Wer einen Vindikationsanspruch auf ein EU Patent erfolgreich geltend machen möchte, muss Erfindungsbesitz und Wissenstransfer nachweisen, urteilte das OLG Frankfurt. Der Nachweis muss substantiiert sein – auch für Miterfinder und für ein erfindungsgemäßes Produkt nach CE-Zertifizierung.
Das Recht auf das europäische Patent ist geregelt nach nach Art. 60 EPÜ. Neben den Fragen, wem das Recht an einem europäischen Patent zusteht (eine natürliche Person, der Erfinder oder dessen Rechtsnachfolger), werden darin auch Sachverhalte geregelt, wenn mehrere Anspruch auf ein Europäisches Patentrecht erheben.
Erfinderschaft – und von Miterfindern?
Um die Frage der Erfinderschaft ging es in einem Fall, der vor dem Oberlandesgericht Frankfurt entschieden wurde, nach Art. 60 EPÜ, Art. II § 5 (1) IntPatÜbkG. Haben mehrere eine Erfindung unabhängig voneinander gemacht, gilt daher „first come, first serve“. Anders gesagt, steht gemäß diesem Artikel das Recht auf das Europäische Patent demjenigen zu, der als erster eine europäische Patentanmeldung gemacht hat – aber nur, wenn diese frühere Anmeldung nach Artikel 93 veröffentlicht worden ist und nur mit Wirkung der dort benannten Vertragsstaaten.
Haben mehrere eine Erfindung unabhängig voneinander gemacht, so steht das Recht auf das europäische Patent demjenigen zu, dessen europäische Patentanmeldung den früheren Anmeldetag hat; dies gilt jedoch nur, wenn diese frühere Anmeldung nach Artikel 93 veröffentlicht worden ist, und nur mit Wirkung für die in der veröffentlichten früheren Anmeldung benannten Vertragsstaaten.
Dieses Recht war nun anzuwenden auf ein Verfahren zur Herstellung von Silikonimplantaten, das in diesem Fall das Streitpatent war. Dieses Patent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Implantaten oder Zwischenprodukten solcher Implantate sowie durch solch ein Verfahren erhaltene Implantate und Zwischenprodukte.
Der Sachverhalt: Silikonimplantate
Angemeldet wurde das Europäische Patent von dem ehemaligen Vertriebspartner für Deutschland der in Brasilien ansässigen Herstellerin von Silikonimplantaten, und zwar nach der Zusammenarbeit der Parteien im Jahr 2008. Erst 7 Jahre später, 2015, wurde die Patentanmeldung veröffentlicht. Daraufhin klagte die Herstellerin aus Brasilien und stellte einen Vindikationsanspruch an das Europäische Patent. Sie machte also geltend, dass die Erfindung von einem Nichtberechtigten widerrechtlich angemeldet worden war und dieses Recht an Sie zu übertragen ist.
Wissenstransfer – nicht bewiesen durch CE-Zertifizierung
Das erstinstanzliche Landgericht Frankfurt hatte die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht substantiert darlegen können, dass die Klägerin dem Beklagten Ex-Vertragshändler das von ihr entwickelte Verfahren mitgeteilt habe (sogenannter Wissenstransfer). Aus der Tatsache, dass der Beklagte für die Klägerin aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen D-Vertrages für die Erlangung der für den Vertrieb in Europa notwendigen CE-Zertifizierung zuständig war, lasse sich ein Wissenstransfer nicht entnehmen. Zwar hätten ab Geltung der Medizinprodukterichtlinie im Jahr 2003 auch Angaben zu dem Herstellungsverfahren gemacht werden müssen, was aber nicht den Grad der Spezifizierung der einzelnen Verfahrensschritte erreicht habe.
Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgte. Im Wesentlichen machte sie geltend, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Informationen über die Beschaffenheit der Implantate zum Beleg ihres Erfindungsbesitzes irrelevant seien.
Nachweis zum Erfindungsbesitz
Das OLG wies zunächst einmal darauf hin, dass es schon an der eindeutigen Erfinderbenennung fehle, die nach Art. 60 (1) EPÜ eine natürliche Person sein muss. Ob die Klägerin überhaupt eine sogenannte Aktivlegitimation für den Patentvindikationsanspruch hatte, war nicht eindeutig vor Gericht, da sich die Klägerin in Widersprüche verstrickte.
Dies spielte aber auch keine relevante Rolle, denn das OLG Frankfurt stellte ohnehin fest, es fehle am Erfindungsbesitz. Es konnten keine konkreten Einzelheiten zum Nachweis des Erfindungsbesitzes von der Klägerin vorgebracht werden. Zudem fehlte auch jede zeitliche Einordnung und tatsächlicher Vortrag zu den Einzelheiten des geltend gemachten Erfindungsbesitzes.
In einem Vindikationsprozess muss der Kläger einen Wissenstransfer hinsichtlich der streitgegenständlichen Erfindungen von dem Kläger zu dem Beklagten substantiiert darlegen, erläuterte das Gericht. Dabei müsse er auch die Wesensgleichheit und Erfindungsidentität dartun und im Streitfall beweisen (mit Verweis auf Haedicke/Timmann-Pansch, Handbuch des Patentrechts, 2. Auflage, § 10 Rn 246 m.w.N.). Die Kausalität zwischen und Erfindung und Anmeldung muss deutlich werden. An einer solchen Darlegung aber fehlte es, stellte das OLG Frankfurt fest.
Selbst bei Annahme eines Erfindungsbesitzes und eines Wissenstransfers würde der teilweise Mitferfindungsbesitz keine Mitinhaberschaft der Klägerin begründen, da der Beitrag zudem nicht schöpferisch war, ergänzte das Gericht. Ein interessanter Aspekt, umso mehr, als es mehrere wegweisende Entscheidungen des BGH zum Thema „schöpferischer/erfinderischer Beitrag zu einer Erfindung“ gibt.
Schöpferischer Beitrag als Miterfinder
Miterfinder kann nach Rechtsprechung sein, wer einen schöpferischen Beitrag zu der (gemeinschaftlichen) Erfindung geleistet hat (BGH GRUR 2001, 226, 227- Rollenantriebseinheit) Ob das vorliegt, muss im Einzelfall entschieden werden. Bei dieser Bewertung darf jedoch kein zu strenger Maßstab angelegt werden (BGH GRUR 1978, 583 – Motorkettensäge). Es genügt, dass der Miterfinder zur beanspruchten Lösung beigetragen hat, sein Beitrag muss für sich genommen gar nicht unbedingt erfinderisch oder patentfähig sein (BGH Mitt. 2013, 551 Rn 9 – Flexibles Verpackungsverhältnis).
Darauf berief sich die Klägerin und verwies auch auf eine Entscheidung des OLG München (Urteil vom 19.12.2013 – 6 U 4586/10), demnach ein schöpferischer Beitrag auch in Form der Mitteilung des Standes der Technik vorliegen kann, wenn der Patentanmelderin der Stand der Technik nicht bekannt war. Die Klägerin begehrte, dass der Beklagte die von ihm erstellte technische Dokumentation 2003 (TD 2003) vorlegt, um ihr weiteren Vortrag oder Beweis zu ermöglichen.
Doch das OLG Frankfurt wies dies zurück. Es sei darauf hinzuweisen, erklärte das Gericht, dass dieser Stand der Technik des Beklagten allein schon deshalb bekannt war, weil er jahrelang die von der Klägerin hergestellten Produkte, die das Merkmal der verlagerten Naht enthielten, vertrieben hat und dies den Produkten auch mühelos anzusehen war.
Im Übrigen habe die Klägerin nicht dargelegt, dass der Beitrag zur Erfindung über die bloße Mitteilung des Standes der Technik hinausging, der von der Klägerin behauptete Beitrag der Erfinder entspreche jedenfalls lediglich dem Durchschnittskönnen eines Fachmanns.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt Az. 2-06 O 378/17 wurde daher vollständig zurückgewiesen.
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Quellen:
OLG Frankfurt ‚Erfindungsbesitz und Wissenstransfer’m, 6 U 79/19
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