dies bzgl. Art. 3 c AMVO, in Abgrenzung zum Sachverhalt nach EUGH Actavis/Boehringer und Georgetown II).
Durch ein Formulierungspatent geschützte Wirkstoffzusammensetzung
Die Patentinhaberin hatte bisher weder für die Einzelwirkstoffe der Kombination noch für die verfahrensgegenständliche Wirkstoffkombination bisher ein ESZ erteilt bekommen. Bei der verfahrensgegenständlichen Wirkstoffzusammensetzung handelt es sich nach Ansicht des BPatG um ein neues Erzeugnis, durch dessen Bereitstellung es erstmals möglich wurde, sechs von der Ständigen Impfstoffkommission empfohlene Routineimpfstoffe mit einer einzigen Injektion zu verabreichen – eine deutliche Verbesserung der Volksgesundheit. Die Innovation der Wirkstoffzusammensetzung beruhe weder auf dem Vorhandensein eines neuen Wirkstoffs noch auf einem synergistischen Zusammenwirken der einzelnen Wirkstoffe, sondern sei begründet in ihrer pharmazeutischen Formulierung.
Somit wurde die Entscheidung des DPMA aufgehoben und das beantragte ESZ für den Zeitraum von Mai 2013 bis Oktober 2015 rückwirkend erteilt. Die Patentinhaberin kann für diesen Zeitraum nachträglich das Patent und das ESZ durchsetzen und rückwirkend Entschädigung von Dritten verlangen.
Patentschutz und erweiterte Schutzzertifikate von Arzneimitteln – auch für Sie ein Thema?
Nutzen Sie doch noch heute einen ersten und unverbindlichen Rückruf-Termin mit uns!
Quellen:
BPatG 14 W 10/16 vom 23.1.2018 Hexavalenter Impfstoff
Bild:
qimono /pixabay.com / CCO License
qimono /pixabay.com / CCO License (Medizin)
Schreiben Sie einen Kommentar